Basar an der Billstraße: Hier werden Hamburgs geklaute Räder verscherbelt
Alte Kühlschränke stehen aufgereiht neben heruntergekommenen Polstermöbeln. Elektroschrott – DVD-Player und Fernseher, viele ohne Bildschirm – liegt auf Holzplatten. Matratzen mit Flecken, die kein Mittel der Welt mehr herausgewaschen bekommt. Alles am Straßenrand, alles zu verkaufen, so gut wie alles zu einem Spottpreis. Willkommen an der Billstraße in Rothenburgsort, einem in vielerlei Hinsicht schrägen Basar – und Hamburgs Straße der gestohlenen Fahrräder.
Sie sind nämlich der Verkaufsschlager und türmen sich hier überall: viele runtergerockt, einige noch nagelneu. Die meisten gehen ins Ausland, überwiegend nach Osteuropa, aber auch nach Holland oder Afrika. Eine Containerladung bringe, so ein Händler, um die 2000 bis 4000 Euro. Gutes Geld. Viele der Räder sind – ohne, dass der Mann dies zugibt – geklaut.
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Alte Kühlschränke stehen aufgereiht neben heruntergekommenen Polstermöbeln. Elektroschrott – DVD-Player und Fernseher, viele ohne Bildschirm – liegt auf Holzplatten. Matratzen mit Flecken, die kein Mittel der Welt mehr herausgewaschen bekommt. Alles am Straßenrand, alles zu verkaufen, so gut wie alles zu einem Spottpreis. Willkommen an der Billstraße in Rothenburgsort, einem in vielerlei Hinsicht schrägen Basar – und Hamburgs Straße der gestohlenen Fahrräder.
Sie sind nämlich der Verkaufsschlager und türmen sich hier überall: viele runtergerockt, einige noch nagelneu. Die meisten gehen ins Ausland, überwiegend nach Osteuropa, aber auch nach Holland oder Afrika. Eine Containerladung bringe, so ein Händler, um die 2000 bis 4000 Euro. Gutes Geld. Viele der Räder sind – ohne, dass der Mann dies zugibt – geklaut.
Viele Polizeirazzien: Hamburgs Straße der Fahrraddiebe
Die Hamburger Polizei schlägt immer wieder an der Billstraße zu. 2017 kam es dort zum größten Schlag gegen die Rad-Mafia in der Geschichte der Stadt: 1500 Fahrräder wurden beschlagnahmt, in 15 Lastern abtransportiert und in eine eigens dafür angemietete 5000-Quadratmeter-Halle in Niendorf gebracht. Monatelange Ermittlungen waren dem Einsatz vorausgegangen. Aber die meisten Räder mussten nach Wochen der Erfassung wieder an die Hehler zurückgegeben werden – trotz Verurteilung. Der Grund: Nur bei 47 Rädern konnten die Besitzer ermittelt werden.
Zuletzt war die Polizei am Montagabend an der Billstraße. In einem Laster stellten die Beamten geklaute Räder sicher. Entweder eine neue Lieferung, oder die Räder waren zum Abtransport bereit. Ein Sprecher: „Die Ermittlungen in dem Fall dauern an.“
Und so funktioniert das Geschäft: Die Diebe, häufig Kleinkriminelle, klauen die Räder im Stadtgebiet und bringen sie einem Händler an der Billstraße. Die zahlen dafür einen kleinen Bargeldbetrag. Aber auch organisierte, europaweit agierende Banden sollen an der Billstraße ihre Geschäfte machen.
BKA-Beamter: Sind Räder über die Grenze, „bleiben sie weg“
Vor allem Letztere seien „extrem gut strukturiert“, wie ein BKA-Beamter der MOPO schon Ende vergangenen Jahres erzählte. „Die Täter kommen mit Transportern, begehen Einbrüche, bedienen sich und fahren sofort in Richtung Polen oder Holland. Es gibt dort ganze Lagerhallen. Der Verfolgungsdruck ist nicht hoch.“ Was er meint: Anders als bei Autos werden Fahrräder nicht im europäischen Fahndungssystem registriert. Sind die Räder erstmal über die Grenze, „dann bleiben sie auch weg“, so der BKA-Mann.
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Der Fahrrad-Markt in Hamburg erlebt seit Jahren einen gewaltigen Boom, die Nachfrage ist enorm. Gleichzeitig ist auch das Geschäft für geklaute Räder lukrativer geworden. Rund 600 Euro ist ein gestohlenes Rad durchschnittlich wert, insgesamt 14.300 wurden der Hamburger Polizei im vergangenen Jahr als gestohlen gemeldet – 277 weniger als 2020. Doch im Vergleich zu 2019 registrierte die Polizei 2021 einen Anstieg um mehr als 20 Prozent. Der Sachschaden: rund acht Millionen Euro.
Den Anstieg erklärt sich die Polizei zum einen mit der Corona-Pandemie, da im Jahr 2020 „Fahrräder vermehrt als Sportgeräte und als Alternative zum öffentlichen Nahverkehr genutzt wurden“, so eine Sprecherin. Der Radverkehr habe um 33 Prozent zugenommen. Zudem seien Räder auch aufgrund einer „Angebotsverknappung“ durch Liefer- und Produktionsengpässe besonders begehrt gewesen. „Die Polizei steuert hier weiterhin präventiv mit Aufklärungsarbeit gegen und hält den Verfolgungsdruck mit zielgerichteten operativen Maßnahmen weiter hoch.“ Die Beamten empfehlen eine Codierung und gute Abstellplätze – „und grundsätzlich immer zwei Schlösser“.