„Gefährliche Symbolpolitik“: Rot-grüner Zank um Wohnungsbau
Es war ein gezielter Schuss vor den Bug. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf nahm den grünen Koalitionspartner ins Visier und zerlegte dessen Parteitagsbeschlüsse vom vergangenen Wochenende. „Gefährliche Symbolpolitik zu Lasten von Klima und sozialem Frieden“ sei der grüne Leitantrag, der vorsieht, die Klimaschutzauflagen im Wohnungsbau zu verschärfen. So sollen bei Neubauten grundsätzlich die Kriterien des „Effizienzhauses 40“ erfüllt werden. Zudem fordern die Grünen, dass bei vielen Neubauprojekten die Hälfte der Wohnungen sozial gefördert werden soll, statt bislang nur ein Drittel.
Es war ein gezielter Schuss vor den Bug. SPD-Fraktionschef Dirk Kienscherf nahm den grünen Koalitionspartner ins Visier und zerlegte dessen Parteitagsbeschlüsse vom vergangenen Wochenende. „Gefährliche Symbolpolitik zu Lasten von Klima und sozialem Frieden“ sei der grüne Leitantrag, der vorsieht, die Klimaschutzauflagen im Wohnungsbau zu verschärfen. So sollen bei Neubauten grundsätzlich die Kriterien des „Effizienzhauses 40“ erfüllt werden. Zudem fordern die Grünen, dass bei vielen Neubauprojekten die Hälfte der Wohnungen sozial gefördert werden soll, statt bislang nur ein Drittel.
Für Kienscherf sind solche Auflagen ein „Irrweg“, der den ohnehin lahmenden Neubau von Wohnungen noch teurer mache und damit weiter hemme. Da der Wohnungsbau aufgrund steigender Baukosten sowie mangelnder Bundesförderung stark eingebrochen sei, „müsse die Politik „mit nicht sinnvollen, sehr hohen Auflagen zum angeblichen Klimaschutz runter“. Denn die Lage am Wohnungsmarkt sei, so Kienscherf, eine „tickende soziale Zeitbombe“.
Eilfertig flankierten Kienscherfs Parteigenosse Andreas Breitner, Chef des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen, und Matthias Saß vom Verein Hamburger Wohnungsbaugenossenschaften Kienscherfs Grünen-Bashing. Während Breitner von „grünen Luftschlössern“ sprach, polterte Saß: „Was die Grünen vorschlagen, würde das Ende des Baus bezahlbarer Wohnungen bedeuten. Wir hoffen, dass die Sozialdemokraten dafür sorgen, dass diese Ideen nicht umgesetzt werden.“

Doch Kienscherfs Attacke gegen die Grünen fällt auf die SPD zurück. Genüsslich wies Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen auf Facebook darauf hin, dass die von dem SPD-Mann angefeindeten Beschlüsse – beim Neubau den KFW40-Energiestandard einzuhalten und eine Sozialwohnungsquote bis zu 50 Prozent festzuschreiben – eben keine grünen Luftschlösser seien. Sie sind Bestandteil des Koalitionsvertrages und damit verbindliche Grundlage rot-grüner Regierungspolitik. „Klimaschutz gegen günstigen Wohnraum ausspielen ist und bleibt Quatsch!“, schrieb der grüne Fraktionschef adressiert an seinen roten Amtskollegen.
Fakt aber ist: Je länger die Legislaturperiode andauert und je näher die Bezirkswahlen 2024 rücken, umso öfter stellt einer der beiden Partner die Eckpunkte des rot-grünen Koalitionsvertrags infrage. Das gilt gerade auch für die Grünen, die just die Elbvertiefung für „gescheitert“ erklärt haben und massiv Geschütze gegen den Bau der Hafenquerung A26 in Stellung bringen. Beide Projekte aber hatte die SPD zur Voraussetzung einer rot-grünen Koalition erklärt, woran manche:r Grüne:r sich nicht allzu gern erinnert.
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Gerade bei den Top-Themen Klimaschutz und Wohnungsbau kämpfen Rot und Grün zunehmend um die Wähler:innengunst – gerne auch gegeneinander. Weiter verschärft wurde ihr Streit darum, welche Klimapolitik effizient, wirklich umsetzbar und zudem sozial verträglich ist, diese Woche durch Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne). Der sprang begeistert einem Referentenentwurf aus dem von Parteifreund Robert Habeck geleiteten Bundeswirtschaftsministerium bei, schon 2024 beim Heizungstausch in Wohnhäusern Öl und Gas auszubremsen und einen Anteil von 65 Prozent erneuerbaren Energien festzuschreiben.
Dasselbe Ziel sieht das neue Klimaschutzgesetz, das noch vor der Sommerpause von der Bürgerschaft verabschiedet werden soll, in Hamburg erst für 2027 vor. Kerstan begrüßt nun „eine Debatte darüber, ob dieses Ziel schneller zu erreichen ist“, und setzt dabei auf die Bundesregierung, „ein solches Vorhaben zeitlich zu beschleunigen.“
Dirk Kienscherf: Kompromisslose Politik führt zu sozialen Härten
Der derzeit auf Krawall gebürstete Dirk Kienscherf hingegen reitet gegen das Papier aus dem Hause Habeck die Attacke: „Vorschläge, den Einbau von neuen Gas- und Ölheizungen ab 2024 zu verbieten, ohne konkrete Förderungen bereitzustellen, sind sozialer Sprengstoff“, giftet der 57-Jährige und sattelt dann noch drauf: „Habeck trägt zur weiteren Verunsicherung bei und gefährdet durch sein unbedachtes Handeln sogar den Klimaschutz.“, seine „kompromisslose Politik“ führe „zu sozialen Härten.“
Bei den Themen Klimaschutz und Wohnungsbau ist der Vorrat an Gemeinsamkeiten der Koalitionspartner ganz offensichtlich aufgebraucht, auch wenn Jens Kerstan betont, er sehe „keine grundlegenden Differenzen“ mit Kienscherf und der SPD. Immerhin will man nun miteinander und nicht nur übereinander reden. Er werde aber „demnächst einen Termin in der SPD-Fraktion wahrnehmen, um Informationslücken zu schließen“, kündigt Kerstan Gesprächsbedarf an. Das scheint notwendig. Die rot-grüne Regierungsehe könnte sonst sehr bald ein Fall für die Paartherapie werden.