Retter an Silvester: „Der Böller durchschlug die Hose, ich spürte brennenden Schmerz“
Die erste Silvesternacht nach der Corona-Pandemie wird bei einigen Helfern körperliche und seelische Narben hinterlassen. Einsatzkräfte wurden von marodierenden Jugendgruppen angegriffen, mit Knallkörpern beworfen und sogar beschossen. Ein Feuerwehrmann erlitt dabei schlimme Verbrennungen. Er schildert der MOPO seine schreckliche Nacht.
Die erste Silvesternacht nach der Corona-Pandemie wird bei einigen Helfern körperliche und seelische Narben hinterlassen. Einsatzkräfte wurden von marodierenden Jugendgruppen angegriffen, mit Knallkörpern beworfen und sogar beschossen. Ein Feuerwehrmann erlitt dabei schlimme Verbrennungen. Er schildert der MOPO seine schreckliche Nacht.
Frank Schneider (34, Name geändert) ist seit 16 Jahren bei der Freiwilligen Feuerwehr Schnelsen. „Ich bekomme kein Geld dafür und opfere viel Freizeit“, sagt er. Anderen Menschen ehrenamtlich zu helfen, bei Notfällen für sie da zu sein, sei eine Herzensangelegenheit für ihn. Bislang habe er keine Sekunde bereut. Das änderte sich in der Silvesternacht.
„Meine Kameraden und ich hatten am Silvesterabend schon etliche Kleinbrände gelöscht. Gegen 22.20 Uhr wurden wir dann zu einem brennenden Müllcontainer in die Straße Vörn Brook gerufen.“ Als sie sich mit einem Schnellangriffschlauch der Brandquelle nähern, bemerken er und seine Kollegen auf der anderen Straßenseite johlende Jugendliche.
Silvester: Feuerwehr wird mit Knallkörpern beschossen
„Dann flogen auch schon die ersten Böller auf uns zu“. Zunächst hört er nur die immer näher kommenden lauten Geräusche, wie er berichtet. Unzählige Knallkörper fliegen auf die Retter zu, detonieren um sie herum und in ihrer Mitte. Dann ein Zischen, ein ohrenbetäubender Knall und eine Druckwelle.

Kurz darauf bemerkt Frank Schneider einen brennenden Schmerz am Oberschenkel. Er erschrickt, als er guckt, was da so weh tut: Seine feuerfeste Einsatzhose ist komplett durchgeschmort. Mehrere Schichten Stoff am Oberschenkel – nicht mehr da. Ein Vogelschreck-Böller hat ein Loch hinein gebrannt und sich bis auf die Haut durchgefressen.
Ursprünglich ist ein Vogelschreck überhaupt nicht für Silvester gedacht, es sind auch nicht wirklich Böller: Man benutzt sie als Aufsatz bei einer Schreckschusspistole, um damit Vögel aufzuscheuchen. In der Klinik wird später eine Verbrennung zweiten Grades an Frank Schneiders Oberschenkel festgestellt. Die Täter? Flohen in alle Himmelsrichtungen, als die Polizei eintraf.

Schneider war Silvester nicht das einzige Opfer unter Feuerwehrleuten. Wie die MOPO erfuhr, gab es in Eidelstedt einen weiteren schweren Vorfall. Auch hier wurden die Retter von Jugendgruppen massiv mit Böllern beworfen, darunter auch gefährliche Polenböller. Dann geriet die Situation völlig außer Kontrolle: Einer der Böllerwerfer ging mit einer Schreckschusspistole im Anschlag auf das Löschfahrzeug zu und feuerte mehrere Schüsse auf die Scheibe ab.
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Die Fahrzeugscheibe ging zu Bruch, Glassplitter flogen umher und trafen einen Feuerwehrmann am Auge. Er kam sofort mit dem Notarzt in eine Klinik. Der Splitter konnte operativ entfernt werden. Ob der Mann jemals wieder sehen wird, ist ungewiss. Er ist auf dem verletzten Auge erblindet. Man hoffe, dass das Augenlicht in späteren Operationen wieder hergestellt werden kann.
Bei Frank Schneider werden die Verbrennungen abheilen – doch er wird andere Narben mit sich tragen. Auch zwei Tage nach dem Vorfall sitzt der Schock bei ihm noch tief. Er habe die vergangenen Nächte kaum schlafen können, erzählt er dem MOPO-Reporter. Am Neujahrstag, als noch vereinzelt geböllert wurde, sei er bei jedem Knall aufgeschreckt. Bei einem Löschangriff in einer brennenden Wohnung fühle er sich sicherer als draußen in der Silvesternacht. Er kann das Geschehene immer noch nicht fassen.
Böller-Angriffe auf Retter – Polizei sucht Zeugen
„Was ist das für eine Welt? Wir kommen, um zu helfen und werden angegriffen und verletzt,“ sagt Frank Schneider. An die nächste Silvesternacht denkt er mit mulmigen Gefühlen. Da wird seiner Meinung nach bei den Einsätzen nicht nur bei ihm die Angst mitfahren. Er wünscht sich, dass die Täter gefasst und bestraft werden.
Die Polizei sucht weiterhin nach Zeugen. Sie ermittelt wegen Verstoßes gegen das Waffengesetz und schwerer Körperverletzung. Denn: Für Vogelschreck-Munition braucht man einen Munitionserwerbschein, ein Verstoß wird strafrechtlich verfolgt. Hinweise können unter der Telefonnummer (040) 4286 56789 gegeben werden.