Anwohner schützen Dealer vor Polizei: Das steckt dahinter
Eine aufgebrachte Menge, viele Polizisten und Tatverdächtige, die über alle Berge sind: Bei einem Einsatz Donnerstagabend an der Hafenstraße (St. Pauli) standen sich plötzlich Beamte der „Task Force Drogen“ und Anwohner gegenüber. Die Beamten wurden bedrängt und beschimpft. Anwohner werfen den Polizisten zu hartes Eingreifen vor. Was ist in und vor der Volxküche genau passiert?
Eine aufgebrachte Menge, viele Polizisten und Tatverdächtige, die über alle Berge sind: Bei einem Einsatz Donnerstagabend an der Hafenstraße (St. Pauli) standen sich plötzlich Beamte der „Task Force Drogen“ und Anwohner gegenüber. Die Beamten wurden bedrängt und beschimpft. Anwohner werfen den Polizisten zu hartes Eingreifen vor. Was ist in und vor der Volxküche genau passiert?
Hafenstraße. Der Tag danach. Die Sonne sorgt für sengende Hitze. Wo am Donnerstagabend noch eine aufgebrachte Menge „Haut ab!“ schrie und Polizisten mit Vorschlaghammern ein Fenster des Lokals „Volxküche“ aufbrachen, ist am Freitag nicht viel los. Die Gehwege leer. In der „Volxküche“ niemand. Nur vereinzelt passieren Anwohner den Tatort. Sie wollen ihren Namen nicht in der Zeitung lesen, kritisieren aber den Einsatz: „So macht die Polizei die Situation nicht besser, sondern nur schlimmer“, sagt eine Frau.
Polizisten beobachten an der Hafenstraße einen mutmaßlichen Drogendeal
Das war am Donnerstagabend passiert: Den Angaben der Polizei nach beobachten Beamte um kurz nach 22 Uhr an der Hafenstraße einen mutmaßlichen Drogendeal, woraufhin sie die Personen kontrollieren wollen. Einige flüchten jedoch in die sogenannte „Volxküche“, einen bekannten Treff der linken Szene. Ein Polizeisprecher: „Ein Polizist verletzte sich am Schienbein, als er die Flucht vereiteln wollte.“
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Als die Polizei das Lokal durchsuchen will, versperrt ein 48 Jahre alter Anwohner den Zugang. Die Polizisten setzen daraufhin „unmittelbaren Zwang an“, wie sie sagen, und nehmen den Mann in Gewahrsam. „Hierbei verletzten sich der 48-Jährige und ein Polizist leicht“, so der Sprecher weiter.
Die Beamten versuchen dann, die Eingangstür aufzubrechen; doch diese ist verbarrikadiert, ein Durchkommen scheint unmöglich. Zu dem Zeitpunkt haben sich bereits etwa 30 Menschen vor dem Lokal versammelt, teils Anwohner, teils vom Kiez kommendes Partyvolk. Sie filmen den Einsatz, auf Videos ist zu hören, wie sie schreien „Kümmert euch um euren eigenen Scheiß!“ oder „Bullenschweine, Mörder, Lügner!“ Eine Reihe von Polizisten sichert den Einsatz, steht vor den brüllenden Menschen.

Erst mit einem Brecheisen, dann mit einer Art Vorschlaghammer schlagen die Polizisten auf eine Scheibe neben der Tür ein, klettern dann ins Innere. Draußen droht die Stimmung, so ist es auf Videos zu sehen, die der MOPO vorliegen, weiter zu eskalieren: Einige Menschen aus der Menge wollen zum Fenster, ein Polizist hält sie auf und schreit: „Halten Sie Abstand!“
Eine Anwohnerin erleidet eine Panikattacke
Im Inneren des Gebäudes zittert eine Frau, sie hat laut Polizei eine Panikattacke. Ein Mann umarmt und tröstet sie. Die Menschenmenge draußen wird lauter und ruft wiederholt: „Haut ab! Haut ab! Haut ab!“ Mehrere aus der ersten Reihe beschimpfen die Polizisten und kritisieren die Maßnahmen. Sie nehmen teilweise empört die Arme hoch. Die Polizisten drängen die Menschen von sich weg.

Schließlich beruhigt sich die Situation langsam wieder, die Verletzten werden von Sanitätern der Feuerwehr versorgt, darunter sind zwei Polizisten. Die mutmaßlichen Dealer treffen die Beamten nicht mehr an – sie sind wohl übers Treppenhaus in den Hinterhof geflüchtet. Das Drogendezernat ermittelt.
Die rechtliche Lage? Wirkt eindeutig. Trotzdem äußern sich viele Anwohner am Tag danach verständnisvoll in Richtung der Dealer. Einer meint: „Viele haben keine andere Wahl.“ Er fordert die Politik auf, sich mehr um die Menschen im Viertel zu kümmern, statt sie mit strengen Kontrollen zu drangsalieren. Der Mann fügt hinzu: „Wenn uns Anwohner das Dealen nicht stört, warum stört es andere?“
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Seit 2016 geht die „Task Force“ gezielt gegen die „öffentlich wahrnehmbare Betäubungsmittelkriminalität“ vor. Ein Projekt, das Innensenator Andy Grote (SPD) initiert hatte, weil der Drogenhandel an der Hafenstraße stark zunahm. Die Folge: mehr geplante Einsätze, auch mit verdeckten Kräften, dazu eine deutlich sichtbare Präsenz durch Streifenbeamte.