„Einfach nur schrecklich“: Das unfassbare Grauen im Todes-Schacht
Es ist eine Tragödie auf allen Ebenen: Vier Menschen verlieren bei dem Baustellen-Unfall am Montagmorgen in der HafenCity ihr Leben, ein fünfter liegt schwer verletzt im Krankenhaus. Arbeiter, die ihre toten Kollegen in dem Todes-Schacht sahen, bleiben traumatisiert zurück. Rettungskräfte begeben sich in Lebensgefahr, in der Hoffnung, Überlebende zu finden. Nun ermittelt die Polizei. Es gibt einen Verdacht.
Es ist eine Tragödie auf allen Ebenen: Vier Menschen verlieren bei dem Baustellen-Unfall am Montagmorgen in der Hamburger HafenCity ihr Leben, ein Fünfter liegt schwer verletzt im Krankenhaus. Arbeiter, die ihre toten Kollegen in dem Todes-Schacht sahen, bleiben traumatisiert zurück. Rettungskräfte begeben sich in Lebensgefahr, in der Hoffnung, Überlebende zu finden. Nun ermittelt die Polizei. Es gibt einen Verdacht.
Es geschah um kurz nach 9 Uhr: Ein im Fahrstuhlschacht aufgestelltes Gerüst fällt in sich zusammen. Mindestens fünf Arbeiter, die zu dem Zeitpunkt auf dem Gerüst Mauerarbeiten ausführen, fallen aus dem neunten Stock in die Tiefe – und werden unter Gerüstteilen und Baumaterialien begraben.
„Dann kamen die Schreie dazu“
„Etwas Lauteres habe ich noch nie gehört“, erzählt einer der insgesamt 700 Arbeiter, die an diesem Morgen an der Chicagostraße tätig sind. Wie ein Kartenhaus sei das Gerüst in sich zusammengefallen. „Dann kamen die Schreie dazu. Man hat sich so hilflos gefühlt, weil man nichts tun konnte.“
Die Beschreibungen der Augenzeugen sind grausam. Durch die heruntergefallenen Metallteile werden die fünf Arbeiter teils durchbohrt, andere verlieren durch den Aufprall an Kanten Körperteile. „Das war einfach alles nur schrecklich“, sagt einer.

Die Feuerwehr erhöht schnell die Alarmstufe. Zahlreiche Rettungs- und Streifenwagen parken am Gebäudekomplex, der später mal unter anderem Wohnungen mit Elbblick und ein Shopping-Center beherbergen soll. Notärzte sind im Einsatz, genau wie Seelsorger, die Augenzeugen betreuen. Ein Sanitäter zur MOPO: „Die Menschen sind geschockt.“
Die 700 Arbeiter werden von der Baustelle geführt; eigentlich arbeiten sonst rund 1400 Menschen dort. Wegen des Feiertags am Dienstag haben sich viele freigenommen. Die an dem Tag anwesenden Arbeiter werden in Sicherheit gebracht.
Spezialkräfte der Feuerwehr seilen sich im Schacht ab
Währenddessen seilen sich die Höhenretter der Feuerwehr unter Einsatz des eigenen Lebens vom Schacht herunter, tragen Teile des Gerüsts und Baumaterialien ab, die sich vom Untergeschoss bis ins dritte Stockwerk türmen, um die verschütteten und vermissten fünf Arbeiter ausfindig zu machen. Nur einer kann schwer verletzt gerettet und in eine Klinik gebracht werden – die anderen sind ihren Verletzungen erlegen. Ein nicht nur körperlich, sondern auch mental „sehr fordernder Einsatz“, so Feuerwehrsprecher Philipp Baumann.
Die Arbeit der Retter zieht sich den Tag über bis in den Abend. Die Bergung der vierten Leiche wird um kurz vor 20 Uhr vorerst abgebrochen und auf Dienstagmorgen verlegt. Erst wenn die Kräfte – es waren mehr als 60 im Einsatz – die Baustelle räumen, kann die Kripo erst so richtig mit ihrer Arbeit beginnen. Unterstützt werden die Beamten des LKA 45 vom Amt für Arbeitsschutz. Die Ursache für den Unfall sei noch unklar, so ein Polizeisprecher.
Unfall in Hamburg: War das Gerüst überladen?
Aus Kreisen der Bauarbeiter gibt es allerdings bereits eine Vermutung: Auf dem Gerüst seien viel zu viele Materialien gelagert worden, mehr als das Gerüst nach den Vorschriften hätte tragen dürfen. Das sei keine Seltenheit. Durch die Überlast sei wohl auch ein Lastenaufzug, der am Gerüst befestigt war, abgerissen – alles fiel ineinander zusammen.

Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) besuchte nur wenige Stunden nach dem Todes-Drama die Unfallstelle in der HafenCity: „Mein tiefes Mitgefühl gilt dem Verletzten und den Angehörigen der Verstorbenen.“ Es mache sie sehr betroffen, dass mehrere Arbeiter ihr Leben verloren haben. „Dem Verletzten wünsche ich von ganzem Herzen eine möglichst baldige Genesung.“ Sie dankte auch allen Rettungskräften, die unter „schwierigsten Bedingungen“ die Opfer geborgen beziehungsweise befreit haben.
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Über die Opfer ist bisher nichts Näheres bekannt. Er könne nicht mal sagen, ob es sich nur um männliche Personen handelt, so Feuerwehrsprecher Baumann weiter. Er gehe nicht von weiteren Vermissten aus.
Später gibt die Stadtentwicklungsbehörde zunächst bekannt, dass die Opfer aus Bulgarien stammen. Angehörige seien betreut worden. Die Polizei widerspricht den Angaben, redet von drei Albanern, darunter der Verletzte, der in ein Krankenhaus kam. Bei den beiden anderen Todesopfern stehe die Feststellung der Personalien noch aus, sagt ein Sprecher. Es gebe aber keine Hinweise, dass es sich um Bulgaren handele.
Ein Feuerwehrmann, der im Einsatz war, sagte zur MOPO: „Die Opfer werden nicht vergessen werden. Die Trauer ist groß – auch in unseren Reihen.“