Santa Fu: Drogenrazzia hinter Gittern – Dealer leben „wie draußen auch“
Das Entschlüsseln der „EncroChat“-Handys brachte sie hinter Gittern, doch auch dort sollen sie weiter ihren illegalen Geschäften nachgehen: Eine in Hamburg organisierte und national bekannte Dealer-Gruppe versorgt laut Polizei nun statt ihrer üblichen Kundschaft Häftlinge mit Drogen. Ermittler filzten am Donnerstag mehrere Zellen der Justizvollzugsanstalten Fuhlsbüttel („Santa Fu“) und Glasmoor. Wie einst in Freiheit, geht es um Drogenhandel im größeren Stil. Nach MOPO-Informationen leben die Beschuldigten im Knast wie Könige.
Das Entschlüsseln der „EncroChat“-Handys brachte sie hinter Gitter, doch auch dort sollen sie weiter ihren illegalen Geschäften nachgehen: Eine in Hamburg organisierte und national bekannte Dealer-Gruppe versorgt laut Polizei nun statt ihrer üblichen Kundschaft Häftlinge mit Drogen. Ermittler filzten am Donnerstag mehrere Zellen der Justizvollzugsanstalten Fuhlsbüttel („Santa Fu“) und Glasmoor. Wie einst in Freiheit, geht es um Drogenhandel im größeren Stil. Nach MOPO-Informationen haben sich die Beschuldigten das Leben im Knast so angenehm wie möglich gemacht.
Tonnenweise haben die verurteilten Männer, die nun im Gefängnis sitzen, mit Drogen gehandelt, vorrangig mit Koks. Über Monate kommunizierten sie im Verborgenen, tauschten über den „EncroChat“ Lieferwege und Kundendaten aus – bis französische Polizisten die Serverräume des Messenger-Dienstes infiltrierten. Danach konnten Beamte die Chats mitlesen und dadurch allein in Hamburg knapp 300 Dealer verhaften. Ein Gros der Verfahren läuft noch, viele der Drogendealer sitzen aber bereits hinter Gittern.
Ermittlungen gegen 24 Männer, darunter 14 Häftlinge
Unter ihnen: Big-Player der Hamburger Drogen-Szene wie Mehmet S. oder Ismajl Z. Sie sollen nun Distributionswege ins Gefängnis geschaffen haben, um Häftlinge mit Marihuana oder Kokain zu versorgen. Insgesamt ermitteln Polizei und die Staatsanwaltschaft gegen 24 Männer im Alter von 19 und 48 Jahren, darunter 14 JVA-Insassen.
„Insbesondere geht es um den Verdacht des Drogenhandels, aber auch der Erwerb spielt selbstverständlich dabei eine Rolle“, sagt eine Staatsanwaltschaft-Sprecherin zur MOPO. Bei der Aktion der Drogenfahnder (LKA 62) wurden 13 Zellen in Fuhlsbüttel und eine in der JVA Glasmoor durchsucht. Letztere wurde allerdings nur gefilzt, weil dort ein Häftling hinversetzt wurde, der zuvor in „Santa Fu“ gesessen hatte. Besagter Drogenhandel soll sich, das bestätigte die Staatsanwaltschaft, vorrangig in Fuhlsbüttel abspielen.

Auch zwölf Wohnungen in Hamburg, Barsbüttel (Kreis Stormarn), Hasloh (Kreis Pinneberg) und Hollern-Twielenfleth (Landkreis Stade) wurden durchsucht. Ein Polizeisprecher: „Hierbei beschlagnahmten die Beamten unter anderem Kokain, synthetische Cannabinoide, Haschisch und Amphetamine sowie 8000 Euro Bargeld.“ Wie die MOPO erfuhr, wurde in den Zellen nur ein USB-Stick, eine Amphetamin-Tablette sowie Dokumente gefunden und sichergestellt.
Die Beschuldigten sollen sich ihre Arbeit professionell eingeteilt haben: Es gab Auftraggeber und sogenannte Läufer, die die Drogen in die JVA schmuggelten: Entweder als Besucher oder die Häftlinge selbst, die für genehmigte Ausgänge raus durften. Die in kleinen Tüten oder Kondomen eingepackten Drogen führten sie zumeist anal ein.
„Sie fühlen sich überlegen, leben protzig und dekadent“
Die Auftraggeber sollen es sich in ihren Zellen gut gehen lassen, sich unter anderem Kalbsfilet und andere Köstlichkeiten in die JVA liefern lassen – teils gegen Bestechungsgeld, in anderen Fällen sollen auch Anwälte instrumentalisiert worden sein. Zudem genießen sie den teils ehrfürchtigen Respekt anderer Häftlinge.
„Das einzige Manko ist, dass sie an einem Ort gefangen sind, ansonsten leben sie wie draußen auch; protzig und dekadent“, so ein Beamter. Sie fühlten sich überlegen. „Doch der Aufschlag nun, zeigt ihnen genau das Gegenteil, dass sie es nämlich nicht sind.“
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Jan Reinecke, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), glaubt, dass Haftstrafen die Täter höchstens in ihrer Bewegungsfreiheit behindern. An der Oberfläche würden die Häftlinge gefügig wirken, eigentlich aber nutzten sie jede Möglichkeit etwaiger Hafterleichterung aus, damit sie weiter mit Rauschgift handeln könnten.
„Die Haft wird genutzt, um neue Verbindungen und Vertriebswege in der Szene zu erschließen oder sich über den Austausch der eigenen Strafakten dahingehend zu beraten, was man nächstes Mal besser machen sollte, um nicht wieder erwischt zu werden“, so Reinecke. Insofern sei die Haftanstalt für Rauschgiftkriminelle auch als „Lehranstalt im negativen Sinne“ zu verstehen.

Wenn schon fraglich sei, wie eine Resozialisierung bei diesen Rahmenbedingungen gelingen kann beziehungsweise gelingen soll, könne laut Reinecke bei „derartigen Auswüchsen“ nicht von einer Strafe mit abschreckender Wirkung gesprochen werden.
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Die Ermittlungen zeigten auf, dass der „gute und richtige Grundgedanke der Resozialisierung“ von verurteilten Straftätern bei Berufsverbrechern der Organisierten Kriminalität (OK) ins Leere läuft, so Reinecke. Die engagierte Arbeit von Polizei und Staatsanwaltschaft werde ad absurdum geführt.
BDK mit klarer Forderung an Justizsenatorin Gallina
Der BDK fordert daher Anna Gallina (Grüne), Hamburgs Justizsenatorin, dazu auf, jene OK-Täter vom „Spielfeld des Drogenhandels“ zu nehmen. Es könne nicht sein, dass sie in Haft sitzen und trotzdem ihren Geschäften nachgehen. Man müsse für mehr Aufsicht und Überprüfungen innerhalb der Gefängnisse sorgen. Reinecke weiter: „Gerade vorm Hintergrund der geringen Entdeckungs- und Verurteilungswahrscheinlichkeit, ist es nicht mehr vermittelbar, dass dem verbrecherischen Treiben von Schwerstkriminellen, in und aus Justizvollzugsanstalten heraus, nicht sofort ein Ende gesetzt wird!“