Hamburgs Niedergang als Medienmetropole und das hilflose Geraune der Politik
Es war ein schwer empörtes, aber erschreckend hilfloses Geraune, mit dem Hamburgs Politiker:innen die Nachricht von der weitgehenden Zerschlagung des Traditionsverlags Gruner+Jahr durch den Bertelsmann-Konzern kommentieren. Der Niedergang von Hamburg als Medienmetropole ist eingeläutet. Das sieht auch eine weitere wichtige Branche so. Sie stellt Senat sowie Bürgerschaft bloß und schlägt laut Alarm.
Es war ein schwer empörtes, aber erschreckend hilfloses Geraune, mit dem Hamburgs Politiker:innen die Nachricht von der weitgehenden Zerschlagung des Traditionsverlags Gruner+Jahr durch den Bertelsmann-Konzern kommentieren. Der Niedergang von Hamburg als Medienmetropole ist eingeläutet. Das sieht auch eine weitere wichtige Branche so. Sie stellt Senat sowie Bürgerschaft bloß und schlägt laut Alarm.
„RTL und Bertelsmann opfern Gruner+Jahr der Profitgier“, erzürnt sich der medienpolitische Sprecher der SPD, Hansjörg Schmidt nach dem großen Knall am Baumwall. Er spricht von „Schande“ und versichert den von Kündigung bedrohten Mitarbeiter:innen die „volle Solidarität“ seiner Partei, ohne auch nur zu skizzieren, wie diese aussehen könnte.
Kultur- und Mediensenator Carsten Brosda (SPD) zeigt sich „sehr betroffen“ und bekräftigt, dass die Politik „sich weiter stark machen“ wolle für den Medienstandort Hamburg – nur wie, dazu sagt Brosda nichts. Auch CDU-Chef Dennis Thering, geißelt die „Zerschlagung des Traditionsverlags“ und die „fatalen Folgen für die Mitarbeiter“. Doch weil die CDU offensichtlich keine Ideen hat, was die Politik dagegen tun könnte, fallen politische Forderungen und die obligatorische Kritik am rot-grünen Senat diesmal ersatzlos aus. Machtlos sieht das Rathaus zu, wie die einstige Verlagsmetropole Hamburg langsam den Elb-Bach runtergeht.

Die von Bertelsmann verkündete Einstellung von 23 Gruner + Jahr-Titeln, samt Abbau von 500 bis 700 Arbeitsplätzen markiert einen Meilenstein des Niedergangs Hamburgs als Medien- und vor allem als Verlagsstandort. Nach dem Kahlschlag des Springer-Verlags 2008 und der Zerschlagung von Gruner+Jahr bleiben Hamburg nur noch zweieinhalb Printmedien-Flaggschiffe übrig: der Spiegel und der Zeit-Verlag, sowie die nicht unbedingt für Premium-Journalismus bekannte Bauer-Verlagsgruppe.
In Hamburg fehlt ein Medienbeauftragter
Es sind ökonomische Entscheidungen vor dem Hintergrund der zunehmenden Digitalisierung, die dazu führen, dass die Print-Metropole Hamburg den Tod auf Raten stirbt. Doch dazu gesellt sich seit Jahrzehnten eine eigentümliche Passivität der Regierenden, wenn es um Standortpolitik im Medienbereich geht. Ein kleines Förderprogramm hier, eine nette Grußrede dort – mehr war nicht zu holen. Betulich ruhte sich Hamburg darauf aus, Medienhauptstadt zu sein, weil es hier die großen Verlagshäuser gab.
Die Passivität hat Tradition: Schon der von 2001 bis 2008 amtierende CDU-Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (†) lehnte es ab, einen Medienbeauftragten zu installieren, der für die Unternehmen ein Ansprechpartner ist und zudem die Vernetzung der Teil-Branchen der Medienwirtschaft fördert. Den Medienbeauftragten sucht man noch heute vergebens und als Uldall sein Senatorenbüro räumte, da stapelten fast zeitgleich am Axel-Springer-Platz die Bild-Mitarbeiter:innen ihre Umzugskartons für den Transport nach Berlin.
Der Hafen bekommt Unterstützung, die Medien nicht
Würde Hamburg die Medien annähernd so pampern und pushen wie den Hafen, die Erosion der Medienlandschaft wäre wohlmöglich aufzuhalten gewesen. Was hat der Senat alles getan: Notleidende Hafenbetriebe wie Hapag Lloyd wurden aufgekauft, Milliarden in die Infrastruktur, etwa die Elbvertiefung, investiert. Und die Medien? Ein kleines Förderprogramm hier, eine nette Grußrede dort – mehr gab‘s nicht zu holen.
„Dabei hat Gruner + Jahr für den Medienstandort Hamburg eine ähnliche Bedeutung wie Hapag-Lloyd für den Hafen“, weiß auch Carsten Brosda, betont aber in einem Abendblatt-Interview: „Medien sollen den Staat kontrollieren und müssen unabhängig vom Staat bleiben. Deshalb scheidet das Modell Hapag-Lloyd aus.“ Nimmt man Brosda hier ernst, dürfte es keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk geben. Die Frage lautet deshalb: „Wie kann der Senat die Medienlandschaft fördern und entwickeln, ohne Einfluss auf die journalistische Unabhängigkeit und Inhalte zu nehmen?“
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Bundesweit führend ist Hamburg im Bereich Medien nur noch im Bereich der PR-Agenturen. Hier gilt die Metropole an der Elbe als „Kreativ-Hauptstadt“ und belegt mit Playern wie Jung von Matt oder Accenture im nationalen wie internationalen Vergleich einen Spitzenplatz. Doch auch diese Agenturen klagen, dass sie neben Senator Brosda kaum einen Ansprechpartner in Senat und Bürgerschaft finden, der wirklich etwas von Digitalwirtschaft versteht. So verlor etwa Carsten Ovens, der einzige digitalaffine CDU-Ansprechpartner der Kreativbranche, 2020 sein Bürgerschaftsmandat.