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Dirk Nockemann steht am Rednerpult
  • Dirk Nockemann, Fraktionschef der Hamburger AfD, in einer Sitzung der Hamburgischen Bürgerschaft.
  • Foto: dpa

Wenn Hamburger Abgeordnete im Rathaus pöbeln

Sie gehören zur Bürgerschaftdebatte einfach dazu: die Ordnungsrufe. Wenn Abgeordnete pöbeln, beleidigen oder anderweitig die Sitzung des Hohen Hauses stören, ruft das Bürgerschaftspräsidium sie zur Ordnung. Doch wann wer die Hausordnung verletzt, was sprachlich unter und was noch knapp über der Gürtellinie liegt, ist umstritten.

Abgeordnete der Bürgerschaft kassierten in der laufenden Wahlperiode insgesamt 27 Ordnungsrufe. Die Rangliste führt erwartungsgemäß die AfD an. Neunmal kassierten ihre Abgeordneten wegen ungebührlichen Verhaltens oder eines „Verstoßes gegen den parlamentarischen Sprachgebrauch“ Ordnungsrufe, knapp gefolgt von der SPD mit acht Ermahnungen. Es folgen die Grünen und die CDU mit jeweils vier Ordnungsrufen, vor der Linken mit nur einem.

MOPO-Kolumnist Marco Carini. Florian Quandt
Marco Carini
MOPO-Kolumnist Marco Carini

Ordnungsrufe: Die Beleidigung des politischen Gegners

Der Klassiker bei den Ordnungsrufen: die Beleidigung des politischen Gegners. Doch in der Abteilung „Politiker:innen beschimpfen Politiker:innen“ geht es heute eher gesittet zu, im Vergleich zu früheren Zeiten, als Abgeordnete wie Herbert Wehner (SPD), Franz Josef Strauß (CSU) oder auch Joschka Fischer (Grüne) im Bundestag so richtig zur Sache gingen und es auch in den Landesparlamenten verbal heftig krachte.

Unvergessen, wie Wehner den CDU-Abgeordneten Todenhöfer Herrn „Hodentöter“ nannte oder Joschka Fischer dem damaligen Bundestagsvizepräsidenten Richard Stücklen zurief: „Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch!“ Dagegen wirken die Beleidigungen, die in der Bürgerschaft zu Ordnungsrufen führten, eher harmlos, etwa die Frage von AfD-Vorturner Dirk Nockemann an den SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf, was dieser „vor der Sitzung denn geraucht habe“.

Wodurch störten die Hamburger Abgeordneten die Debatte?

Nicht immer sind es verbale Entgleisungen, die zu Ordnungsrufen führen – manche erinnern eher an Einträge ins Klassenbuch für Schüler:innen außer Rand und Band. So erhielten die SPD-Abgeordneten Simon Kuchinke und Sarah Timmann Ordnungsrufe, weil sie im Plenum Fotos machten, was streng verboten ist. Urs Tabbert (SPD) und Richard Seelmaecker (CDU) hingegen störten eine Debatte durch „anhaltende Seitengespräche“.

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Doch das Thema hat auch eine ernste Seite: Seit die AfD in der Bürgerschaft sitzt, ist die Atmosphäre im Rathaus vergiftet. „Die AfD-Abgeordneten fallen in jeder Sitzung mit plumpen Hasstiraden auf, die den Diskurs vergiften“, beklagt der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Michael Gwosdz. Und die AfD-Provokationen verfingen oft beim politischen Gegner und lösten dort Reaktionen aus, die zu Ordnungsrufen führten.

Grüne protestierten gegen Ordnungsruf für Blumenthal

So bezeichnete CDU-Parteichef Dennis Thering vergangenen März die AfD als „eine offen rassistische und zum Teil antisemitische Partei” und wurde dafür gerügt. Nicht besser erging es seiner grünen Amtskollegin Maryam Blumenthal, als sie bei einer Rede von AfD-Fraktionschef Nockemann „Das ist ein Rassist“ und „ekelhafter Rassismus“ rief. Nockemann hatte behauptet, die Täter der Silvesterausschreitungen hätten „ganz überwiegend Migrationshintergrund“ – ohne zu erläutern, wie er das anhand von Äußerlichkeiten erkannt habe. 

Die Grünen protestierten im Ältestenrat der Bürgerschaft erfolglos gegen den Ordnungsruf für Blumenthal. Gwosdz stellte anschließend klar, dass die Grünen Rassismus in Debatten konsequent entgegentreten würden, immer „wenn er uns begegnet“. Es müsse „ohne Konsequenzen möglich sein, rassistische oder menschenfeindliche Aussagen auch klar zu benennen“. Die grüne Fraktionschefin Jennifer Jasberg forderte deshalb eine Neubewertung dessen, was in der Bürgerschaft gesagt werden darf und was nicht. 

Grünen fordern Neubewertung über Ordnungsrufe in der Bürgerschaft

Die hat es bis heute nur in Ansätzen gegeben. „Nach den Ordnungsrufen gegen Thering und Blumenthal gab es viele Gespräche im Ältestenrat und zwischen den Fraktionen, wo wir über das Verhalten der AfD und unseren Umgang damit diskutiert haben“, berichtet Michael Gwodz und ergänzt: „Danach hat sich das Sagbare durchaus verschoben. Rassistische Argumentationen können mittlerweile als solche benannt werden, ohne dass es Ordnungsrufe gibt. Eine einfache Adressierung direkt von Abgeordneten als Rassisten bleibt aber unzulässig.“

„Es liegt deutlich näher, die AfD-Ausfälle konsequent zu ahnden, als Abgeordnete zu bestrafen, die das im Plenum klar benennen“, fordert Gwodz klare Kante gegen rassistische Reden. Und auch Dennis Thering will sich den Mund nicht verbieten lassen: „Die AfD ist eine zumindest in Teilen rassistische und antisemitische Partei. Zur Meinungsfreiheit gehört es, die menschenfeindliche Einstellung vieler AfDler beim Namen zu nennen. Ich werde da in jedem Fall auch weiterhin die Wahrheit aussprechen.“

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