Start mit Hindernissen: Sahra Wagenknechts Partei verpasst wohl Wahl in Hamburg
Sahra Wagenknecht im Anmarsch. Nach der geplanten bundesweiten Parteigründung der Truppe um die frühere Linken-Ikone am 27. Januar in Berlin ist auch die Gründung eines Hamburger Landesverbandes des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) geplant. Zahlreiche ehemalige Funktionäre der Hamburger Linken stehen dafür bereit.
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Sahra Wagenknecht im Anmarsch. Nach der geplanten bundesweiten Parteigründung der Truppe um die frühere Linken-Ikone am 27. Januar in Berlin ist auch die Gründung eines Hamburger Landesverbandes des Bündnisses Sahra Wagenknecht (BSW) geplant. Zahlreiche ehemalige Funktionäre der Hamburger Linken stehen dafür bereit.
„Wenige Abtrünnige“, so heißt es in der Linken, hätten die Partei verlassen und sich Wagenknecht zugewandt. Dabei sind aber diverse Politiker:innen, die bis vor Kurzem Hamburgs Linke führten oder in der Bürgerschaft repräsentierten. So schrumpfte die Fraktion dort von 13 auf elf Abgeordnete. Mehmet Yildiz, bereits 2022 im Streit aus der Fraktion ausgetreten, und der Abgeordnete Metin Kaya sympathisieren mit dem BSW – so dass schon zwei seiner Anhänger heute im Landesparlament sitzen.
Abgewählter Landesvorstand kehrt Linken den Rücken zu
Auch der 2022 abgewählte Linken-Landesvorstand (LaVo) – Zaklin Nastic und Keyvan Taheri – hat der Partei den Rücken gekehrt. Während Nastic zu den BSW-Gründungsmitgliedern gehört, wartet der vergangenen Oktober aus der Linken ausgetretene Taheri „die weitere Entwicklung des BSW noch ab“, bevor er entscheidet, „ob ich da dabei bin“. Vor wenigen Tagen wechselte zudem der frühere Bürgerschaftsabgeordnete Martin Dolzer das Lager, und auch die bisherige Fraktionsvorsitzende der Linken im Bezirk Nord, Angelika Traversin, ist beim Wagenknecht-Bündnis dabei.
Am meisten aber schmerzt Hamburgs Linke der Verlust ihres ehemaligen Bundestagsabgeordneten Fabio De Masi, der das BSW als einer von zwei Spitzenkandidaten in die Europawahl am 9. Juni führen soll. Als Gegenspieler von Olaf Scholz (SPD), dessen Aussagen zur Warburg-Cum-Ex-Affäre er genussvoll auseinander nahm und den Kanzler so vor sich hertrieb, erntete De Masi bundesweit Anerkennung und einen hohen Bekanntheitsgrad. „Dass Fabio jetzt beim BSW ist, tut Hamburgs Linker richtig weh“, glaubt einer der Überläufer.
Nicht selten nutzen die ausscheidenden Linken ihren Austritt, um mit ihren Ex-Genoss:innen öffentlich abzurechnen. So warf Traversin dem LaVo vor, „Angriffe auf friedensbewegte Genossinnen und Genossen“ zu fahren, die gegen Waffenlieferungen an die Ukraine eintreten, und so „die Partei zu spalten“. Yildiz und Dolzer beschuldigten den LaVo und Teile der Bürgerschaftsfraktion vor wenigen Tagen, nicht nur friedenspolitische Positionen der Partei zu verraten, sondern auch mit „rassistischer Überheblichkeit gegen migrantische Mitglieder und Abgeordnete“ zu agieren, „wenn diese nicht bereit sind, sich der angepassten Politik von Vorstand und Fraktion unterzuordnen.“
Hamburger Linke weint Abgängern keine Träne nach
In der Hamburger Linken weint man den schmutzige Wäsche waschenden Abgänger:innen keine Träne nach – im Gegenteil. „Eine Gruppe Unzufriedener hat unsere Partei wegen vermeintlicher Vernachlässigung der sozialen Oppositionsrolle verlassen – und jetzt eine Partei gegründet, die sich überhaupt nicht als links versteht, die das individuelle Grundrecht auf Asyl schleifen möchte“, bewertet etwa der Hamburger Parteisprecher Thomas Iwan die Entwicklung der vergangenen Wochen.
So deutet die Hamburger Führungsspitze der Partei die Zäsur als Chance, die Linkspartei geschlossener als bisher erstarken zu lassen, und verweist auf zahlreiche Neueintritte. Seit dem 23. Oktober, als Wagenknecht ihren Austritt verkündete, verließen zwar 60 Hamburger:innen die Partei, doch traten im selben Zeitraum 130 Personen neu in den Landesverband ein, der insgesamt über etwa 1700 Mitglieder verfügt. „Die steigenden Mitgliederzahlen zeigen, dass wir als Partei gewollt und gebraucht werden“, glaubt die Co-Fraktionsvorsitzende Cansu Özdemir.
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Ob dem so ist, werden die Ergebnisse der Europa- und Bezirkswahlen im kommenden Juni zeigen – dann wird im Vergleich beider Wahlen auch klar, wie viele Stimmen die neue Partei Hamburgs Linke kostet. Denn während Wagenknecht bereits angekündigt hat, an den Europawahlen teilnehmen zu wollen, ist eine Teilnahme an den Bezirkswahlen extrem unwahrscheinlich.
Ein Hamburger BSW-Landesverband, dessen Gründungstermin noch in den Sternen steht, müsste bis zum 11. März beim Landeswahlleiter seine Wahlbeteiligung anmelden und bis dahin über einen gewählten Vorstand, eine Satzung und ein Programm verfügen. Zudem bräuchte die neue Partei Dutzende von Kandidat:innen für die sieben Bezirke. Das alles ist organisatorisch kaum zu wuppen. Die neue Partei würde dann bis 2029 in den Bezirksversammlungen, wo die Parteien ihren Nachwuchs für höhere Aufgaben qualifizieren, nicht vertreten sein – für ihre weitere Entwicklung in Hamburg eine schwere Bürde.