„Ich trete wieder ein“: Wagenknecht ist weg – und die Linke erlebt einen Ansturm
Seit Sahra Wagenknecht und ihre Anhänger die Linkspartei verlassen haben, verzeichnet die Partei zahlreiche Neu- oder Wiedereintritte. Eine, die wieder dabei ist, ist Cornelia Templin aus der Sternschanze. Die 61-Jährige war vor zwei Jahren explizit wegen Wagenknecht ausgetreten und hätte fast ihr Mandat in der Bezirksversammlung Altona aufgegeben. Mit der MOPO hat Templin darüber gesprochen, warum sie die ehemalige Linken-Ikone unerträglich findet, sie gar eine „Aufmerksamkeitshure“ nennt – und welche Hoffnungen sie nach deren Abgang hat.
Seit Sahra Wagenknecht und ihre Anhänger die Linkspartei verlassen haben, verzeichnet die Partei zahlreiche Neu- oder Wiedereintritte. Eine, die wieder dabei ist, ist Cornelia Templin aus der Sternschanze. Die 61-Jährige war vor zwei Jahren explizit wegen Wagenknecht ausgetreten und hätte fast ihr Mandat in der Bezirksversammlung Altona aufgegeben. Mit der MOPO hat Templin darüber gesprochen, warum sie die ehemalige Linken-Ikone unerträglich findet, sie gar eine „Aufmerksamkeitshure“ nennt – und welche Hoffnungen sie nach deren Abgang hat.
Bei der Linkspartei läuft der Wagenknecht-Exodus: knapp 200 Austritte hat die Bundespartei in der vergangenen Woche registriert, in Hamburg waren es Stand Freitagmittag 22. Aber: Gleichzeitig findet auch eine Eintrittswelle statt – weil Wagenknecht weg ist. 330 Eintritte waren es im Bund, 16 in Hamburg. Hinter jeder dieser Zahlen steckt eine persönliche Geschichte. So wie die von Cornelia Templin.
Eine Krankenschwester aus der Schanze in der Linken
Das erste Mal trat die Hamburgerin 2017 in die Linke ein: „Ich wohne schon lange in der Schanze und wir alle haben sehr unter G20 gelitten“, erzählt sie. Dann habe sie sich gedacht, es reiche nicht immer nur dagegen zu sein und zu meckern. „Ich wollte etwas tun.“
Der Anfang ist nicht leicht. Die Sprache in den politischen Debatten ist der gelernten Krankenschwester neu. „Ich habe einfach so geredet, wie mir der Schnabel gewachsen ist“, sagt Templin. Genau das kommt offensichtlich an. 2018 fragt die Linke in Altona, ob sie für die kommende Bezirkswahl 2019 kandidieren möchte.
Sahra Wagenknecht spaltet die Linken-Gemüter
Für Templin läuft es gut, doch zeitgleich geht ein Ruck durch die Bundeslinke. Sahra Wagenknecht, damals Linken-Co-Fraktionschefin, gründet ihre linke Sammlungsbewegung „Aufstehen“. Diese Aufspaltung macht sich auch in den Ortsverbänden bemerkbar. „Es gab immer zwei Fronten – die Befürworter und die Gegner“, sagt Templin. „Mich hat das extrem genervt.“

Als Wagenknecht im Jahr der Bundestagswahl 2021 ihr Buch „Die Selbstgerechten“ herausbringt, ist für Templin endgültig Schluss: „Ich habe es mir durchgelesen und gedacht: Ich kann mich nicht hier in der Schanze an einen Infostand stellen und für die Linke Werbung machen, solange diese Frau da ist“, sagt sie.
Templin ärgern vor allem Wagenknechts Aussagen zur Migration. In ihrem Buch spricht sie davon, dass die politische Aufmerksamkeit auf „immer skurrilere Minderheiten“ gelenkt werde, die ihre Identität in einer „Marotte“ finden würden, durch die sie sich von der Mehrheitsgesellschaft unterscheiden und „aus der sie den Anspruch ableiten, ein Opfer zu sein“. Als Beispiele für die „Marotte“ nennt sie unter anderem sexuelle Orientierung, Hautfarbe und Ethnie.
Austritt aus der Linken und Rückkehr
„Sie versucht, Gruppen gegeneinander auszuspielen. Das konnte ich nicht vertreten, schon weil es mich alles persönlich betrifft“, sagt Templin. Ihr inzwischen verstorbener Mann hatte einen Migrationshintergrund und so haben ihn auch ihre beiden Kinder. „Wagenknecht war damals für manche eine Linken-Ikone und inszenierte sich gern im Fernsehen. Für mich ist sie eine Aufmerksamkeitshure“, sagt Templin. Im Sommer 2021 tritt Templin aus der Linken aus.
Da ist sie aber schon in die Bezirksversammlung Altona gewählt worden und sitzt in insgesamt drei Ausschüssen. „Ich habe angeboten, mein Mandat abzugeben. Eine andere Partei kam für mich aber nie in Frage, obwohl es Angebote gab“, sagt sie. In Rücksprache mit der Fraktion bleibt sie schließlich als parteilose Abgeordnete dabei. Templin kann so weiter ihr Herzensthema verfolgen: Den Kampf gegen eine Gentrifizierung der Schanze. Als Wagenknecht und ihre Anhänger vor rund einer Woche aus der Partei austreten, ist die Rückkehr für sie logisch.
Templin: „Es kommen schwere Zeiten“
Die Stimmung werde nicht sofort besser, sagt Templin, weil die beiden Lager noch immer vorhanden seien, aber es gebe einen „Ruck“. Mit der Abwanderung einiger Mitglieder zur neuen Partei hofft sie, dass sich die übrige Linke wieder zusammenfindet. Auf die nächste Bürgerschaftswahl 2025 blickt sie daher optimistisch: „Was Hamburg angeht, ist die Linke nicht so gefährdet. Ich glaube schon, dass wir noch einmal in die Bürgerschaft einziehen“, sagt sie. Ob der Linken aber im Bund schwerere Zeiten bevorstehen? „Wenn man schwere Zeiten definiert als: Ihr kommt nicht über die fünf Prozent. Dann kommen schwere Zeiten.“
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Erstmal stehen aber im nächsten Jahr die Bezirkswahlen an. „Ich will jetzt wieder Wahlkampf und Infostände machen“, sagt die 61-Jährige. „Wir müssen rausgehen und mit den Leuten reden.“ Damit hofft sie noch mehr Neue für die Partei zu gewinnen. Sie selbst will aus beruflichen Gründen jedoch nicht mehr kandidieren.