Nach Zoff um Bildungspläne: Rabe schließt Kompromiss – Kritik reißt nicht ab
Wie sollen Hamburger Schülerinnen und Schüler in Zukunft lernen? Senator Ties Rabe (SPD) hat am Montag die überarbeiteten Bildungspläne vorgestellt. Seit Monaten hatten sich Eltern, Lehrer und Gewerkschaften für Änderungen eingesetzt. Wo der Schulsenator Kompromisse macht und warum der Zoff womöglich noch nicht ganz ausgestanden ist.
Wie sollen Hamburger Schülerinnen und Schüler in Zukunft lernen? Senator Ties Rabe (SPD) hat am Montag die überarbeiteten Bildungspläne vorgestellt. Seit Monaten hatten sich Eltern, Lehrer und Gewerkschaften für Änderungen eingesetzt. Wo der Schulsenator Kompromisse macht und warum der Zoff womöglich noch nicht ganz ausgestanden ist:
Was sind die Hamburger Bildungspläne?
In den Bildungsplänen legt die Schulbehörde fest, was und wie an Hamburgs Grund-, Stadtteilschulen und Gymnasien unterrichtet wird. Dort steht zum Beispiel geschrieben, wie viele Prüfungen die Schüler:innen in welchen Fächern ablegen sollen. Die Überarbeitung der Bildungspläne ist Teil des Schulstrukturfriedens, auf dessen Verlängerung sich SPD, Grüne, CDU und FDP 2019 verständigt hatten. Im Frühjahr dieses Jahres hatte Senator Rabe die Entwürfe für neue Bildungspläne vorgelegt, die massiv kritisiert worden waren.
Welche Kritik gab es an den Bildungsplänen?
Die Pläne seien überfrachtet, es werde zu viel Wert auf reines Faktenwissen gelegt und gebe zu wenig Raum für Kreativität und kritisches Denken. Auch die geplanten Streichungen von mündlichen Ersatzleistungen und Pläne für zusätzliche Klausuren sorgten für Kritik. Elternkammer, Lehrerkammer, die Leitungen von Stadtteil- und Grundschulen sowie die Bildungsgewerkschaft GEW fanden die Entwürfe allesamt nicht akzeptabel. Einige Vertreter:innen hatten sich sogar zum „Bündnis für zukunftsfähige Schulen“ zusammengeschlossen und über eine Volksinitiative beraten. Selbst von Seiten des grünen Koalitionspartners ernteten die Entwürfe Kritik.
Wo macht die Schulbehörde jetzt Kompromisse?
„Wir haben die Vorschläge sehr ernst genommen und Anregungen aus rund 220 Stellungnahmen aufgegriffen“, sagte Rabe. „Deshalb haben wir die Stofffülle deutlich reduziert und die im Entwurf vorgesehene Klausurenregelung gestrichen.” Heißt: Es wird keine zusätzlichen Klausuren geben. Wie bisher können Klausuren – bis auf solche in Rechtschreibung und Mathematik – durch alternative Leistungen wie Referate oder Präsentationen ersetzt werden. Für Klausurersatzleistungen sollen im kommenden Jahr gemeinsam mit allen Beteiligten Qualitätsvorgaben entwickelt werden.
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Zusätzlich wurden die Vorgaben beim Lernstoff reduziert. Es soll einen verbindlichen Kern geben, der rund 50 Prozent der Unterrichtszeit beansprucht. Die restliche Zeit darf von den Schulen gestaltet werden. „Zudem wurde die Inklusion als Grundlage der Hamburger Lernkultur in allen Schulformen und -stufen noch deutlicher verankert”, so Rabe. Einige Punkte des Entwurfs sind allerdings gleich geblieben, so soll unter anderem in allen Fächern – nicht nur in Deutsch – die Sprachbildung gefördert werden.
Was sagen die Kritiker zum Kompromiss?
Die Bildungsgewerkschaft GEW will in Ruhe prüfen, ob die „notwendigen grundlegenden Überarbeitungen” stattgefunden haben oder eine Volksinitiative initiiert wird. Von der Lehrer- und der Schülerkammer gab es schon vor der Vorstellung der überarbeiteten Bildungspläne Kritik am Vorgehen. Sie waren nach der ersten Stellungnahme nicht weiter in die Überarbeitung einbezogen worden.
Die Linksfraktion will einen Antrag in der Bürgerschaft einbringen, damit die Institutionen hierfür bis zum Ende des Schuljahres 2022/23 Zeit haben. Die Umsetzung solle so lange ausgesetzt werden. „Grundsätzlich fehlt dem Gesamtprozess ein demokratisches Fundament, auf dem die Bildung für die nächsten Jahre stehen muss”, sagte die Linken-Bildungssprecherin Sabine Boeddinghaus.

„Was Schulsenator Rabe heute vorgelegt hat, bleibt weit hinter den Absichten des überparteilichen Schulstrukturfriedens zurück”, kritisierte die FDP-Abgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein. „Seine eigenen Pläne für Leistungsteigerung hat der Senator geschliffen, unter dem Druck links-grüner Kräfte, die nur gute Noten statt guter Bildung anstreben.“
Dem Schulsenator ist es mit seiner Kompromissbereitschaft immerhin gelungen, den Koalitionspartner wieder an Bord zu holen. Die Schulexpertin der Grünen-Fraktion, Ivy May Müller, nannte die neuen Pläne „eine gute Grundlage für eine zeitgemäße Prüfungskultur, die nicht zu verschärftem Leistungsdruck führt”.
Ab wann gelten die neuen Bildungspläne?
Die neuen Bildungspläne werden ab August 2023 einer dreijährigen Probephase unterzogen. Die Schulen sollen sich in dieser Zeit auf die neuen Pläne einstellen und ihren Unterricht anpassen. Ab Februar 2023 wird es deshalb Fortbildungen für Schulleitungen und Lehrkräfte geben. Die dreijährige Erprobungsphase wird wissenschaftlich begleitet. Denn die Bildungspläne können „auch in der Erprobungsphase noch verändert werden”, so Rabe. Ab August 2026 sollen die neuen Pläne dann endgültig in Kraft treten und für zehn Jahre gelten.