Jugendlicher soll abgeschoben werden – und stürzt metertief aus dem Fenster
Der Versuch, einen jugendlichen Geflüchteten mitten in der Nacht abzuschieben, endete am Donnerstag in Harburg beinahe tödlich. Als Behördenmitarbeiter und Polizei an der Tür seines Zimmers in einer Geflüchtetenunterkunft klopften, unternahm der Jugendliche einen dramatischen Versuch, sich der Abschiebung zu entziehen. Der Vorfall löst eine Debatte über die umstrittenen nächtlichen Abschiebungen aus.
Der Versuch, einen jugendlichen Geflüchteten mitten in der Nacht abzuschieben, endete am Donnerstag in Harburg beinahe tödlich. Als Behördenmitarbeiter und Polizei an der Tür seines Zimmers in einer Geflüchtetenunterkunft klopften, unternahm der Jugendliche einen dramatischen Versuch, sich der Abschiebung zu entziehen. Der Vorfall löst eine Debatte über die umstrittenen nächtlichen Abschiebungen aus.
Gegen 2.45 Uhr waren Polizisten zu der Geflüchtetenunterkunft an der Harburger Poststraße gerufen worden. Sie sollten Amtshilfe für Mitarbeiter des Amts für Migration bei einer Abschiebung leisten.
19-Jähriger soll mitten in der Nacht abgeschoben werden
Wie die MOPO erfuhr, sollte ein 19-jähriger Afghane nach Kroatien abgeschoben werden. Dort hatte der Jugendliche nach seiner Flucht erstmalig europäischen Boden betreten – der Balkanstaat galt somit als Ersteinreiseland. Der Abschiebeversuch endete aber in einem Drama.
Laut einem Polizeisprecher hatten die Beamten an der Zimmertür im 5. Obergeschoss des 19-Jährigen geklopft – und auch Geräusche aus dem Inneren gehört. Weil der Jugendliche aber nicht öffnete, wurde der Hausmeister aufgefordert, das Zimmer zu öffnen.
Geflüchteter versuchte, sich abzuseilen
Die Polizisten entdeckten dann ein offenes Fenster, an dessen Rahmen zusammengeknotete Bettlaken befestigt waren. Beim Blick aus dem Fenster sahen sie in zehn Metern Tiefe eine Person auf einem Vordach liegen.

Die Feuerwehr rettete den Teenie mit einer Drehleiter. Nachdem der 19-Jährige vom Notarzt versorgt worden war, kam er in eine Klinik. Bei seinem metertiefen Sturz hatte er noch Glück: Lebensgefahr bestand laut Feuerwehr nicht.
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Auf MOPO-Anfrage bestätigte ein Sprecher des Amts für Migration, dass der Jugendliche erstmalig auf europäischem Boden in Kroatien aktenkundig wurde. Nach eigenen Angaben reiste er am 15. April in die Bundesrepublik Deutschland ein und äußerte am 16. April ein Asylgesuch in der Zentralen Erstaufnahmeeinrichtung Hamburg.
Der förmlich am 25. April beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gestellte Asylantrag wurde Anfang August jedoch als unzulässig abgelehnt – damit wurde vom BAMF die Rückführung nach Kroatien angeordnet.
Aber warum geschah die Abholung mitten in der Nacht? Der BAMF-Sprecher betonte, dass die nächtliche Abschiebung aus organisatorischen und administrativen Gründen erfolgte. Übergabezeiten des zuständigen EU-Landes seien einzuhalten. Hinzu kämen die vorgegebenen Flugzeiten und die Überstellung zum Abflug-Airport. Im vorliegenden Fall sollte die Abschiebung über Frankfurt am Main erfolgen.
Umstritten: Nächtliche Abschiebungen
Betroffene nachts für die Abschiebung abzuholen ist deutschlandweit eine gängige Praxis und wird häufig kritisiert. Neben den organisatorischen Gründen wollten die Behörden auch öffentliche Aufmerksamkeit umgehen – und sicherstellen, des Betroffenen auch habhaft zu werden, sagt Moritz Reinbach vom Abschiebemonitoring des Diakonischen Werks Hamburg der MOPO.
„Ich sehe auf der einen Seite das Problem der Behörden, aber besonders bei humanitär relevanteren Fällen wie kranken Menschen oder Familien mit Kleinkindern sollte das vermieden oder unterlassen werden“, sagt er. In Berlin gibt es etwa eine entsprechende Absichtserklärung im Koalitionsvertrag – in Hamburg nicht. Auf MOPO-Nachfrage beim Senat, was die Gründe hierfür sind, lag bis zum Redaktionsschluss keine Antwort vor.
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Von der Linken gibt es Kritik: „Das ist symptomatisch für das fürchterliche Abschiebegeschehen und zeigt die Brutalität, mit der die Abschiebungen hier stattfinden“, sagt Carola Ensslen, Linken-Fachsprecherin für Migration und Flucht, der MOPO zu dem Vorfall.
„Ich bin jedes Mal erschüttert, dass die Betroffenen nachts aus ihren Betten gerissen und festgenommen werden.“ Abschiebungen seien grundsätzlich fragwürdig, so Ensslen. Festnahmen lehne sie strikt ab. „In den meisten Fällen gäbe es andere Lösungen.“