So will der Feuerwehr-Chef Hamburgs Retter stärken
Der eigentliche Amtsleiter ist seit Monaten krank, die Feuerwehr war lange Zeit ohne echte Führung. Das hat sich mit Jörg Sauermann geändert. Zusammen mit Kollege Jan Peters hat er im Februar die kommissarische Leitung übernommen – und hat bereits einiges vorangetrieben, vor allem im angespannten Rettungsdienst. Im MOPO-Interview sagt der 44-Jährige, wie der Rettungsdienst langfristig gestärkt werden soll, was sich jetzt innerhalb der Feuerwehr ändert – und wieso er momentan keine Zeit für Hobbys hat.
Der eigentliche Amtsleiter ist seit Monaten krank, die Feuerwehr war lange Zeit ohne echte Führung. Das hat sich mit Jörg Sauermann geändert. Zusammen mit Kollege Jan Peters hat er im Februar die kommissarische Leitung übernommen – und hat bereits einiges vorangetrieben, vor allem im angespannten Rettungsdienst. Im MOPO-Interview sagt der 44-Jährige, wie der Rettungsdienst langfristig gestärkt werden soll, was sich jetzt innerhalb der Feuerwehr ändert – und wieso er momentan keine Zeit für Hobbys hat.
MOPO: Herr Sauermann, es scheint, als wären Sie zur Amtsleitung wie die Jungfrau zum Kind gekommen.
Jörg Sauermann: Ja, ein Stück weit schon. Es fing im Grunde genommen damit an, dass ich im Oktober vergangenen Jahres die Stabsleitung übernahm. Allein das war natürlich ein Karriereschritt für mich. Dann stellte sich heraus, dass wir erhöhte Abwesenheiten bei der Amtsleitung hatten. Daraufhin wurde ich gefragt, ob ich die Funktionen kommissarisch zusammen mit Jan Peters übernehmen kann.
Zwei riesige Schritte innerhalb weniger Monate. Wie hat sich das angefühlt?
Das war natürlich eine enorme Wertschätzung seitens der Behördenleitung, weil es eine große Verantwortung ist, die dort übertragen wird. Ich schätze, ich habe als Stabsleiter keinen allzu schlechten Job gemacht (lacht). Im Team mit Jan Peters funktioniert das sehr gut, wir ergänzen uns optimal. Er ist schon viele Jahre hier und hat von der Pike auf alles bei der Feuerwehr gelernt. Ich schätze, das war ein ausschlaggebendes Kriterium, uns als Duo zu wählen.
Schon als Kind den Traum vom Feuerwehrmann gehabt?
Nein. Ich habe in Dortmund, wo ich geboren und aufgewachsen bin, eine Ausbildung zum Chemielaborant gemacht und dann noch ein Studium absolviert, für das ich erst mein Fachabitur nachholen musste. Um Zeit zu sparen, habe ich mich für den Wehrersatzdienst entschieden und mich für zwölf Jahre im Katastrophenschutz verpflichtet. So bin ich im Grunde genommen zur Feuerwehr gekommen. Nach dem Studium stellte sich die Frage: In welche Richtung willst du gehen? Da hatte ich dann durch meine Verpflichtung das Standbein Feuerwehr. Ich entschied mich für das Brandreferendariat in Hessen. Danach habe ich mich in Hamburg beworben. Seit 2012 bin ich nun hier.
Wie kam der Sprung nach Hamburg? Der Liebe wegen?
Tatsächlich nicht, nein.
Häufig ist das so.
Ich wollte immer zu einer großen Berufsfeuerwehr gehen, das hing auch von den Entwicklungsmöglichkeiten und dem Einsatzgeschehen ab. Und als Stadtstaat ist man noch mal deutlich näher an der Politik dran als bei einer kommunalen Feuerwehr. Das hat mich zusätzlich gereizt. Und ich habe tatsächlich nur eine Bewerbung geschrieben und konnte offenbar überzeugen.
Wie war die Ankunft in Hamburg für Sie?
Das war sehr aufregend, die Struktur der Feuerwehr ist natürlich viel größer als da, wo ich ursprünglich herkomme. Es gibt viel mehr Spezialitäten, allein mit dem Hafengebiet. Das Einsatzgeschehen ist sehr vielfältig. Ich habe hier vom Autounfall auf einer Fähre mit vier eingeklemmten Personen über Bunker-Explosionen alles erlebt, und ich glaube, zu solchen Einsätzen kommt es vielfach gar nicht in einer Feuerwehr-Karriere.
Was war das Erste, was Sie als Amtsleiter angepackt haben? Durch Corona lag viel im Argen.
Schon in meiner Funktion als Stabsleiter war klar: Wir müssen unbedingt an den Rettungsdienst ran. Corona, Grippe, RS-Virus – dadurch hatten wir enorm hohe Einsatzzahlen und in Kliniken drohte eine Überlastung. Da mussten wir handeln. Mit der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) haben wir uns auf den Weg gemacht, uns besser zu verzahnen. Heißt, wir wollen Einsätze, die wir erkennen und ein geringes Hilfeersuchen bedeuten, sofort in die richtigen Kanäle steuern.
Das bedeutet konkret?
Oftmals haben wir Fälle, in denen Erkrankungen gemeldet werden, die nicht lebensbedrohlich sind, diese sollen jetzt zielgerichteter an die KVH übergeben werden. Um dieses Ziel zu erreichen, lassen wir technisch viel im Hintergrund in der Leitstelle anpassen, sowohl bei uns, als auch bei der KVH. Die einzelnen Abfragesäulen in der standardisierten Notruf-Abfrage müssen angepasst werden. Am Ende muss klar sein, ob das ein Fall für uns oder die KVH ist. Dabei geht es auch um die richtige und gesicherte Datenübertragung. Das ist ein fortlaufender Prozess. Ab nächstem Jahr wollen wir die ersten Einsätze gezielt und besser übergeben, um damit die Gesamtlast im Rettungsdienst zu senken.
Immer häufiger rufen Menschen den Notruf, obwohl gar keine Notfälle vorliegen. Warum?
Das liegt ein Stück weit am demographischen Wandel. Wir haben natürlich eine immer älter werdende Bevölkerung, auch in Hamburg. Wir haben zudem immer mehr Menschen, die die Hilfsstrukturen und die damit einhergehenden Angebote in Deutschland nicht vollumfänglich kennen oder nicht auseinanderhalten können bzw. die vielleicht gar nicht wissen, dass es eine KVH gibt. Die rufen dann die 112 an, denn das ist die Nummer, wo ihnen immer geholfen wird. Da müssen wir an die Öffentlichkeit und aufklären.
Die Union fordert eine Gebühr für die Notaufnahme. Glauben Sie, das kann den Rettungsdienst entlasten?
Mit Gebühren ist das immer so eine Sache. Wenn ich für etwas Gebühren erhebe, wird sich der eine oder andere überlegen, ob er dann einen Notfall meldet. Gegebenenfalls werden bestimmte Personen dann sehr lange warten, weil sie eben Angst haben, dass sie dafür eine Gebühr bezahlen müssen. Das ist ein zweischneidiges Schwert. Wir möchten, dass die Bevölkerung schnell und gezielt die richtige Hilfe bekommt und nicht, dass sie sich fragen muss, ob sie sich das auch leisten kann. Von daher würde ich immer für einen kostenfreien Notruf plädieren.
Nochmal zu den Abfragesystemen: Gerade bei Notarzt-Einsätzen war die Abbruchquote sehr hoch. Kann man das irgendwie anpassen?
Das ist schon geschehen. Wir haben für diese Einsätze im März 2023 Anpassungen im Abfrage-Code durchgeführt und aktiv gesetzt. Das hat dafür gesorgt, dass wir von März bis Juni 2023 eine Absenkung der Notarzt-Einsätze um knapp sieben Prozent verzeichnen konnten.
Wie kann man das Erreichen des Ziels, in acht Minuten bei Einsätzen zu sein, verbessern?
In dem Bereich haben wir bereits eine Steigerung um fünf Prozent auf rund 66 Prozent erreicht im Vergleich zum zweiten Quartal 2022, wo wir nur 61 Prozent Zielerreichung hatten.
Wie lange dauert es durchschnittlich, bis die Feuerwehr da ist?
Im Durchschnitt ist bei einem schutzzielrelevanten Einsatz, also einem Wohnungsbrand mit einer Person, die gerettet werden muss, das erste Fahrzeug bereits nach 5 Minuten und 48 Sekunden vor Ort und kann erste Maßnahmen einleiten.
Aus welchen Gründen kann es doch zu verzögerten Eintreffzeiten kommen?
Wir haben mehrere Einflussfaktoren, die da eine Rolle spielen. Zum einen die Verkehrssituation, die tagsüber anders ist als im Feierabendverkehr. Andererseits auch die wachsende Stadt mit immer mehr Fahrzeugen. Dabei ist egal, ob wir von ruhendem oder fließendem Verkehr sprechen, weil uns auch geparkte Fahrzeuge behindern. Unsere Arbeit wird zudem von der immer dichteren Bebauung beeinflusst. Das nimmt uns ein Stück Bewegungsfläche.
Sie haben ein Wacken-Armband. Dieses Jahr dabei gewesen oder nicht raufgekommen?
Ich bin tatsächlich dieses Jahr aufgrund der Wetterlage nicht auf das Festival-Gelände gekommen. Ich war dann einer derjenigen, die überhaupt nicht anreisen konnten.
Und was hören Sie? Metal oder Hardrock?
Eher Metal.
Spielen Sie selber Instrumente? Oder singen Sie vielleicht?
Nein (lacht). Singen tue ich nur im Ausnahmefall.
Sonst andere Hobbys?
Ich bin frisch gebackener Familienvater, von daher habe ich momentan keine Zeit für Hobbys. Wenn, dann gehe ich gerne Skifahren und beteilige mich ehrenamtlich bei der DLRG und bei der heimischen Freiwilligen Feuerwehr.
Ihr schönstes Fleckchen in Hamburg?
Tatsächlich das Falkensteiner Ufer. Wenn man da hingeht, ist es fast schon wie Urlaub.
Wenn da nicht wieder Teenies in die Elbe springen und versuchen, gegen die Strömung zu schwimmen …
Das ist in der Tat ein Problem. Ich hoffe, dass die Aufklärung, die die Stadt da gerade verstärkt betreibt, auch Früchte tragen wird, weil diese Unglücke tragisch und dramatisch zugleich sind. Ich war bei dem letzten Vorfall privat vor Ort und konnte beobachten, wie eine Person erfolgreich durch die DLRG gerettet wurde. Aber das war wirklich knapp. Die Gefahren der Elbe darf man wirklich nicht unterschätzen.