Razzien bei Jugendlichen: Das Gewaltproblem am Jungfernstieg
Der Jungfernstieg – ein Boulevard der Gegensätze: Zum einen Luxus-Läden und Alster-Traumblick, zum anderen Treffpunkt für feierfreudige Jugendliche und öfters auch Schauplatz brutal ausgehender Straftaten. Erst zu Ostern kam es zum Konflikt zwischen 150 auf sich einprügelnder Teenies, im Februar wurde dort ein 17-Jähriger mit einem Messer verletzt. Am Donnerstag hat die Polizei gleich mehrere Wohnungen gefilzt, um an die mutmaßlichen Täter zu kommen. Ist der Jungfernstieg noch zu retten? Wie die Polizei die Lage bewertet, warum eine Gewerkschaft eine Gesetzesänderung fordert und wieso ein Experte den sozialen Medien eine Mitschuld gibt.
Der Jungfernstieg – ein Boulevard der Gegensätze: Zum einen Luxus-Läden und Alster-Traumblick, zum anderen Treffpunkt für feierfreudige Jugendliche und öfters auch Schauplatz brutal ausgehender Straftaten. Erst zu Ostern kam es zum Konflikt zwischen 150 auf sich einprügelnder Teenies, im Februar wurde dort ein 17-Jähriger mit einem Messer verletzt. Am Donnerstag hat die Polizei gleich mehrere Wohnungen gefilzt, um an die mutmaßlichen Täter zu kommen. Ist der Jungfernstieg noch zu retten? Wie die Polizei die Lage bewertet, warum eine Gewerkschaft eine Gesetzesänderung fordert und wieso ein Experte den sozialen Medien eine Mitschuld gibt.
Zwei Gruppen mit jeweils rund zehn Jugendlichen treffen am 22. Februar gegen 22.30 Uhr im Bereich der Europa-Passage am Ballindamm aufeinander. Ein verbaler Streit mündet in eine körperliche Auseinandersetzung – einem 17-Jährigen wird ein Messer ins Bein gerammt. Die Kripo übernimmt die Ermittlungen, spricht mit Zeugen und Beteiligten, wertet Kameraaufnahmen aus.
Polizei findet Beweismittel bei Razzien
Am Donnerstagfrüh folgten Razzien in Hohenfelde, Borgfelde, Rahlstedt, Heimfeld und Bahrenfeld. Die Ermittler haben fünf Verdächtige im Fokus: vier 17-Jährige und einen 18-Jährigen. Sie sollen bei dem Konflikt im Februar beteiligt gewesen sein. „Bei den Durchsuchungen wurden Beweismittel sichergestellt, die nun ausgewertet werden“, sagt ein Polizeisprecher.
Der Hauptverdächtige und mutmaßliche Messerstecher soll in der Unterkunft an der Freiligrathstraße (Hohenfelde) wohnen. Angetroffen wurde er an diesem Donnerstag nicht, Spezialkräfte, die für die sogenannte Zugangssicherung angefordert waren, rückten wieder ab. Die Ermittlungen gehen weiter.

Nahezu täglich müssen Streifenwagen der Polizei am Jungfernstieg halten, tagsüber oft wegen Diebstählen, abends wegen Gewaltdelikten. Beim jüngsten Großeinsatz – einer Schlägerei zwischen rund 150 Jugendlichen am Ostermontag – wurden zwei Polizisten verletzt. Bei einer 16-jährigen Beteiligten fanden die Beamten eine Machete.
Kein Einzelfall: Immer wieder arten Streitigkeiten im Bereich der Europa-Passage aus. Bei einer MOPO-Umfrage antworteten 86 Prozent, dass sie sich abends am Jungfernstieg unwohl fühlen würden.
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Horst Niens, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP) in Hamburg bemängelt zudem den „abnehmenden Respekt“ der Jugendlichen vor den Beamten. Oft würden Polizisten Messer bei den Teenies finden, es sei in vielen Fällen nur dem Zufall geschuldet, ob das Opfer einer Attacke überlebt oder nicht.
Die GdP fordert daher eine Gesetzesänderung, damit Messerdelikte direkt als versuchte Tötungsdelikte gewertet werden und nicht wie in vielen Fällen üblich als gefährliche Körperverletzung. So käme es im Zweifel auch zu härteren Strafen, führt er weiter aus.

Konflikte dieser Art, bei denen es zwischen Jugendlichen eskaliert, würden sich auch häufig über soziale Medien anbahnen, sagt Jens Mollenhauer (59). Er ist beim Bundesnetzwerk für Zivilcourage tätig, Autor eines Buches über Jugendgewalt und hauptberuflich im Jugendschutz tätig. Hunderte Jugendliche würden Chat-Gruppen angehören, zur Klärung von Streitigkeiten würden dann zentrale Treffpunkte wie der Jungfernstieg ausgemacht.

„Vielen der Jugendlichen fehlt es an Erziehung und an Respekt“, sagt Mollenhauer. „Die Polizei wird dabei häufig als Feindbild ausgemacht.“ Angestaute Wut lasse die Heranwachsenden nicht selten hemmungslos werden.
Doch wie kann man dieser Entwicklung entgegenwirken? Mollenhauer: „Durch verstärkte Präventionsarbeit und womöglich durch klarere Grenzsetzung seitens der Justiz.“ Er fordert auch Zeugen auf, Zivilcourage zu zeigen und genaue Angaben bei der Polizei zu machen. „Dann können Gerichte auch Strafen verhängen, die den Jugendlichen zu denken geben.“
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Seit 2012 führt die Polizei am Jungfernstieg „zielgerichtete Maßnahmen zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und zur Verhinderung von Straftaten“ durch. Dazu zählen Lichtmasten sowie Videoüberwachung. Polizisten gehen dort zudem verstärkt auf Streife, vor allem am Wochenende.
Zahlen, wie sich die Kriminalität am Jungfernstieg entwickelt, gibt es nicht. Aus Polizeikreisen heißt es aber, dass es keine signifikanten Häufungen von Straf- und Gewalttaten gebe. Polizeigewerkschaften warnen hingegen seit Jahren vor dem „jugendlichen Problemklientel“.