„Crash Days“ im LKA: Der absurde Kampf gegen die Aktenberge
Bei der Kripo türmen sich die Aktenberge: Mittlerweile liegen mehr als 10.000 Verfahren unbearbeitet auf den Tischen des Landeskriminalamts (LKA). Die Polizeiführung reagierte mit sogenannten „Crash Days“: Mittwoch und Donnerstag wurde sich mit Priorität an das Abarbeiten der offenen Fälle gesetzt, teils hochrangige Beamte wurden dafür bereitgestellt. Polizei-Gewerkschaften kritisieren aber die Maßnahme, sagen, die Aktion sei „zum Scheitern verurteilt“. Sie haben klare Forderungen und glauben zu wissen, wie es besser geht.
Bei der Kripo türmen sich die Aktenberge: Mittlerweile liegen mehr als 10.000 Verfahren unbearbeitet auf den Tischen des Landeskriminalamts (LKA). Die Polizeiführung reagierte mit sogenannten „Crash Days“: Mittwoch und Donnerstag wurde sich mit Priorität an das Abarbeiten der offenen Fälle gesetzt, teils hochrangige Beamte wurden dafür bereitgestellt. Polizei-Gewerkschaften aber kritisieren die Maßnahme, sagen, die Aktion sei „zum Scheitern verurteilt“. Sie haben klare Forderungen und glauben zu wissen, wie es besser geht.
Im LKA 1, de facto hamburgweit zuständig für die Kriminalitätsbekämpfung, kommen Ermittler nicht mehr hinterher: Etliche Fälle müssen zurückgestellt werden, laut Polizei vorwiegend „einfach gelagerte Vorgänge oder solche ohne erkennbare Ermittlungsansätze“. Corona-Krankheitsfälle und die angespannte Lage aus Pandemie-Zeiten sollen mit Schuld sein an der liegengebliebenen Arbeit, hieß es im Oktober aus Polizeikreisen. Auch strukturelle Änderungen spielten eine Rolle.
Leiharbeiter für Hamburgs Polizei? So ist der aktuelle Stand
Nun kommt noch ein weiteres Problem hinzu: Die Polizeiführung ging lange Zeit davon aus, dass das LKA beim Abbau der Fälle durch Zeitarbeiter unterstützt werden würde. Doch der Plan, der intern für Unmut sorgte, geriet ins Stocken. „Das Konzept befindet sich immer noch in der Abstimmung“, so ein Polizeisprecher, „und konnte somit – zumindest nicht zeitnah – umgesetzt werden.“
Nun also folgten die „Crash Days“: Hunderte Beamte wurden von ihren eigentlichen Aufgaben abgezogen, um sich dem Aktenberg zu widmen, darunter auch hochrangige Abteilungsleiter, die sich mitunter sehr darüber gewundert haben sollen, wie lange man doch mit einem Fall beschäftigt ist.
GdP: „Wir brauchen dringend technische Besserungen“
Genau darin sehen Gewerkschaften die Krux: Sie glauben, die Kripo könne viel effizienter arbeiten, wenn man auch die Voraussetzungen dafür schaffen würde, so Erik Manke von der Gewerkschaft der Polizei (GDP). Es gehe dabei vor allem um technische Besserungen und „Automatisierungsprozesse“.
So gingen die Akten erst durch verschiedene Hände, bis sie bei den zuständigen Ermittlern landeten, vieles müsse händisch ausgefüllt werden. Wolle man die Geschäftsverhältnisse einer Person abfragen, vor allem bei Wirtschaftsverbrechen wichtig, müssten Beamte gezielt Firmen suchen und diese anschreiben. Dabei gebe es Programme „für wenig Geld“, die per Algorithmus diese Arbeit übernehmen und die gewünschten Daten aufgelistet anzeigen könnten, so Manke.
„Gerade die Vermögenswerte werden gerne kompliziert verschachtelt“, erklärt Manke. „Wir entschleunigen uns und unsere Arbeit.“ Durch eben jene Programme könnte ein Vorgang, „für den man heute noch drei Monate benötigt, in 15 Minuten abgearbeitet werden“.

Ein weiteres Beispiel: Wenn ein Ermittler mit der Akte fertig ist, dann muss er die Daten ein weiteres Mal in eine für die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) vorgesehenen Maske eintragen, damit der Fall in der Statistik berücksichtigt wird. „Der Beamte mutiert zur Tippse“, sagt Manke. Einige Ermittler würden das Abtippen vergessen oder ganz meiden, so sei auch die PKS „in Gänze nicht repräsentativ“.
Dem widerspricht die Polizei. Diese Erfassung könne nicht ohne Weiteres unterlassen werden. Es liege in der Verantwortung der Vorgesetzten, die Erfassung zu kontrollieren. Dazu erfolge eine „Qualitätssicherung im LKA“. Eine automatisierte Datenübernahme aus dem Vorgangsbearbeitungssystem heraus sei aber bereits in Planung.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) sieht, ähnlich wie die GdP, die „Crash Days“ sehr kritisch: Die Beamten müssten für die Bearbeitung der offenen Fälle aktuelle Verfahren liegen lassen. Ähnliche Maßnahmen hätten in der Vergangenheit schon keine Abhilfe geschaffen, so Jan Reinecke, Vorsitzender des BDK Hamburg. Er fordert „eine kluge Entscheidung und mehr Personal“. Auch das Berufsbild „Kriminalassistenz“ sollte man zeitnah einführen.
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Die Polizei antwortet auf eine MOPO-Anfrage, dass es viele Bestrebungen gebe, beispielsweise die Digitalisierung bei der Polizei voranzutreiben. Es handle sich dabei um große, komplexe IT-Verfahren unter Beteiligung des Bundes und der Länder. Gemeint sind unter anderem die elektronische Strafakte und Programme, wie sie die GdP fordert.
Diese Verfahren würden naturgemäß viel Zeit in Anspruch nehmen. Gezielt prüfe man aber auch, welche Vorhaben konkrete Arbeitserleichterungen mit sich bringen würden. „Das LKA ist stets bestrebt, diese Vorhaben schnellstmöglich voranzutreiben, um Kriminalbeamte von administrativen Aufgaben zu entlasten“, so der Sprecher.

Wie viele Beamte bei den „Crash Days“ involviert waren und wie viele Fälle abgearbeitet wurden, konnte die Polizei nicht sagen. Das Ergebnis werde noch evaluiert, so Polizeisprecherin Sandra Levgrün. „Vorläufig lässt sich sagen, dass eine große Anzahl von Vorgängen abgearbeitet werden konnte und die zwei Tage somit als Erfolg zu bewerten sind.“ Der BDK befürchtet, dass die Maßnahme nun zum „Brauchtum“ wird. Dem entgegnet Levgrün: Weitere „Crash Days“ seien nicht geplant.