Geldautomaten-Banden: Warum die Täter im Norden immer skrupelloser zuschlagen
Ein lauter Knall, dann fliegen Plastikteile herum, Scheiben splittern – und die Täter fliehen mit sehr viel Geld. Immer häufiger werden in Norddeutschland Bankautomaten gesprengt, immer öfter ohne Rücksicht auf Verluste. Die Täter nutzen mittlerweile festen Sprengstoff wie TNT und richten so enormen Schaden an. Polizei und Europol wissen, wieso vor allem niederländische Gruppen hier zuschlagen und wieso auch das Verhältnis der Deutschen zum Bargeld eine Rolle spielt.
Ein lauter Knall, dann fliegen Plastikteile herum, Scheiben splittern – und die Täter fliehen mit sehr viel Geld. Immer häufiger werden in Norddeutschland Bankautomaten gesprengt, immer öfter ohne Rücksicht auf Verluste. Die Täter nutzen mittlerweile festen Sprengstoff wie TNT und richten so enormen Schaden an. Polizei und Europol wissen, wieso vor allem niederländische Gruppen hier zuschlagen und wieso auch das Verhältnis der Deutschen zum Bargeld eine Rolle spielt.
Allein in den vergangenen Wochen schlugen Verbrecher mehrfach um Hamburg herum zu: In der Nacht zu Mittwoch etwa sprengten Unbekannte einen Bankautomaten im niedersächsischen Egestorf, wenige Tage zuvor einen in Hittfeld. Ende September waren sie bei Lägerdorf in Schleswig-Holstein erfolgreich. Jedes Mal konnte die Täter unerkannt fliehen.
Das LKA in Schleswig-Holstein beobachtet einen Trend, spricht gar von einem „deutschlandweiten Problem“. Dies ließe sich aus polizeilicher Sicht mit einer „Attraktivität des vermeintlich hohen Stehlgutes“ erklären, so eine Sprecherin. Heißt: In Deutschland liegt mehr Geld in Automaten als anderswo in Europa.
Niederländer sprengen in Deutschland Geldautomaten
Gerade in Niedersachsen steigt die Zahl der Sprengungen, vor allem die der vollendeten Taten: Waren es 2018 noch 17, sind es dieses Jahr schon 27 (Stand: 5. Oktober). Aber warum schlagen die Täter vor allem in Niedersachsen zu? Wegen der Nähe zur niederländischen Grenze, so die Erkenntnis der Polizei.
Die Mehrzahl der Taten – um die 80 Prozent – werden niederländisch-marokkanischen Gruppen aus dem Bereich Utrecht und Amsterdam zugerechnet, die „überwiegend mit hochmotorisierten Fahrzeugen hier nach Deutschland einreisen und danach wieder in die Niederlande zurückkehren“, erklärt eine LKA-Sprecherin. Dafür sprächen auch die „bestimmten Merkmale bei den Tatausführungen und die Arbeitsweise an den Tatorten“.

Die niederländische Polizei geht von mehreren hundert Menschen aus, die in wechselnden Zusammensetzungen nach Deutschland reisen, nur um Automaten zu sprengen. Sie seien „hochprofessionell“, schlügen stets nachts zu und die Tat an sich dauere nur wenige Minuten. Sie seien skrupellos; und wegen der Verwendung von festen Sprengstoffen auch rücksichtslos. Die LKA-Sprecherin: „Sie nehmen auch Verletzungen von Unbeteiligten in Kauf.“
Die Täter gingen laut Europol immer raffinierter vor und hätten es besonders auf freistehende Automaten abgesehen. „In diesem Deliktsfeld haben wir es nicht mit mafiösen Strukturen zu tun“, sagte eine Europol-Beamtin zur MOPO. „Die Täter sind organisiert, koordinieren ihre Taten in Gruppen und arbeiten zusammen nur mit dem Ziel, besonders viel Geld zu machen. Wir haben jedes Alter bei Tatverdächtigen schon gesehen.“
Geldautomaten-Sprengungen: Dazu rät die Polizei
In den Niederlanden werden Geldautomaten seit Jahren besser geschützt, auch die Politik nahm mit Gesetzesänderungen und erhöhter Prävention Einfluss auf die Entwicklung der damals steigenden Fallzahlen. Fast jeder Automat in den Niederlanden macht das Geld mit Farbe unkenntlich, sollte dieser beschädigt oder gesprengt werden. Mit Erfolg: Die Taten sinken. Die Täter suchten sich so andere Ziele.
„Mit diesem Einfärbesystem würde man den Tatanreiz minimieren“, so die niedersächsische LKA-Sprecherin. Die Polizei plädiert – im gemeinsamen Konsens aller Länderpolizeien – für weniger Geldautomaten, weniger Bargeldbestand und bessere Sicherung, zum Beispiel durch Videokameras. Auch die Etablierung des „bargeldlosen Zahlungsverkehrs“ müsse man in Betracht ziehen. Auch Europol begründet die hohen Fallzahlen in Deutschland mit einer „weit verbreiteten Verwendung von Bargeld in der Gesellschaft“, so die Europol-Beamtin.
Wie ist die Lage in Hamburg: CDU-Innenexperte sieht Handlungsbedarf
Steigende Zahlen und beinahe wöchentliche Fälle in Niedersachsen und Schleswig-Holstein – und wie ist die Lage in Hamburg? Im laufenden Jahr wurden in der Stadt nur zwei Taten verzeichnet, die im Versuchsstadium endeten. „Bislang scheinen potentielle Tätergruppen den Fokus eher auf Geldautomaten in ländlichen Regionen mit geringer Polizeidichte gelegt zu haben, sodass prognostisch auch weiterhin davon auszugehen sein dürfte, dass Hamburg als Großstadt nicht unmittelbar im Fokus der Täter steht“, so Polizeisprecher Florian Abbenseth.
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Trotzdem sieht Dennis Gladiator, Innenexperte der CDU, Handlungsbedarf, vor allem in Hinsicht auf die Zahlen aus dem Umland. Das Sprengen von Geldautomaten sei eine schwere Straftat mit erheblicher Gefahr für Leib und Leben der Anlieger, sagt er der MOPO. Gleichzeitig komme es zu einem hohen Sachschaden. „Eine stärkere Absicherung des Geldes, zum Beispiel durch Einfärbung der Scheine nach Gewalteinwirkung, halte ich für ein geeignetes Mittel, um das Aufsprengen von Geldautomaten für die Täter unattraktiv zu machen.“