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Symbolbild
  • Streifenwagen mit Blaulicht bei Nacht (Symbolfoto)
  • Foto: Imago

Drogen, Geldwäsche, Gewalt: Hamburg sagt Clans und der Mafia den Kampf an

Rotlicht, Rocker, Drogen, Geldwäsche, kurz: Organisierte Kriminalität – seit jeher eine Welt, die selbst für Kripo-Beamte, die in der Szene tätig sind, undurchsichtig ist. Oft lassen sich Strukturen nicht nachvollziehen, Distributionswege bleiben geheim, zu selten packen Involvierte aus. Das alles änderte sich drastisch, als deutschen Behörden die geknackten Verläufe der Encrochat-App, einer Art WhatsApp der Verbrecher, zugespielt wurden. „Zum ersten Mal ist es, als guckte man aktiv zu“, so Jan Reinecke, Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK) zur MOPO. Ein großer Erfolg, der jede Menge Arbeit bringt – darum stockt Hamburg nun das Personal auf.

Bei Polizei und Justiz sollen 50 neue Stellen geschaffen werden, um den Berg an Encrochat-Akten zu bewältigen. Diese stammen aus Ermittlungserfolgen der französischen Polizei, die im vergangenen Jahr den Server der Firma infiltrierten. Über das Bundeskriminalamt landeten die Ordner bei den entsprechenden Kripos der Länder.

Erfahrene Polizisten erschrocken über das Ausmaß

Ordner, die erstmals die komplette Kommunikation der Unterwelt-Verbrecher darstellen: Offen wurde über spezielle Handys mit installierten Encrochat-Apps, die sich erst durch einen Code starten ließen und eine zweite, verborgene Benutzeroberfläche hervorbrachten, über Drogen, Waffen und Geschäfte gesprochen. „Plötzlich bekommen wir fast plakativ vorgesetzt, um was es hier alles geht“, so Reinecke. „Entführung, Mordaufträge, Drogenlieferungen. Selbst erfahrene Kollegen hat das erschreckt, was sie da zu lesen bekamen.“ Man hätte jetzt die Möglichkeit, „das Puzzle zusammenzusetzen“.

Jan Reinecke, Hamburger Landesvorsitzender des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK). RÜGA
Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Er ist in Hamburg Landesvorsitzender des BDK.
Jan Reinecke vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK). Er ist in Hamburg Landesvorsitzender des BDK.

Der BDK begrüßt die Personalaufstockung, wirbt er nicht umsonst seit vielen Jahren um verbesserte Mittel und um Unterstützung innerhalb der Kriminalpolizei. Reinecke bleibt aber auch kritisch: „Nirgendwo ist Personal über. Wenn neue, zusätzliche Aufgaben, wie bei Encrochat der Fall, auf die Polizei zukommen, bleibt die Politik dann der Öffentlichkeit immer die Antwort schuldig, worum sich die Polizei weniger oder gar nicht mehr kümmern kann.“

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Von den 50 Stellen sollen, wie die MOPO erfuhr, die meisten von neuangestellten Tarifmitarbeitern besetzt werden, der andere Teil aus Polizeibeamten, die eigentlich in Pension gehen könnten, für die Arbeit in der Soko „HHammer“ aber ihren Ruhestand nach hinten verlegen. „Mit diesen zusätzlichen Stellen legen wir den Turbo ein“, glaubt Anna Gallina (Grüne), Hamburgs Justizsenatorin. Man bekämpfe gezielt den internationalen Drogenhandel und auch die Waffenschieberei. „Und wir verstärken die Suche nach illegal erlangtem Vermögen und stellen dies dann sicher.“

Auch Innensenator Andy Grote (SPD) ist von der Schlagkraft seiner Ermittler und von der Aufstockung überzeugt. Auf MOPO-Nachfrage sagte er: „Noch nie konnten Ermittlungsbehörden in einem vergleichbaren Umfang Kommunikationsdaten aus der internationalen organisierten Kriminalität auswerten. Diese einmalige Chance, dem organisierten Verbrechen einen wirksamen Schlag zu versetzen, wollen wir entschlossen nutzen.“

Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD) dpa
Hamburgs Innensenator Andy Grote (SPD)

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht, ähnlich wie der BDK, aber die Politik in der Pflicht, für „Rückendeckung“ zu sorgen. Der Personalzuwachs solle konsequent weitergeführt werden, denn Ermittler und Einsatzkräfte müssten erstmal ausgebildet werden, so ein GdP-Sprecher. „Es gibt sie nicht auf dem freien Arbeitsmarkt. Zunächst müssen sie aus anderen Bereichen geholt werden. Hamburg macht jetzt einen Anfang, doch der muss nachhaltig sein.“


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Wie dringend dieser Schritt ist, zeigen folgende Zahlen: Nur wenige Monate nach dem Zuspielen der Chatverläufe sind bereits 79 Verfahren bei Gericht anhängig, 171 werden noch von der Staatsanwaltschaft geführt. Insgesamt 139 Angeklagte, 49 wurden bereits verurteilt, knapp fünf Millionen Euro an Vermögenswerten, darunter Bargeld, Uhren und Autos, wurden beschlagnahmt. Die Zahlen steigen täglich. Und die Verbrecher bleiben nicht untätig: Die Hamburger Polizei wird bald vermutlich ein weiteres, dickes Datenpaket auf den Tisch liegen haben. Vor wenigen Wochen haben belgische Ermittler einen anderen Krypto-Handyanbieter gehackt und Serverdaten sichergestellt. Der Name der Firma: „Sky ECC“. Auch hier soll es konkrete Verbindungen nach Deutschland geben. Und nach Hamburg.

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