Er tötete einen Polizisten: Der Waffenfreak mit dem Damenfahrrad
Fünf Schüsse gab Wilhelm B. ab. Drei auf den Polizisten Uwe G., der schwer verletzt und schreiend über die Straße Tibarg in Niendorf taumelte. Zwei Schüsse trafen den 28 Jahre alten Hauptwachtmeisters Hans-Joachim S., der sein Leben verlor. Die Tat vor mehr als 50 Jahren löste großes Entsetzen innerhalb der Bevölkerung aus – auch deshalb, weil sie vermutlich hätte verhindert werden können.
Fünf Schüsse gab Wilhelm B. ab. Drei auf den Polizisten Uwe G., der schwer verletzt und schreiend über die Straße Tibarg in Niendorf taumelte. Zwei Schüsse trafen den 28 Jahre alten Hauptwachtmeisters Hans-Joachim S., der sein Leben verlor. Die Tat vor mehr als 50 Jahren löste großes Entsetzen innerhalb der Bevölkerung aus – auch deshalb, weil sie vermutlich hätte verhindert werden können.
Der 29. Juni 1967 ist ein bewölkter Donnerstag, das Thermometer zeigt kaum 20 Grad an. Der Tibarg ist damals wie heute eine belebte Einkaufsstraße.
Wilhelm B. trägt Hut, schmutzige Hose, Gummistiefel
Um 10.45 Uhr betritt Wilhelm B. (53, Name geändert) ein Spielwarengeschäft, das Erwin S. zusammen mit seiner Frau Waltraud betreibt. Wilhelm B. ist mit einem Damenrad gekommen, das er vor dem Laden abgestellt hat. Der schmächtige, 1,86 Meter große Mann trägt einen grünen Hut, eine schmutzige Hose, Gummistiefel und Vollbart.

Der 53-Jährige fordert von Waldtraud S., die hinter dem Tresen steht, „breites Band”. Als sie ihm entgegnet, dass sie so etwas in ihrem Spielzeugladen nicht führt, zieht Wilhelm B. laut Polizei sofort einen Trommelrevolver. Waldtraud S. schreit, ihr Mann kommt zu ihr in den Verkaufsraum, Wilhelm B. flüchtet. Die Eheleute rufen die Polizei und warnen vor dem Mann mit der Waffe.

Uwe G. und Hans-Joachim S. halten kurz darauf mit dem Peterwagen 37/II vor dem Geschäft. Sie entdecken Wilhelm B. schnell, wollen ihn kontrollieren. Doch der zieht direkt wieder den Revolver – und drückt ab. Er schießt auf die beiden Beamten, zahlreiche Passanten werden Zeugen der Tat. Uwe G. bricht schließlich vor der Deutschen Bank zusammen, Hans-Joachim S. schleppt sich in den Peterwagen.
Wilhelm B. radelt „völlig gelassen“ vom Tatort
Ein dritter Polizist, der mittlerweile am Tatort eingetroffen ist, schnappt sich die am Boden liegende Waffe eines seiner Kollegen und feuert Richtung Wilhelm B., der – laut Zeugen – „völlig gelassen“ wegradelt. Die Schüsse verfehlen ihn, er wird kurz darauf aber an der Friedrich-Ebert-Straße von Kripo-Beamten festgenommen.

Die zwei schwerverletzten Beamten werden in die Klinik nach Eppendorf gebracht. Um 12.13 Uhr erklären Ärzte Hans-Joachim S. für tot. Sein Kollege Uwe G. überlebt, bleibt aber über Jahre an den Rollstuhl gefesselt.
Zur Beerdigung kommt neben Kollegen der Wache 37 auch der damalige Innensenator Heinz Ruhnau (SPD). Er sagt über den Toten: „Er wird der Polizei für immer ein Vorbild treuester Pflichterfüllung sein.“

Und der Täter? Die Kripo findet in der heruntergekommenen Hütte in Schnelsen, in der Wilhelm B. gelebt hat, ein ganzes Arsenal an Waffen. Die Revolver, Pistolen, Gewehre und Munition besitzt er legal: Er hat einen Jagdschein, die Prüfung hat er 1960 mit Auszeichnung abgelegt. Dass er 13 Mal in Heilanstalten war – unter anderem wegen schizophrener Tendenzen –, davon ist der Innenbehörde nichts bekannt. Die Schweigepflicht verbat es den Ärzten damals, sie zu informieren.

Wilhelm B., der sich als Gartenhilfe unter anderem auf dem Friedhof Blankenese das Nötigste zum Leben verdient hat, kommt wegen Totschlags vor Gericht. Am 13. Februar 1968 fällt der Richter das Urteil. Er entscheidet auf Unzurechnungsfähigkeit, Wilhelm B. kommt in eine sogenannte Pflege- und Heilanstalt. Vor Gericht hatte er seine Tat mit den Worten „Ich dachte, sie nehmen mir meinen geliebten Revolver weg. Da muss der Faden bei mir gerissen sein“ begründet.
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Wären die Ärzte, die Wilhelm B. schon in früheren Jahren wegen seiner psychischen Erkrankung behandelt hatten, nicht an die Schweigepflicht gebunden gewesen, hätte der seine Waffen 1967 mit großer Wahrscheinlichkeit nicht mehr besessen. Denn die entließen Wilhelm B. damals als „nicht geheilt und nicht heilbar“. Die Tat von Niendorf, sie wäre vermutlich nie geschehen.