41 Jugendliche feiern mit „Mutti-Zettel“ auf dem Kiez – Kritik am Partyveranstalter
Zunehmende Gewalt auf dem Kiez, illegales Glücksspiel und kriminelle Geschäfte in Shisha-Bars: Dagegen ging die Polizei in der Nacht zu Samstag mit dem Zoll und dem Bezirksamt vor. Bei den Kontrollen machten die Beamten auch eine besorgniserregende Entdeckung: In einem Club an der Reeperbahn trafen sie 41 feiernde Minderjährige an. Mit im Gepäck: gefälschte „Mutti-Zettel“. Viele Eltern wussten aber gar nicht, dass ihre Kinder Party auf St. Pauli machten. Andere reagierten erbost auf die nächtlichen Anrufe der Polizei. In mehreren Fällen musste sogar der Kindernotdienst eingeschaltet werden. Ein Beamter erhebt in der MOPO schwere Vorwürfe gegen den Clubbetreiber.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Die ersten 4 Wochen für nur 1 € testen!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Zunehmende Gewalt auf dem Kiez, illegales Glücksspiel und kriminelle Geschäfte in Shisha-Bars: Dagegen ging die Polizei in der Nacht zu Samstag mit dem Zoll und dem Bezirksamt vor. Bei den Kontrollen machten die Beamten auch eine besorgniserregende Entdeckung: In einem Club an der Reeperbahn trafen sie 41 feiernde Minderjährige an. Mit im Gepäck: gefälschte „Mutti-Zettel“. Viele Eltern wussten aber gar nicht, dass ihre Kinder Party auf St. Pauli machten. Andere reagierten erbost auf die nächtlichen Anrufe der Polizei. In mehreren Fällen musste sogar der Kindernotdienst eingeschaltet werden. Ein Beamter erhebt in der MOPO schwere Vorwürfe gegen den Clubbetreiber.
Polizeihauptkommissar Jens Mollenhauer (58) ist seit vielen Jahren auch verantwortlicher Mitarbeiter der Abteilung Jugendschutz. Der mehrfache Vater hat sich der Jugendarbeit verschrieben. Auch privat. In seiner Freizeit hält er an Hamburger Schulen Seminare zur Konfliktbewältigung, Lehrerfortbildung und Eltern-Kind-Problemen ab.
Zunehmende Gewalt auf dem Kiez feststellbar
In der Nacht zu Samstag war er bei der Razzia auf dem Kiez dabei. „Die Aktion war schon länger geplant. Nach der Corona-Pandemie und den Einschränkungen lebt der Kiez gerade wieder auf. Und das mit all seinen Schattenseiten“, erzählt Mollenhauer der MOPO. An diesem Abend war zunächst geplant, die vielen rund um die Reeperbahn ansässigen Shisha-Bars unter die Lupe zu nehmen.
Zum einen, weil dort immer wieder unversteuerter Tabak verkauft wurde und zum anderen, weil diese Läden immer häufiger von Jugendlichen frequentiert werden, wie die Fahnder feststellten. Doch außer einer großen Menge an illegalem Tabak, zwei nicht zugelassenen Glücksspielautomaten sowie zu hohen CO2-Werten hatten die Beamten bis auf zwei angetroffene Minderjährige keine weiteren Beanstandungen. Ein Laden wurde wegen zu hoher Kohlenmonoxidwerte geschlossen.
Als nächstes wurde der „Cave Club“ an der Reeperbahn kontrolliert. Jens Mollenhauer wusste im Vorfeld darüber Bescheid, dass hier eine „16+“-Party stattfinden sollte. Diese Parties sind bei Jugendlichen sehr beliebt – bedeutet es doch, dass auch unter 18-Jährige feiern dürfen. Allerdings nicht unbegrenzt und unter Auflagen. Die Minderjährigen müssen den Club vor Mitternacht verlassen. Das hatten viele Gäste aber offenbar falsch verstanden: Die Polizisten trafen hier weit nach Mitternacht 41 Jugendliche im Alter zwischen 14 und 17 Jahren an.
„Mutti-Zettel“ überwiegend mit falschen Angaben versehen
Mollenhauer erzählt der MOPO, dass er sofort die Musik in dem vollbesetzten Laden leiser stellen ließ, sich das Mikrofon schnappte und eine Durchsage machte. Darin forderte er alle jüngeren Gäste auf, ihren „Mutti-Zettel“ bei ihm abzugeben. Dabei handelt es sich um einen Schein, den Erziehungsberechtigte der Kids ausfüllen und unterschreiben müssen.
Auch interessant: Polizei löst illegalen Rave von 200 Teenies auf – doch die feiern weiter
Darin beauftragen sie volljährige Begleiter für die Dauer der Veranstaltung, für die Unversehrtheit ihrer Kinder zu sorgen. Der Bevollmächtigte darf weder angetrunken noch bekifft sein und muss während des gesamten Partyverlaufs anwesend sein.
„Der ‚Mutti-Zettel‘ ist ein Dokument, die darin gemachten Angaben sind amtlich verbindlich. Falsch gemachte Angaben sind strafbar“ so Mollenhauer. Verwundert war er trotzdem nicht, dass der überwiegende Teil der eingesammelten Zettel falsch ausgefüllt war. Von allen Zetteln war nur in zwei Fällen tatsächlich die darin ausgewiesene Aufsichtsperson anwesend. Bei allen anderen: Fehlanzeige.
Eltern nicht erfreut über nächtlichen Polizeianruf
Eigenen Angaben zufolge habe Mollenhauer bei den dort aufgegriffenen 14 bis 17-Jährigen veranlasst, dass die Eltern informiert werden. Die Resonanz war unterschiedlich. Einige hatten Kenntnis davon, dass ihr Kind auf der Party ist und holten es ab. Andere waren verwundert. Sie glaubten beispielsweise, dass ihr Kind bei einer Freundin oder einem Freund übernachtet. Und wieder andere beschwerten sich darüber, mitten in der Nacht von der Polizei angerufen zu werden.
Weil nicht alle Eltern erreichbar waren, wurden einige Jugendliche dem Kinder und Jugendnotdienst (KJND) übergeben. Sauer ist Mollenhauer auf den Partybetreiber. Der sei seiner Pflicht in etlichen Fällen nicht nachgekommen. Zum einen seien die „Mutti-Zettel“ durch die Türsteher ganz offenbar nicht korrekt geprüft worden, zum anderen wurde sich in den Räumen nicht an das gesetzlich vorgeschriebene Rauchverbot in Gegenwart von Jugendlichen gehalten.
Das könnte Sie auch interessieren: Partys, Exzesse – und ein Toter: So leicht kommen Hamburgs Teenies an Drogen
Der Jugendschützer hat alle „Mutti-Zettel“ beschlagnahmt. In den kommenden Tagen wird er sie noch genauer auf fälschlich gemachte Angaben prüfen und auch das Jugendamt einschalten. Da dürfte den Erziehungsberechtigten jede Menge Ärger ins Haus stehen. Auch gegen den Club-Betreiber werden entsprechende Ermittlungen eingeleitet.