MSC-Einstieg beschlossen: Ein Deal mit Risiken – diese Fragen bleiben offen
Einer Meinung waren sie fast nie. Wenn es um die Zukunft des Hafens ging, gingen Gunther Bonz als Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg und Norbert Hackbusch, Wirtschaftsexperte der Linkspartei, meist auf Gegenkurs. Doch als der geplante Einstieg der weltgrößten Reederei MSC beim Hafenkonzern HHLA bekannt wurde, da schlugen sie fast gleichlautend Alarm und Bonz gab aufgrund der geplanten Teilfusion sogar sein Amt ab.
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Einer Meinung waren sie fast nie. Wenn es um die Zukunft des Hafens ging, gingen Gunther Bonz als Präsident des Unternehmensverbands Hafen Hamburg und Norbert Hackbusch, Wirtschaftsexperte der Linkspartei, meist auf Gegenkurs. Doch als der geplante Einstieg der weltgrößten Reederei MSC beim Hafenkonzern HHLA bekannt wurde, da schlugen sie fast gleichlautend Alarm und Bonz gab aufgrund der geplanten Teilfusion sogar sein Amt ab.
Beide Experten warnen: Beim HHLA-Deal mit der MSC habe sich der Senat gehörig über den Tisch ziehen lassen, die Folgen für die HHLA-Beschäftigten wären unabsehbar, der ganze Hafen könnte abschiffen. Und auch die Gewerkschaften und konkurrierende Großreedereien machen gegen den umstrittenen Deal mobil.
Am Dienstag nun segnete der rot-grüne Senat den HHLA-Einstieg der Mediterranean Shipping Company (MSC) trotz aller warnenden Stimmen offiziell ab – nun müssen noch die Bürgerschaft und die EU grünes Licht geben. Die Stadt und MSC wollen die HHLA, die die meisten Containerterminals im Hafen betreibt, künftig als Gemeinschaftsunternehmen führen. Hamburg behält dabei eine Anteilsmehrheit von 50,1 Prozent, während die MSC 49,9 Prozent erwirbt.
Flankiert wird der Regierungsbeschluss durch eine aktuelle 21-seitige Senatsdrucksache, in der Wirtschaftssenatorin Melanie Leonhard und Finanzsenator Andreas Dressel (beide SPD) die Grundpfeiler und die unternehmerischen Ziele des Deals noch einmal erläutern. Doch das Papier lässt viele Fragen offen.
Unklar, wie MSC die hohen Umschlagzahlen erreichen will
So verpflichtet sich MSC dazu, ihre Ladungsmengen an den HHLA-Terminals erheblich zu steigern. Schon 2025 sollen 375.000 Standardcontainer (TEU) umgeschlagen werden, ab 2031 dann mindestens eine Million Containerboxen pro Jahr. Unklar bleibt, wie MSC diese Zahlen erreichen will, ob dahinter mehr als nur ein leeres Versprechen steht, um gut Wetter für den eingetüteten Deal zu machen. Bonz warnt: „Diese Mengenangaben sind das Papier nicht wert, auf dem sie stehen. Ich prognostiziere, dass der versprochene Zuwachs nicht eintreten wird.“
Zudem löst der MSC-Einstieg, so warnen Hackbusch und Bonz, unweigerlich Konflikte mit anderen Großreedereien aus, die ihre Ladung bei der HHLA umschlagen. Die versprochenen zusätzlichen Umschlagmengen seien nur „ein rot-grünes Luftschloss“, so Hackbusch. „Die lassen sich schon wegen des Rückzugs anderer Reedereien gar nicht realisieren – wir sehen das jetzt schon an entsprechenden Entscheidungen bei Maersk und Hapag-Lloyd.“
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Die beiden Großreedereien hatten sich im Januar zu einer strategischen Allianz zusammengeschlossen und verkündet, zwar war „mehr Fracht nach Deutschland zu bringen“, ihren Containerumschlag in Zukunft aber stärker über Wilhelmshaven und Bremerhaven abzuwickeln, wo sie wiederum über eigene Terminals verfügen. „Auf Hamburg wird etwa zehn Prozent weniger Ladung entfallen“, so Hapag-Lloyd-CEO Rolf Habben Jansen.
Auch darüber verliert das neue Senatspapier kein einziges Wort. Die Drucksache betont nur die Selbstverständlichkeit, dass „unverändert allen Reedereien ein diskriminierungsfreier Zugang zu den Terminals und dem Hinterlandverkehr ermöglicht“ wird, setzt sich aber mit dem Rückzug der MSC-Konkurrenten aus Hamburg nicht auseinander.
Belegschaft mit MSC-Einstieg nicht einverstanden
Die zweite Baustelle: Gegen den geplanten Deal gibt es weiterhin erhebliche Widerstände der Belegschaft und der Gewerkschaft Verdi. Aus Protest waren HHLA-Beschäftigte sogar in einen wilden Streik getreten. Sie fürchten trotz gegenteiliger Zusagen um ihre Arbeitsplätze und die Mitbestimmung. Der Senat betont nun, gravierende Änderungen für die Hafenarbeiter:innen seien erst 2029 möglich.
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Doch die könnten weitreichend sein: 2029 läuft der Schutz vor betriebsbedingten Kündigungen aus. Personaleinsparungen wären dann möglich, ebenso auch die Verlagerung von HHLA-Tätigkeiten an externe Dienstleister. Auch der Austritt aus den Arbeitgeberverbänden kommt nach Ablauf der fünf Jahre infrage und damit der Ausstieg aus dem Hafentarif. Veränderungen, die allerdings im HHLA-Aufsichtsrat beschlossen werden müssten, betont nun der Senat. Und dort haben die Arbeitnehmervertreter:innen weiterhin die Hälfte der Sitze.
Auffällig ist, dass auch das neue Senatspapier keine Garantien über 2029 hinaus gibt. Am 28. Februar wird nun Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) mit einer Regierungserklärung für die HHLA-Teilübernahme werben. Ob er dann auch konkrete Antworten auf die vielen offenen Fragen ins Rathaus mitbringt – man darf gespannt sein.