Unfassbarer Mordfall: Lotto-Millionär im Ölfass versenkt
Nur wenige Tage nach seinem 42. Geburtstag gewinnt Karl-Hinrich L., ein bis dato eher von Pleiten geplagter und wenig erfolgreicher Geschäftsmann, als eine Million Deutsche Mark im Lotto. Er wird sich keine zwei Jahre am Gewinn vergnügen können. Im November 1984 treibt seine Leiche – mit Tüchern und Planen in ein schwarzes Ölfass gewickelt – auf dem Osterbekkanal in Barmbek-Süd. Fast 40 Jahre später ist der Fall noch immer nicht aufgeklärt, trotz Verdächtiger und Spuren. Die MOPO skizziert anhand alter Ermittlungsakten eine Geschichte über Gier, Geld und zwielichtige Rotlicht-Freunde. Und die eines offenbar perfekt abgelaufenen Mordes.
Nur wenige Tage nach seinem 42. Geburtstag gewinnt Karl-Hinrich L., ein bis dato eher von Pleiten geplagter und wenig erfolgreicher Geschäftsmann, mehr als eine Million Deutsche Mark im Lotto. Er wird sich keine zwei Jahre am Gewinn vergnügen können. Im November 1984 treibt seine Leiche – mit Tüchern und Planen in ein schwarzes Ölfass gewickelt – auf dem Osterbekkanal in Barmbek-Süd. Fast 40 Jahre später ist der Fall noch immer nicht aufgeklärt, trotz Verdächtiger und Spuren. Die MOPO skizziert anhand alter Ermittlungsakten eine Geschichte über Gier, Geld und zwielichtige Rotlicht-Freunde. Und die eines offenbar perfekt abgelaufenen Mordes.
1982 werden Karl-Hinrich L. 1.008.289,60 Deutsche Mark in Form eines Verrechnungsschecks ausgestellt. Er holt zunächst nur 30.000 Mark ab, geht mit seinem Gewinn nicht hausieren – weil er vermutlich nichts davon an seine Gläubiger und ans Finanzamt geben will.
Die Ölfass-Leiche in Hamburg: Ein verheerender Lotto-Gewinn
Denn L., der 1939 im Bereich Brandenburg geboren und in einfachen Verhältnissen mit fünf Schwestern, vier Brüdern und ohne Vater aufgewachsen ist, hat Schulden. Er betrieb erfolglos ein Fuhrgeschäft mit eigenen Lkw und eine Art Reinigungsfirma. Vorher arbeitete er im Geschäft seiner Schwiegermutter und als Raumausstatter.
In den 60ern kommt er nach Pinneberg bei Hamburg, heiratet. Das Paar bekommt zwei Kinder. 1981, ein Jahr vor dem Gewinn, ist er pleite.

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Die Million holt L. aus der Kieler Lottozentrale in sechs Fahrten ab, nur 70.000 Mark lässt er auf sein Konto buchen. Den Großteil investiert er in kanadische Wertpapiere. Kanada – ein erträumter Sehnsuchtsort für den nur 1,70 Meter großen Mann. Mit Familienmitgliedern kauft er ein Grundstück auf einer kanadischen Insel, baut ein kleines Haus. Viele Urlaube folgen.
Ein Sommerurlaub und drei neue Rotlicht-Freunde
In einem im Sommer 1983 lernt er drei Männer aus Mittel- und Süddeutschland kennen: alle sind Wirtschafter in Bordellen mit zahlreichen Vorstrafen, darunter Körperverletzung mit Todesfolge, Bedrohung, Nötigung.
Wenige Wochen später erfährt Karl-Hinrich L., dass Martin B. (Name geändert), Besitzer des „Jingle“ in Pinneberg, Geldgeber sucht. In der Diskothek hatte es gebrannt, gemunkelt wurde, dass Pläne, ein Bordell dort zu errichten, verhindert werden sollten. L. beteiligt sich mit 200.000 Mark.
Er wohnt fortan über dem „Jingle“, versucht, seinen Lotto-Gewinn durch abstruse Vertragsabschlüsse, Vollmachten und Versicherungspapiere zu verschleiern, legt sogar Geld auf den Namen des eigentlichen Disko-Besitzers an. Alle nötigen Dokumente verwahrt er in einem Aktenkoffer, der nach seinem Tod verschwunden bleibt. Seine Frau reicht die Scheidung ein. Er bandelt derweil mit der Ex von Martin B. an.

L. wird unvorsichtiger, spricht jetzt in größeren Kreisen von seinem Lotto-Gewinn. Auch in Anwesenheit seiner drei Rotlicht-Freunde. Ihnen wird nie eine Tatbeteiligung nachgewiesen.
In der Nacht zum 7. November 1984 wird Karl-Hinrich L. zum letzten Mal gesehen. Er spricht mit einem Taxifahrer, um kurz nach 2 Uhr geht er Richtung „Jingle“. Zwei Tage später wird seine Leiche gefunden.
Zeuge sieht „behaarten Teil eines menschlichen Körpers“
Ein Anrufer meldet sich um 10.20 Uhr, berichtet von der Öltonne. Die Polizei lässt den Alsterabfischer Bernhard D. das Fass zu dessen Werft bergen. Es weist im oberen Bereich mehrere Löcher auf. D. öffnet die Tonne, stößt auf Mörtel, Sand und Zement, zieht an einem Plastiksack – und sieht dabei „den behaarten Teil eines menschlichen Körpers“, wie ein Beamter damals in einem Bericht festhält.
L. war, so finden es Rechtsmediziner heraus, mit drei Schüssen – alle von hinten abgegeben, eine Kugel direkt in den Kopf – und vermutlich Tritte gegen den Schädel getötet, dann mit Kabeln gefesselt und in Plastiktüten gelegt worden. „So einen Fall gab es nach unseren Erkenntnissen in der Bundesrepublik noch nie. Wir wissen aber, dass die Polizei auf Sizilien und in den USA häufiger mit derartigen Fällen zu tun hat“, sagt Polizeisprecher Peter Kelling damals.

In dem Fass befindet sich eine 15 Kilo schwere Hantelscheibe. Solche gibt es auch in der Eimsbütteler Sportschule „Tangun“. In dem Studio trainiert Paul S. (Name geändert), Türsteher im „Jingle“. Er gilt als enger Freund und rechte Hand des Besitzers Martin B. Der Studio-Eigentümer sagt der Polizei, dass zwei Hantelscheiben fehlen würden. Er könne sich nicht erklären, wo sie abgeblieben seien, gibt er zu Protokoll. Wurde die im Fass gefundene Scheibe aus dem Studio entwendet? Das lässt sich nicht zweifelsfrei beweisen. Die Scheiben wurden deutschlandweit verkauft.
Einen Tag vor dem Auffinden der Leiche kaufen zwei Männer – einer etwa 35 Jahre, 1,90 Meter groß, kräftig, blond, an der linken Hand ein Verband, der andere 30 Jahre, dunkles Haar, Vollbart – in einem Fässer-Großhandel an der Berzeliusstraße in Billbrook ein sogenanntes Überfass, ein Spezialfass mit Spannverschluss, 200 Kilo schwer.
192 Mark für ein Ölfass – Käufer bis heute unbekannt
Der Betreiber informiert die Polizei, nachdem er vom Leichenfund gehört hatte, sagt, dass es mit großer Sicherheit sein Fass sei, da er erst kürzlich 50 bestellt und bisher nur eines verkauft habe. Für welchen Zweck er die Tonne bräuchte, darauf soll der Käufer nicht geantwortet haben. Er bezahlte knapp 192 D-Mark, beide Männer trugen das Fass vom Gelände. Hilfe beim Transport zum Auto lehnten sie ab.
Die Beschreibung der später auch noch per Phantombild gesuchten Männer passt zu Martin B. und Paul S. Der Fassverkäufer erkennt sie in einer Gegenüberstellung aber nicht wieder.

Ein Haftbefehl wegen Mordes aus Habgier gegen B. und S. lehnt die Staatsanwaltschaft ab, trotz mehrerer Indizien – in der Nacht, wo L. das letzte Mal gesehen wurde, befand sich B. in dessen Wohnung. Beide haben kein Alibi, Sand und Zement aus dem Fass könnten aus dem „Jingle“ stammen. B. will in der Bank of Canada ein Konto einrichten, weil er eine „größere Summe von seinem Bruder aus Kanada erwarte“, wie ein Mitarbeiter aussagt. Dem Gericht fehlen damals jedoch eindeutige Tatspuren.
Bis heute sind die genauen Umstände des Todes unbekannt. Ermittler gehen davon aus, dass L. sterben musste, weil die Täter an sein Lotto-Gewinn wollten. Das Geld wird nach seinem Tod an seine Gläubiger und Kinder verteilt.

Laut Angaben der Hamburger Staatsanwaltschaft ist das Verfahren offiziell eingestellt, „kann aber jederzeit wieder aufgenommen werden“, so eine Sprecherin. Die Akte werde regelmäßig den zuständigen Dezernenten vorgelegt. Sie versichert: „Mord verjährt nicht. Der Fall wieder immer wieder überprüft.“
In manchen Polizei-Kreisen gilt der Fall dagegen als perfekter Mord; keine verwertbaren Fingerabdrücke, keine zu vergleichende DNA. Ein Kripo-Mann: „Selbst wenn Verdächtige in naher Zukunft ermittelt werden sollten, wäre sie wohl ob der lange zurückliegenden Tat bereits tot.“
Mehr Informationen, originale Dokumente und das sichergestellte Fass finden Sie in der Ausstellung des Hamburger Polizeimuseums an der Carl-Cohn-Straße. Seit Juni werden auch exklusive True-Crime-Führungen angeboten.