„Halt einfach deine Fresse“: AMG-Raser bittet nach Todes-Crash um Vergebung
Sie kannten sich, waren gute Freunde. Heute kann sie ihm nicht mehr in die Augen schauen. Antonia K. saß mit im Mercedes, als es passierte, der schreckliche Crash vor vier Jahren, ihre Zwillingsschwester Julia auch. Am Steuer: Ömer O. Er soll fahrlässig den Tod der damals 20 Jahre alten Julia in Kauf genommen haben. Dafür muss sich der 28-Jährige vor dem Amtsgericht in Harburg verantworten. Es tue ihm unendlich leid, lässt er über seinen Anwalt verlauten. Doch so, wie er sich gerade nach dem Vorfall zeigte, tun sich Zweifel an seiner Botschaft auf.
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Sie kannten sich, waren gute Freunde. Heute kann sie ihm nicht mehr in die Augen schauen. Antonia K. saß mit im Mercedes, als es passierte, der schreckliche Crash vor vier Jahren, ihre Zwillingsschwester Julia auch. Am Steuer: Ömer O. Er soll fahrlässig den Tod der damals 20 Jahre alten Julia in Kauf genommen haben. Dafür muss sich der 28-Jährige vor dem Amtsgericht in Harburg verantworten. Es tue ihm unendlich leid, lässt er über seinen Anwalt verlauten. Doch so, wie er sich gerade nach dem Vorfall zeigte, tun sich Zweifel an seiner Botschaft auf.
Es war der zweite Weihnachtstag 2019, als Ömer O. sie von zu Hause abholte. Wenn Antonia K. heute an diesen Tag zurückdenkt, verbindet sie mit ihm kein frohes Fest, sondern nur schlimmste Albträume.
O. bestreitet Alkoholkonsum – ein Test sagt etwas anderes
Die junge Frau – seit dem Vorfall gilt sie als schwerbehindert, musste sich etliche Male operieren lassen, sie sei von „Klinik zu Klinik getrottet“, wie sie selber sagt – sitzt vor dem Richter und lässt die Geschehnisse Revue passieren. Mutig, stark und sichtlich ergriffen, berichtet sie von den Momenten, die zum Unfall führten.
Um 22.30 Uhr habe Ömer O. sie mit einem Mercedes AMG (570 PS) abgeholt, danach trafen sie sich an mehreren Stellen mit Freunden. Später am Abend besuchten sie auch zwei Bars. Viele Leute seien da gewesen, in Finkenwerder kenne man sich, sagt sie. O. soll zumindest anfangs auch Alkohol getrunken haben, der Angeklagte hat das in seiner Version bestritten. Ein von der Polizei angeordneter Bluttest ergab den Wert von 0,7 Promille.
„Es war alles normal, einfach ein nettes Zusammensein“, sagt Antonia K.. Julia, ihre Zwillingsschwester, sei auch dabei gewesen. In der zweiten Bar habe sie zu Antonia gesagt, dass sie müde sei und nach Hause wolle. Sie fragten Ömer O., ob er sie fahren könne. Er stimmte zu, mit einer weiteren Freundin setzten sich sich ins Auto.
Suche nach Feuerzeug war „unnötig“
Er setzte die Freundin ab und fuhr dann in Richtung des Zuhauses der Schwestern. Aber: „Er machte einen Umweg, ich habe mir dabei erst noch nichts gedacht, weil das üblich war. Wir rauchten sonst noch immer eine“, erzählt Antonia K.. Gestört habe sie das an jenem Abend aber schon, weil ihre Schwester so dringend nach Hause wollte.
O. habe gestoppt, um ein Feuerzeug zu suchen. Als „unnötig“, empfand das K., weil sie ihm schon vorher gesagt habe, dass sie kein Feuerzeug habe. Der Angeklagte sei daraufhin „mit einem lauten Geräusch, vielleicht auch quietschenden Reifen“ angefahren. Kurz darauf sei es zum Unfall gekommen.
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Laut Polizei verlor O. in einer Kurve in Finkenwerder die Kontrolle, prallte mit dem Wagen frontal gegen eine Planke. Julia starb, Ömer O. und Antonia K. kamen schwer verletzt in Kliniken. Beide leiden ihren Angaben nach seitdem unter Folgeschäden. K. brach sich einen Teil der Wirbelsäule, musste das Laufen wieder lernen. O. hat eine Behinderung am Fuß.
Er werde sein ganzes Leben damit zu kämpfen haben, sagt der Angeklagte, er werde das niemals vergessen, es tue ihm unendlich leid. Der bullige Mann mit Stiernacken spricht mit tiefer Stimme, verfolgt den Prozess ruhig und ohne Emotionen. Er gesteht sogar, meint aber nur, dass er nicht – wie laut Gutachten festgestellt – 105, sondern „wohl so 100“ km/h fuhr. Außerdem habe das Tempolimit dort 60 und nicht 50 betragen. Das Gericht will das klären lassen. Die Polizei konnte das bisher noch nicht bestätigen, weil nach Unfällen die Schilder manchmal gewechselt werden.
Inwieweit Ömer O. – der auf die Frage, wie es zum Unfall kam, mit „ist halt passiert“ antwortet – wirklich mit den Geschehnissen zu kämpfen hat, lässt sich nicht abschätzen. Die Zahlen sprechen jedenfalls gegen ihn: Seit dem Unfall wurde er insgesamt sechs Mal geblitzt, teilweise war er 30 und 41 km/h zu schnell. Einmal musste er sogar seinen Führerschein für drei Monate abgeben. Bevor der Richter diese Zahlen vorliest, spricht O. noch davon, dass er „ein, zwei Mal“ geblitzt wurde und das „völlig normal“ sei.
Die Staatsanwältin präsentiert daraufhin eine Liste mit Ordnungswidrigkeiten des Angeklagten, der vor dem Unfall bereits Ärger mit der Justiz hatte: Es ging um Drogenmissbrauch. Er musste unter anderem ein medizinisches Gutachten von sich erstellen lassen, das er bestand. Seinen Führerschein durfte er behalten.
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Als Antonia K. aufstehen will, weil ihre Befragung zu Ende ist, hebt Ömer O. die Hand. Sein Anwalt spricht für ihn und sagt, dass sein Mandant versucht habe, Kontakt zur Familie K. aufzunehmen, um sich zu entschuldigen. Weil ihm das aber verwehrt geblieben sei, wolle er dies heute vor Gericht nachholen. „Das kann er jetzt auch lassen“, sagt K.. Und als O. anfangen will, ergänzt sie: „Halt‘ bitte einfach deine Fresse, okay?“ Der Prozess wird nächste Woche fortgesetzt.