Überall in Hamburg gilt 2G – nur im Rathaus nicht: wegen der AfD
Kurz vor der Bürgerschaftssitzung vergangenen Mittwoch lässt Dennis Gladiator sich noch einmal auf Corona testen. „Freiwillig“, wie der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion betont. Denn das Ergebnis und auch Gladiators Impfstatus interessieren niemanden. Während überall in der Stadt der Zugang zum Arbeitsplatz „nur noch für geimpfte, genesene oder negativ getestete Personen“ möglich ist, gelten ausgerechnet im Landes-Parlament andere Regeln. Wie kann das sein?
Dass gerade im Rathaus die überall geltenden Corona-Beschränkungen ausgesetzt sind, liegt vor allem an der AfD.
Kurz vor der Bürgerschaftssitzung vergangenen Mittwoch lässt Dennis Gladiator sich noch einmal auf Corona testen. „Freiwillig“, wie der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion betont. Denn das Ergebnis und auch Gladiators Impfstatus interessieren niemanden. Während überall in der Stadt der Zugang zum Arbeitsplatz „nur noch für geimpfte, genesene oder negativ getestete Personen“ möglich ist, gilt ausgerechnet im Landes-Parlament statt 3G nur „3Gar nichts“: Abgeordnete müssen, wenn sie die Bürgerschaft betreten, nicht nachweisen, dass sie geimpft, getestet oder genesen sind.
Dass gerade im Rathaus die überall geltenden Corona-Beschränkungen ausgesetzt sind, liegt vor allem an der AfD. Deren Abgeordnete weigern sich offenzulegen, ob sie geimpft, gar genesen oder zumindest getestet sind. Und können dazu, so die Jurist:innen der Bürgerschaftskanzlei, auch nicht gezwungen werden. Dagegen stehe die verfassungsmäßig verbriefte „Freiheit des Mandats“, die es gewählten Abgeordneten erlaube, dies ohne Einschränkungen auszuüben. „Zugangsbeschränkungen“ für nicht geimpfte oder getestete Parlamentarier:innen seien deshalb ebenso wenig durchsetzbar wie die Offenlegung ihres Impfstatus.
Hamburger Bürgerschaft: AfD-Abgeordnete verhindern 3G-Regel im Rathaus
Klar ist: Allein in der AfD gibt es Impfverweigerer. Im Herbst legten im Ältestenrat der Bürgerschaft alle Fraktionen den Impfstatus ihrer Abgeordneten offen. Bei CDU und SPD, der Linken und den Grünen waren nach Selbstauskunft alle Abgeordneten – 114 an der Zahl – vollständig geimpft. Auf die Frage, ob das auch für die sechs AfD-Parlamentarier gelte, antwortete deren Fraktionschef Dirk Nockemann mit einem bündigen „Nein“. Doch wer den Piks schon bekommen hat und wer nicht, darüber ließ sich der selbst längst geimpfte AfD-Politiker nicht weiter aus. Für die anderen Fraktionen ist das Versteckspiel schwer erträglich: „Wenn alle Abgeordneten geimpft oder zumindest getestet wären, würde ich mich sicherer fühlen“, bekennt Gladiator.
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Statt die impf- und auskunftsunwilligen AfDler:innen vom Parlaments-Betrieb auszuschließen, griff die Bürgerschaftskanzlei zu „milderen Mitteln“ und bastelte ein umfangreiches Schutzkonzept für die Bürgerschaft. Seit April 2020 tagt diese nicht mehr im Plenarsaal, sondern im größten Raum des Rathauses, im Großen Festsaal. Die Akustik dort ist mäßig, im Trennscheiben-Dschungel können sich die Abgeordneten, die zum Teil fast 40 Meter entfernt voneinander sitzen, weder hören noch sehen. Als „atmosphärisch sehr anstrengend“, empfindet etwa Michael Gwosdz von den Grünen die Bürgerschaftssitzungen unter den veränderten Bedingungen. Und steht damit nicht allein.
Hamburg: Nur noch Bürgerschaft light wegen Schutzkonzept
Doch schlimmer noch: Durch das Schutzkonzept gibt es seit 20 Monaten nur noch Bürgerschaft light, die Grundfunktionen des Parlaments wurden gestutzt. So tagen die Fraktionen aus Sicherheitsgründen mit weniger Abgeordneten und lassen Debatten ausfallen. Besucher:innen sind weder in der Bürgerschaft noch in deren Fachausschüssen zugelassen. „In den Ausschüssen, die nicht per Livestream übertragen werden, gibt es null öffentliche Kontrolle der politischen Arbeit“, klagt die parlamentarische Geschäftsführerin der Linken, Heike Sudmann. Das immerhin soll sich nun ändern, in Zukunft jede Ausschusssitzung aufgezeichnet werden.

Die Bürgerschaftskanzlei will keinesfalls den Eindruck erwecken, sie lasse sich von der AfD an der Nase herumführen. Stattdessen lobt sie gebetsmühlenartig ihr Sicherheitskonzept: „Wir haben seit Beginn der Pandemie kein Infektionsgeschehen während einer Bürgerschaftssitzung gehabt“, betont die Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit (SPD).
Hamburgs AfD zwingt Bürgerschaft Corona-Regeln auf
Dennis Gladiator ist da ein wenig differenzierter: „Faktisch ist das Konzept natürlich eine Lex AfD und es ist sehr ärgerlich, dass uns von dieser Fraktion die Diskussion so aufgezwungen wird.“ Die Bürgerschaftskanzlei ergänzt: „Die Anwendung von 2G oder 3G war im Ältestenrat nicht konsensfähig.“ Und „Zwangsmaßnahmen gegenüber Abgeordneten, die einen entsprechenden Nachweis verweigern, sind unseres Wissens nach in keinem Parlament vorgesehen, geschweige denn praktiziert worden.“
Das stimmt nicht ganz: Sowohl im Deutschen Bundestag in Berlin wie auch im Bayerischen Landtag werden derzeit Abgeordnete, die die 3G-Regelung nicht akzeptieren, auf die Tribüne verbannt. Und im Brandenburger Landtag gilt: Abgeordnete, die keinen aktuellen Corona-Test vorweisen können, dürfen den Plenarsaal nicht betreten.
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„Wir Abgeordnete sollten Vorbild sein und uns unbedingt an die Regeln halten, die für alle gelten“, fordert Dennis Gladiator. Eine Botschaft, die noch nicht überall im Hamburger Rathaus angekommen ist.