Polizei soll Alkohol-Radler jagen – dabei darf man hackedicht radeln
2022 krachte es wieder deutlich häufiger auf Hamburgs Straßen, trotzdem liegen die Unfallzahlen immer noch unter dem Vor-Corona-Niveau. Große Sorgen macht Innensenator Andy Grote (SPD) allerdings die rasante Zunahme der Alkohol-Fahrten – insbesondere bei Nutzern von E-Scootern und Radfahrern. Denn: Bei der letztgenannten Gruppe liegt der zulässige Promille-Wert vergleichsweise sehr hoch. Warum ist das so? Sind Radfahrer bei diesem Wert wirklich noch fahrtüchtig? Sollte der Wert gesenkt werden? Befürworter dafür gibt es jedenfalls.
2022 krachte es wieder deutlich häufiger auf Hamburgs Straßen, trotzdem liegen die Unfallzahlen immer noch unter dem Vor-Corona-Niveau. Große Sorgen macht Innensenator Andy Grote (SPD) allerdings die rasante Zunahme der Alkohol-Fahrten – insbesondere bei Nutzern von E-Scootern und Radfahrern. Denn: Bei der letztgenannten Gruppe liegt der zulässige Promille-Wert vergleichsweise sehr hoch. Warum ist das so? Sind Radfahrer bei diesem Wert wirklich noch fahrtüchtig? Sollte der Wert gesenkt werden? Befürworter dafür gibt es jedenfalls.
„Nur noch ein Bier, dann ist Schluss!“ Aus dem Bier werden dann ganz schnell noch drei und ein Schnaps – nach solchen Abenden kann und darf niemand mehr Autofahren. Stattdessen steigt man aufs Rad. Auf den ersten Blick haben so alle gewonnen: Geld fürs Taxi gespart, frische Luft hilft beim Ausnüchtern und man fährt in der heiteren Annahme niemand werde gefährdet.
Verkehrsunfallbilanz für Hamburg: Mehr Alkohol-Fahrten
Dem ist aber nicht so: „Wer alkoholisiert am Straßenverkehr teilnimmt, ist eine Gefahr für sich und andere“, sagte der SPD-Innensenator am Dienstag. Anders als so mancher Betrunkener glaube, „sind Fahrräder und erst recht E-Scooter keine Alternative, um sicher nach Hause zu kommen.“
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Insgesamt stieg die Anzahl der Unfälle unter Alkoholeinfluss im Vergleich zu 2019 um fast 31 Prozent auf insgesamt 979. Dabei wurden 556 Menschen verletzt, ein Plus von 66 Prozent, zwei Menschen starben. Die meisten dieser Unfälle seien von Fahrrad- und E-Scooter-Fahrern verursacht worden. „Da haben wir richtig was zu tun“, sagte Grote und kündigte mehr Kontrollen an.
Radfahrer dürfen bis zu einer Grenze von 1,6 Promille fahren
Doch wie sinnvoll sind derlei Kontrollen? Immerhin liegt die Promille-Grenze für Radfahrer bei 1,6 – Autofahrer müssen – übrigens genauso wie E-Scooter-Fahrer – bereits ab 0,5 Promille mit Konsequenzen rechnen. Festgelegt wurde die absolute Fahruntüchtigkeit für Radfahrer im Jahr 1986 vom Bundesgerichtshof auf 1,7 Promille. In der Rechtssprechung gehen Gerichte heute im Regelfall von der 1,6-Grenze aus.

In der Praxis sieht das dann folgendermaßen aus: Ein mittelalter, 1,80 Meter großer Mann mit einem Gewicht von 80 Kilogramm kann innerhalb von vier Stunden zehn 0,33 Liter Bier zischen – und liegt immer noch knapp unter der 1,6. Bei einer gleichalten, 1,70 Meter großen Frau mit 70 Kilogramm Körpergewicht ist derweil schon nach sieben Bier Schluss.
Was macht der Alkohol mit dem Körper?
Laut der Kampagne „Kenn dein Limit“ der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung verschlechtern sich bereits ab einem Promille die Sehfähigkeit und das räumliche Sehen. Dazu ist die Reaktionsfähigkeit erheblich gestört, es kommen Gleichgewichtsstörungen, Verwirrtheit, Sprechstörungen, Orientierungsstörungen und höhere Aggressionsbereitschaft dazu.
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„Mit 1,6 Promille ist man in der Regel nicht mehr in der Lage, ein Fahrrad zu fahren“, sagt ADAC-Sprecher Christian Hieff der MOPO. „Auch die Reflexe sind eingeschränkt. Wer hinfällt, kann sich nicht mehr rechtzeitig abstützen.“ Allerdings merkt er an, dass Fahrradfahrer auch bereits vor der 1,6-Grenze belangt werden können, wenn sie sich auffällig verhalten oder andere gefährdeten. Im schlimmsten Fall wäre auch hier – genauso wie beim Auto – der Kfz-Führerschein weg.
Radfahrer-Promille-Grenze muss höher sein als beim Auto
Dass die Grenze bei Radfahrern viel höher als beim Auto liegt, hat laut Hieff ganz klar seine Berechtigung. Denn: Das Gefährdungsrisiko eines Rades ist wesentlich geringer als das eines Kraftfahrzeugs. Das liegt vor allem an der langsameren Geschwindigkeit: Der Bremsweg eines Rades liegt bei etwa drei bis vier Metern, der eines Autos in der Stadt wiederum bei circa 27 Metern.

Trotzdem hält der ADAC-Sprecher es für sinnvoll, über einen etwas geringeren Grenzwert bei Radfahrern nachzudenken. Unterstützung bekommt er diesbezüglich vom Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC), der einen zusätzlichen Gefahrenwert von 1,1 Promille für Radfahrer fordert. „1,6 Promille sind definitiv zu viel, mit so viel Alkohol im Blut kann niemand mehr sicher ein Fahrzeug führen“, sagt Sprecher Dirk Lau. Wie Hieff warnt er aber davor, Auto- mit Radfahrern gleichzusetzen. Das Gros der Unfälle gehe weiterhin von den Pkw-Fahrenden aus.
Hamburg setzt auf mehr Kontrollen im Straßenverkehr
Auch politische Initiativen hatten in der Vergangenheit bereits gefordert, den Grenzwert auf 1,1 Promille abzusenken. Der Verkehrsgerichtstag, eine bundesweite Konferenz für Straßenverkehrsrecht, spricht sich seit Jahren dafür aus. Passiert ist bisher allerdings nichts.
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Solange setzt Hamburg auf die erwähnten Kontrollen: Laut Polizei-Sprecher Sören Zimbal werden Alkoholtests aber nicht nur bei den übers ganze Stadtgebiet verteilten Sonderkontrollen angeordnet, sondern gehören bei allen regulären Kontrollen dazu – sobald sich der Fahrer eben auffällig verhalte.