Bluttaten in Alsterdorf und Brokstedt: Woran die Ermittler jetzt arbeiten
Diese Verbrechen haben den Norden erschüttert: Ibrahim A. stach im Januar mit einem Messer auf Fahrgäste eines Regionalzuges von Kiel nach Hamburg ein, tötete zwei und verletzte fünf. Philipp F. lief am 9. März in seiner ehemaligen Gemeinde der Zeugen Jehovas in Alsterdorf Amok, nahm sieben Menschen das Leben, danach richtete er sich selbst. In beiden Fällen gibt es neue Entwicklungen.
Diese Verbrechen haben den Norden erschüttert: Ibrahim A. stach im Januar mit einem Messer auf Fahrgäste eines Regionalzuges von Kiel nach Hamburg ein, tötete zwei und verletzte fünf. Philipp F. lief am 9. März in seiner ehemaligen Gemeinde der Zeugen Jehovas in Alsterdorf Amok, nahm sieben Menschen das Leben, danach richtete er sich selbst. In beiden Fällen gibt es neue Entwicklungen.
Die Generalstaatsanwaltschaft führt nach MOPO-Informationen momentan zwei Verfahren: Es geht um Philipp F. (35), dem die Behörden Mord und versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in mehreren Fällen zur Last legen. Der Amoktäter war einst selbst Zeuge Jehovas und soll die Alsterdorfer Gemeinde „nicht im Guten“ verlassen haben, wie Thomas Radszuweit, Leiter des Staatsschutzes sagte.
Ermittler werten Videomaterial aus
Bei der Rekonstruktion der Tat werten die Ermittler auch Videomaterial aus und befragen Zeugen, mittlerweile schon mehrere Dutzend. Unter anderem geht es dabei um die Frage, ob F. wahllos um sich schoss oder mit Absicht gezielt auf bestimmte Personen. Dafür werden die Beamten auch weitere Zeugen vorladen, vorher wolle man aber weitere Erkenntnisse sammeln, heißt es aus Sicherheitskreisen.

Die Beamten agieren dabei mit großer Vorsicht: Viele Zeugen sollen traumatisiert sein. Und einige sollen sich nicht zu 100 Prozent kooperativ zeigen. Sie weichen Fragen aus, wählen weiche Formulierungen. Zeugen Jehovas sind darauf bedacht, ein geschlossener Kreis zu sein, sprechen in der Regel nicht öffentlich über ihre Aktivitäten – auch nicht im Austausch mit Behörden.

Das zweite Verfahren richtet sich gegen Unbekannt – „wegen aller in Betracht kommenden Straftaten“, bestätigt die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Liddy Oechtering, der MOPO. Es geht um Taten, die im Zusammenhang mit dem Handeln von Philipp F. stehen, darunter Nichtanzeige geplanter Straftaten, fahrlässige Tötung und Körperverletzung. Ob es Hinweise auf konkrete Mitwisser gibt, kommentiert die Behörde nicht. Oechtering: „Die Ermittlungen dauern an.“
Die Justizbehörde hatte nach der Messerattacke von Brokstedt „Sofortmaßnahmen“ angekündigt. Seit diesem Versprechen habe sich laut Justizsenatorin Anna Gallina, die sich am Donnerstag im Justizausschuss zu der Thematik äußerte, viel getan. Die Grünen-Politikerin sagte, dass man sich „sofort an die Arbeit“ gemacht und schon erste sogenannte Fallkonferenzen abgehalten habe, an denen der Justizvollzug, die Staatsanwaltschaft, Polizei und Ausländerbehörde sowie soziale Einrichtungen teilnahmen.

So wolle man verstärkt Untersuchungsgefangene ins Auge fassen, die sich im Gefängnis psychisch auffällig zeigen, aggressiv oder drogenabhängig sind. Laut Gallina treffe das auf 168 Häftlinge zu, die man sich „angeschaut“ habe, 19 wolle man in Fallkonferenzen näher beleuchten. Die Senatorin will auch „Übergangs-Coaches“ einführen, die sich um auffällige Menschen kümmern sollen, die aus der U-Haft entlassen werden – damit sie „nicht durchs Raster fallen“. Man könne Hilfe aber nicht vorschreiben, nur anbieten. Die Mitarbeit sei freiwillig.
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Gallina will sich außerdem im Mai auf der Justizministerkonferenz für eine bessere bundesweite Kommunikation der Behörden und besseren Umgang mit psychisch auffälligen Menschen in U-Haft einsetzen. Hintergrund: Ibrahim A. war sechs Tage vor der Tat in Brokstedt aus der U-Haft in Hamburg entlassen worden und hatte sich nachweislich in Haft aggressiv gezeigt, sich sogar mit dem Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, verglichen. Außerdem litt er an einer Drogensucht, die – wie auch eine mögliche psychische Erkrankung – nicht ausreichend behandelt wurde. (dg)