SPD-Schlick-Politik: Allein gegen alle
Hafenschlick vor einer Vogelschutz-Insel abzuladen sei eine „sinnvolle Lösung“, sagt die Hamburger SPD. Die Behauptung, diese Lösung sei „gemeinsam“ mit der Umweltbehörde und den Nachbarländern gefunden worden, sorgt jedoch allseits für Kopfschütteln.
- Deutsch (Deutschland)
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Stefan Wenzel machte seiner Wut unverhohlen Luft und forderte gleich mal die Enteignung der Hansestadt. Aufgrund seines „rücksichtslosen Vorgehens und breitbeinigen Auftretens“, mit dem Hamburg „die Elb-Anrainer brüskiert“, forderte der niedersächsische Bundestagsabgeordnete der Grünen Mitte dieser Woche die Elbmündungs-Inseln Scharhörn und Neuwerk zurück. Beide hatte Niedersachsen 1961 vertraglich an Hamburg abgetreten, doch diese Rechtsgrundlage sei – so der frühere niedersächsische Umweltminister – „nicht unbedingt wasserdicht“.
Was den sonst eher besonnenen Wenzel auf Zinne brachte: Hamburgs Wirtschaftsbehörde (BWI) hatte vergangene Woche angekündigt, dass der mit Umweltgiften belastete Schlick, der beim Ausbaggern der Elbe anfällt, vor der vor Cuxhaven gelegenen Vogelschutz-Insel Scharhörn verklappt werden soll. Zeitgleich hatte Markus Schreiber, hafenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, eine Nebelkerze gezündet. „Gemeinsam mit Hamburgs Nachbarländern“, verlautbarte er, werde man die Frage, wo Hamburg in Zukunft Elbschlick verklappe, lösen. Die Ablagerung des Baggerguts vor Scharhörn sei eine „sinnvolle Lösung“, die „Wirtschafts- und Umweltbehörde gemeinsam entwickelt haben“.
Die mehrfache Verwendung des Wortes „gemeinsam“ löste bei den Nachbarn nur Kopfschütteln und Befremden aus – haben BWI und die Hafenbehörde HPA die Scharhörn-Lösung doch im Alleingang durchgedrückt, ohne Absprache und gegen den Widerstand der Naturschutzverbände und der Nachbarländer. Man sei „in keinster Weise beteiligt worden“, klagt etwa Uwe Santjer (SPD), Bürgermeister von Cuxhaven, vor dessen Küste Scharhörn liegt. Nun hat Santjer eine Delegation der BWI unter Führung eines Parteifreundes – Staatsrat Andreas Rieckhof (SPD) – für Dienstag ins Rathaus zum Krisengipfel einbestellt.
Besonders pikiert über Schreibers Erklärung ist man in der von den Grünen geführten Hamburger Umweltbehörde. Sie ist kein Freund der Sediment-Ablagerung vor Scharhörn, kann diese aber nicht verhindern und rang der Wirtschaftsbehörde immerhin Zugeständnisse ab, um deren negative ökologische Auswirkungen zu begrenzen. „Dass die SPD diese Ablagerung zu einem Gemeinschafts-Projekt zwischen der BWI und uns umdichtet, ist ein übles politisches Foul“, klagt ein Umweltbehörden-Mitarbeiter, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.
Grüne zum Schlick vor Scharhörn
Denn die Grünen sind seit jeher gegen die Elbvertiefung und die damit verbundene Schlickablagerung an anderer Stelle, mussten diese Kröte aber schlucken, um Hamburg mitzuregieren. Man „toleriere“ den Plan der BWI, der aber einen „bitteren Beigeschmack“ habe, „politisch problematisch“ sei und „keine Dauerlösung“ sein könne, geht etwa die Grünen-Bürgerschaftsabgeordnete Miriam Putz auf wohltemperierte Distanz zum Koalitionspartner.
Andere Grüne wie der schleswig-holsteinische Umweltminister Jan Philipp Albrecht halten sich mit der Kritik an Hamburgs Scharhörn-Alleingang weniger zurück. Und auch Albrechts niedersächsischer Amtskollege Olaf Lies (SPD) wird deutlich. Er beklagt, dass ein „einseitiges Vorgehen Hamburgs in Sachen Scharhörn“ nun die „bisher vertrauensvolle Zusammenarbeit“ von Niedersachsen und Hamburg unterlaufe. Lies prüft jetzt eine Klage gegen den Scharhörn-Beschluss. Das tun auch die im Aktionsbündnis „Lebendige Tideelbe“ zusammengeschlossenen Naturschutzverbände. Die BWI hat ihnen gerade mal vier Wochen Zeit gegeben, um Widerspruch einzulegen. Eine extrem knappe Frist. Das Aktionsbündnis wird deshalb nicht nur bis zum 7. März seine Einwände gegen die Schlick-Ablagerung vor Scharhörn formulieren, sondern auch darüber entscheiden, ob es gegen die Pläne vor Gericht zieht.
Der Alleingang, mit dem die Hamburger SPD alle gegen sich aufbringt, steht in der Tradition einer Hamburger Hafenpolitik, die sich seit Jahren jeder norddeutschen Hafenkooperation verweigert, die dazu führen könnte, dass etwa in Wilhelmshaven die Fracht der Container-Riesen gelöscht wird, die es aufgrund ihres Tiefgangs nur schwer die Elbe hinaufschaffen. Um die Zufahrt zum eigenen Hafen weiter zu gewährleisten, muss Hamburg stattdessen immer mehr Schlick aus der Elbe baggern und irgendwo verklappen. Scharhörn bietet den Vorteil, dass die Insel offiziell zu Hamburg gehört. Die Ländernachbarn haben deshalb kaum Möglichkeiten, den Hamburger Alleingang zu verhindern.
Und deren Kritik wertet Markus Schreiber, der Meister der verbalen Gemeinsamkeit, als „ wahltaktisch motiviert“ ab, da in Niedersachsen wie Schleswig-Holstein Landtagswahlen vor der Tür stehen. Eine Einschätzung, die wohl erneut Öl in das lodernde Feuer gießt, das derzeit zwischen Hamburg und seinen Nachbarn außer Kontrolle geraten ist.