Brutaler Zirkus-Streit und eine Mauer des Schweigens
Was am 26. Januar 2021 passiert ist, scheint klar: Angelo F. (34) wird damals aus seinem Transporter gezerrt und verprügelt, wohl auch mit Schlagringen, ganz sicher aber mit „erheblicher stumpfer Gewalteinwirkung“, so das Ergebnis eines Gutachtens der Rechtsmedizin. Doch wer waren die Angreifer? Auf der Anklagebank sitzen drei Brüder aus einer bekannten Zirkus-Familie. Auch das Opfer entstammt einer Zirkus-Dynastie. Die Polizei geht von länger schwelenden Streitigkeiten zwischen den beiden Sippen aus. Was eine Augenzeugin sagt – und warum der Prozess früher enden könnte als bisher gedacht.
Was am 26. Januar 2021 passiert ist, scheint klar: Angelo F. (34) wird damals aus seinem Transporter gezerrt und verprügelt, wohl auch mit Schlagringen, ganz sicher aber mit „erheblicher stumpfer Gewalteinwirkung“, so das Ergebnis eines Gutachtens der Rechtsmedizin. Doch wer waren die Angreifer? Auf der Anklagebank sitzen drei Brüder aus einer bekannten Zirkus-Familie. Auch das Opfer entstammt einer Zirkus-Dynastie. Die Polizei geht von länger schwelenden Streitigkeiten zwischen den beiden Sippen aus. Was eine Augenzeugin sagt – und warum der Prozess früher enden könnte als bisher gedacht.
Bernado, Anthony und Franz R. hören mit ausdrucksloser Miene zu, als die Anklageschrift verlesen wird. Dafür spricht einer ihrer Anwälte hinterher umso mehr. Aus seiner Sicht werden Behauptungen aufgestellt, für die es keine Beweise gebe – dafür nur ein „wechselndes Aussageverhalten“ des Opfers und seines Vaters. Beide sind am Dienstag zum Prozessauftakt am Amtsgericht Altona als Zeugen geladen. Beide verweigern die Aussage.
„Wir haben nada, rein gar nichts, weniger als nichts“
Ein Urteil, so führt der Anwalt weiter aus, sei nur dann möglich, wenn man Beweise hätte, die – unabhängig von Zeugenaussagen – für eine Tatbeteiligung der Angeklagten sprächen. Man habe aber keinen DNA-Treffer, jede Art von Telefonüberwachung sei nicht ergiebig gewesen. Sein Fazit: „Wir haben nada, rein gar nichts, sogar weniger als nichts.“ Er kritisiert die Staatsanwaltschaft, der gegen die Brüder erlassene Haftbefehl sei erst nach einer Beschwerde außer Vollzug gesetzt worden.
Eine Zeugin spricht an diesem Vormittag. Sie war am 26. Januar 2021 am späteren Tatort – an der Flottbeker Kirche – mit ihrem Sohn unterwegs gewesen, sie kamen vom Spielplatz. Sie sah einen dunklen Kombi vorfahren, darin hätten drei Männer gesessen, zwei stiegen aus. Das wisse sie alles noch so genau, weil das Kennzeichen sie an eine alte Freundin erinnert habe.
Zeugin schildert Gewalttat bei der Flottbeker Kirche
Die ausgestiegenen Männer seien maskiert gewesen, trugen ihren Angaben nach FFP2-Masken. Ob sie dunkle Haare hatten oder Mützen trugen, daran könne sie sich nicht erinnern, denn alles, was dann folgte, sei „ziemlich erschreckend“ gewesen, sagt die Frau.

Die Männer – sie dachte, es seien Handwerker, weil sie eine Art Arbeitshosen getragen haben sollen – stoppten der Zeugin zufolge in Höhe eines Transporters, einer schlug die Fahrerscheibe ein, der andere zog den im Wagen sitzenden Mann raus. Das alles habe sehr gezielt und geplant gewirkt.
Das Opfer soll Angelo F. gewesen sein. Er habe versucht, sich gegen die Schläge zu wehren und bei dem Gerangel seine Hose verloren. Letztlich habe er sich befreien können und sei Richtung Kirche gelaufen. Die zwei Angreifer seien in den dunklen Kombi gestiegen, der vorgefahren kam.
Die Zeugin rief die Polizei. F. soll zu ihr gegangen sein und gesagt haben: „Keine Polizei, keine Polizei!“ Dann sei die Frau von Angelo F., der neben dem Zirkusgeschäft relativ erfolgreich als Profiboxer arbeitet, dazugekommen. Sie habe mit dem gemeinsamen Kind in der Kirche Lebensmittelspenden abgegeben. Kurz darauf kam die Polizei, F. wurde in die Klinik nach Altona gebracht.
Widersprüchliche Aussagen des Opfers – auch vor Gericht
Laut einem Gutachten erlitt Angelo F. multiple Kopfplatzwunden und sogenannte Quetschrisswunden. Sie entstehen bei stumpfer Gewalt und verlaufen nicht gerade, wie bei einem Messerschnitt, so eine geladene Ärztin. Dazu wies F. eine Schädelprellung und diverse Schürfwunden auf. Alle Verletzungen können mit einem Schlagring verursacht worden sein, aber auch durch „sehr starke Faustschläge“. Die eine oder andere Blessur könne er sich auch bei dem Gerangel zugefügt haben, größtenteils seien die Verletzungen aber wohl auf Fremdeinwirkung zurückzuführen.
Opfer Angelo F. schilderte bei Vernehmungen unterschiedliche Versionen und wollte von Anfang an keine Anzeige erstatten. Fotos, auf denen die Beschuldigten zu sehen waren, wies er zurück – er wisse nicht, wie die Angreifer ausgesehen hätten. „Die Sache ist für mich vorbei“, sagte er in einer Befragung im vergangenen Jahr. Vor Gericht behauptet er nun sogar, gar nicht verletzt worden zu sein.
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Für den Anwalt der Beschuldigten, die nach einem Zirkus-Event in den Niederlanden von Spezialkräften der Polizei verhaftet worden waren, ist klar: Das Verfahren wird nicht zu einem Urteil gegen seine Mandaten führen. Man könne den Prozess auch heute beenden. Der Richter lehnt das ab. Er will weitere Zeugen, darunter Polizisten, anhören.
Die Beamten der Kripo gehen von länger schwelenden Streitigkeiten beider Zirkus-Familien aus. Eine Szene, in der „niemand seine Probleme öffentlich austrägt“, sagt ein Ermittler zur MOPO. Der Prozess geht am 17. April weiter.