Schock in der Notrufzentrale: Anrufer erschossen, während sie um Hilfe flehten
47 Notrufe sind ab 21.04 Uhr am Donnerstagabend bei Polizei und Feuerwehr eingegangen. Sie alle betrafen die Amoktat im Gemeindehaus der Zeugen Jehovas in Alsterdorf. Viele Anrufe kamen direkt aus dem Saal, in dem Philipp F. offenbar wahllos um sich schoss. Eine entsetzliche Situation für die so genannten Calltaker, die Notrufe entgegennehmen und die auch in dieser Ausnahmelage versuchten, ruhig zu bleiben. Einer schildert der MOPO seine Erlebnisse. Er sagt: „So etwas will man kein zweites Mal erleben.“
47 Notrufe sind ab 21.04 Uhr am Donnerstagabend bei Polizei und Feuerwehr eingegangen. Sie alle betrafen die Amoktat im Gemeindehaus der Zeugen Jehovas in Alsterdorf. Viele Anrufe kamen direkt aus dem Saal, in dem Philipp F. offenbar wahllos um sich schoss. Eine entsetzliche Situation für die sogenannten Calltaker, die Notrufe entgegennehmen und die auch in dieser Ausnahmelage versuchten, ruhig zu bleiben. Einer schildert der MOPO seine Erlebnisse. Er sagt: „So etwas will man kein zweites Mal erleben.“
Stefan S. (37) arbeitet seit einigen Jahren in der Einsatzzentrale der Feuerwehr. Täglich nimmt er Notrufe an, für ihn ist das „Alltagsgeschäft“, wie er sagt. Meistens wird nur ein Rettungswagen gebraucht. Aber auch in brenzligeren Situationen war der Oberbrandmeister schon die erste Anlaufstelle: Dazu zählt beispielsweise der Fall aus Tonndorf von Anfang Januar, bei dem der Audi Q8 von Kaisar R. (26) von Schüssen aus einer vollautomatischen Waffe durchsiebt wurde. R. überlebte schwer verletzt.
„Ein Notruf war dramatischer als der andere“
Die Notrufe am Donnerstagabend aus Alsterdorf hätten aber alles bis dahin Erlebte in den Schatten gestellt, sagt S. „Binnen Sekunden waren alle Abfrageplätze mit Notrufen beschäftigt. Sie kamen ausschließlich aus der Deelböge, einer dramatischer als der andere.“
Oft riss die Verbindung ab, die Stimme am Hörer antwortete nicht mehr. Einige der Anrufer wurden vermutlich erschossen, während sie am Telefon um Hilfe flehten.
Ein Kollege von S. rief immer wieder in sein Headset: „Hallo, hören Sie mich noch?!“ Das sei ein jüngerer Kollege gewesen, S. sah die Panik in seinen Augen, wie er es beschreibt. „Er stammelte nur ‚Schüsse, viele Schüsse‘, da ballert jemand rum.“

Auch Stefan S. hatte Notrufe in der Leitung, bei denen die Verbindung zum Anrufer abbrach. Er sei entsetzt gewesen, trotz seiner Erfahrung. Er habe hektisch versucht, immer wieder zurückzurufen – am Ende stets vergeblich. S.: „Es nahm niemand mehr ab.“
Sieben Menschen starben im Gemeindehaus der Zeugen Jehovas, darunter ein 28 Wochen altes Kind im Mutterleib.
Rund zehn Minuten ging das so, ein Notruf jagte den nächsten, darunter auch die von Anwohnern, die meldeten, den Täter gesehen zu haben, die Schüsse und die Schreie hörten. „Wir haben alles, was wir an Rettungswagen hatten, losgeschickt“, erzählt S.
Polizisten finden Amokschützen tot im ersten Stock
Glücklicherweise befand sich eine Einheit der Unterstützungsstreife für erschwerte Einsatzlagen, kurz USE, in der Nähe des Tatortes. Nur vier Minuten nach Eingang des ersten Notrufs waren die Beamten bereits vor Ort, auch dank des effizienten Zusammenspiels zwischen Polizei und Feuerwehr. Die Beamten drangen in das Gebäude ein, fanden den Amokschützen tot im ersten Stock, neben ihm lag seine Pistole der Marke Heckler und Koch. Durch ihr schnelles Eingreifen verhinderten die Einsatzkräfte wohl noch Schlimmeres. Rund 20 Menschen blieben unverletzt.
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Zwei Tage nach dem aufwühlenden Einsatz ist Stefan S. noch immer geschockt. Er und seine Kollegen aus der Schicht hätten das Angebot seelsorgerischer Betreuung angenommen. S. sagt: „So etwas möchte ich kein zweites Mal erleben.“ Trotzdem: Wenn es hart auf hart kommt, sind er und seine Calltaker-Kollegen zur Stelle. Nicht zuletzt der Einsatz am Donnerstag zeigt: Ihr Job rettet im Zweifel Leben.