Tabubruch bei der SPD wegen des Elbtowers: Zoff auf offener Bühne
MOPO-Kolumnist Marco Carini schreibt in dieser Woche über den Zoff im Rathaus, den die im Alleingang von der Baubehörde durchgewinkte Baugenehmigung für den umstrittenen Elbtower in der HafenCity mit sich brachte.
Der Frust sitzt tief. Dass in dieser Woche sich gleich zwei prominente Mitglieder der SPD-Bürgerschaftsfraktion eine SPD-Senatorin zur Brust nahmen, so etwas hatte es in der Hamburger Sozialdemokratie seit Jahren nicht gegeben.
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MOPO-Kolumnist Marco Carini schreibt in dieser Woche über den Zoff im Rathaus, den die im Alleingang von der Baubehörde durchgewinkte Baugenehmigung für den umstrittenen Elbtower in der HafenCity mit sich brachte.
Der Frust sitzt tief. Dass in dieser Woche sich gleich zwei prominente Mitglieder der SPD-Bürgerschaftsfraktion eine SPD-Senatorin zur Brust nahmen, so etwas hatte es in der Hamburger Sozialdemokratie seit Jahren nicht gegeben.
Elbtower in Hamburg: SPD-Parlamentarier wütend
Zoff auf offener Bühne unter den Regierungs-Sozis ist tabu. Doch dass Dorothee Stapelfeldts (SPD) Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen (BSW) eine Baugenehmigung für den umstrittenen Elbtower am Rand der Hafencity erteilte, ohne die SPD-Fraktion oder die zuständigen Bürgerschafts-Ausschüsse auch nur darüber zu informieren, brachte Mathias Petersen und Markus Schreiber auf Zinne und zum Tabubruch. „So ein Hintergehen habe ich in 25 Jahren Bürgerschaft noch nie erlebt“, polterte Petersen und Schreiber ergänzte schimpfend: „Wir sind es leider als Abgeordnete gewohnt, dass wir nicht informiert werden.“
Der Wut der SPD-Parlamentarier tat es keinen Abbruch, dass sie im Tal der Ahnungslosen in bester Gesellschaft waren. Offensichtlich war auch Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) von der BSW nicht über die bereits am 8. März veröffentlichte (und erst am 22. März wirklich erteilte) Baugenehmigung informiert. „Frau Stapelfeldt hat ihre Behörde einfach nicht im Griff. Das war Dummheit, kein Vorsatz“, glaubt eine SPD-Abgeordnete.
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Andere Fraktionskolleg:innen haben da ihre Zweifel. Denn im Januar verschwieg die BSW dem Haushaltsausschuss, dass die Baugenehmigung fast steht. Zuvor hatte die Behörde gar versucht, die Bürgerschaft auszutricksen. Sie ersetzte deren Beschluss, dass eine 30-prozentige Vermietung der Elbtower-Büroflächen bindende Voraussetzung für den Startschuss für das Bauprojekt sei, klammheimlich durch die Vorgabe, dass die Finanzierungszusage einer Bank als Genehmigungs-Auflage reiche. Erst als ein Sturm der Entrüstung aus dem Parlament über sie hereinbrach, ruderte die Behörde kleinlaut zurück.
Die Explosion von Petersen und Schreiber hat zwei Motive: Zum einen hat das Bauwerk in der SPD-Fraktion viele Gegner:innen und vermutlich keine Mehrheit. Der 245 Meter hohe Elbtower, der einige SPDler:innen an einen „überdimensionierten Phallus“ erinnert, soll Deutschland dritthöchstes Gebäude werden und ist ein „Abschiedsgeschenk“ von Olaf Scholz. Nur wenige Tage vor seinem Wechsel nach Berlin hatte der damalige Bürgermeister den „Scholz-Tower“ persönlich präsentiert.
Braucht Hamburg weitere 90.000 Quadratmeter Bürofläche?
Viele SPD-Abgeordnete weisen nun darauf hin, dass, in Zeiten zunehmenden Homeoffices Hamburg garantiert keine 90.000 weiteren Quadratmeter Bürofläche brauche. Die meisten Abgeordneten aber stört vor allem die enge Verbindung zum österreichischen Immobilienmogul René Benko, dem Financier des Elbtowers. Benko eilt der Ruf voraus, dubiose Geschäftspraktiken nicht zu scheuen, zudem ist er in einen Spendenskandal verwickelt. In Hamburg gehören ihm bereits das Alsterhaus, die Alsterarkaden, die Gänsemarkt-Passage und das Karstadt-Haus an der Mönckebergstraße. „Die Stadt sollte sich nicht in noch größere Abhängigkeit zu ihm begeben“, warnt ein SPD-Bürgerschaftsabgeordneter, der gegen den Deal mit Benko ist. Und der sei noch nicht in trockenen Tüchern, da das Baugrundstück noch im Besitz der Stadt sei und Benko die 30-prozentige Vermietungsquote bislang nicht erfüllt hat – was auch die BSW bestätigt.
Doch die wütende Attacke von Schreiber und Petersen ist auch ein Fanal gegen die zunehmende Entmachtung der SPD-Fraktion. Die Parole lautet: Wir lassen uns nicht zu bloßen Erfüllungsgehilfen des Senats degradieren. Diese Tendenz habe sich, so eine SPD-Politikerin, verstärkt, seit Dirk Kienscherf 2018 Andreas Dressel als Fraktionschef beerbt hat. „Kienscherf trägt die Positionen des Senats in die Fraktion, Dressel hingegen hat die Positionen der Fraktion in den Senat getragen. Er war kommunikativer und sein Wort hatte mehr Gewicht“, beschreibt ein weiterer SPD-Abgeordneter die Folgen des Personalwechsels. Andere Fraktionsmitglieder aber brechen eine Lanze für Kienscherf, „der die Fraktion gegenüber dem Senat gut vertritt.“
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Doch auch Kienscherf konnte den Elbtower-Eklat nicht verhindern. Was auch daran liegt, dass niemand so recht verorten kann, wer das Bauwerk überhaupt will. Weder Stapelfeldt noch Tschentscher gelten als glühende Fans des Elbriesen, stärkster Treiber ist der Chef der Hamburg Commercial Bank (HCOB), Stefan Ermisch. Die Nachfolgerin der HSH-Nordbank ist die bislang einzige Elbtower-Mieterin, nachdem Benko wiederum den Stammsitz der Bank am Gerhard-Hauptmann-Platz erwarb. Nun wird im Rathaus spekuliert, ob Benko dass HCOB-Grundstück überteuert kaufte, um sich – Stichwort Nebenabrede – den ersten Mieter zu sichern, den er braucht, um die Vermietungsvorgabe für den Baubeginn irgendwann erfüllen zu können. Beweisen aber lässt sich das natürlich nicht.