Fantasie-Mieten trotz Rekord-Neubauzahlen – so ist der Wahnsinn noch zu stoppen
Mitte der Woche gab es mal wieder schlechte Kunde für alle Mieter:innen. In Hamburg, so eine Studie von Angebotsmieten, die das Immobilienportal „Immowelt“ erstellt hat, werden bundesweit die vierthöchsten Mieten verlangt – 11,70 Euro/Quadratmeter kalt im Schnitt. Nur München (18 Euro), Frankfurt und Stuttgart (jeweils 13,60 Euro) liegen noch höher. Doch dort verdienen die Menschen aber mehr als in Hamburg.
Die Vergleichsstudie reiht sich in eine Reihe schlechter Nachrichten ein, mit denen sich Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) derzeit herumschlagen muss. Die Wohnungspolitik des Senats, die vor allem aus Bauen, Bauen, Bauen besteht, ist damit zumindest in Teilen gescheitert. Der Wohnungsmarkt ist leergefegt, bezahlbare Wohnungen für Durchschnittsverdiener:innen gibt es trotz Baubooms kaum. Was also muss die Stadt tun, um endlich für Entspannung zu sorgen?
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Hamburg baut und baut und baut. Doch trotz Rekord-Neubauzahlen im Wohnungsbau explodieren die Mieten. Das zeigt: Wohnungsbau allein ist keine erfolgreiche Strategie gegen die Wohnungsnot, schreibt Marco Carini in seiner MOPO-Kolumne.
Mitte der Woche gab es mal wieder schlechte Kunde für alle Mieter:innen. In Hamburg, so eine Studie von Angebotsmieten, die das Immobilienportal „Immowelt“ erstellt hat, werden bundesweit die vierthöchsten Mieten verlangt – 11,70 Euro/Quadratmeter kalt im Schnitt. Nur München (18 Euro), Frankfurt und Stuttgart (jeweils 13,60 Euro) liegen noch höher. Doch dort verdienen die Menschen aber mehr als in Hamburg. Die „Kaufkraft hält mit Mieten nicht Schritt“, betitelte das Portal seine Untersuchung und erwähnte ganz nebenbei, dass in Hamburg die Mieten um 48 Prozent über dem Bundesschnitt – der 7,90 Euro beträgt – liegen.
Die Vergleichsstudie reiht sich in eine Reihe schlechter Nachrichten ein, mit denen sich Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) derzeit herumschlagen muss. Erst vor zwei Wochen musste die Politikerin kleinlaut zugeben, dass Hamburg im vorigen Jahr seine Neubau-Ziele beim sozialen Wohnungsbau krachend verfehlt hat. Die Zahl der fertig gestellten Sozialwohnungen hat sich fast halbiert: von 3472 im Jahr 2020 auf 1895 im Jahr 2021. Da Sozialwohnungen, die in der „Immowelt“-Studie gar nicht erfasst werden, sehr preisdämpfend auf den Mietmarkt wirken, ist diese Tendenz eine Katastrophe.
Hamburg: Mieten stiegen um durchschnittlich 7,3 Prozent
Kurz vor Weihnachten hatte Stapelfeldt bereits den neuen Mietenspiegel zur Kenntnis nehmen müssen, der eine Rekordanstieg der Mieten um durchschnittlich 7,3 Prozent ausweist. Als Folge flattern in diesen Tagen nun bei zehntausend Hamburger Haushalten Mieterhöhungsbegehren in die Briefkästen – die nächste Runde im Mietmonopoly ist voll im Gange.
Die Wohnungspolitik des Senats, die vor allem aus Bauen, Bauen, Bauen besteht, ist damit zumindest in Teilen gescheitert. Der Wohnungsmarkt ist leergefegt, bezahlbare Wohnungen für Durchschnittsverdiener:innen gibt es trotz Baubooms kaum. Denn der kann allenfalls ausgleichen, was das wachsende Hamburg an Bevölkerungswachstum verkraftet. Zudem geht der Bauboom-Strategie die Luft aus. Die meisten innerstädtischen Baulücken wurden bereits geschlossen, überall nachverdichtet. Auch warnt der Klimabeirat der Umweltbehörde davor, dass der Zubau von 10.000 Wohnungen pro Jahr die Umwelt durch zunehmende Flächen-Versiegelung und immer mehr Beton statt Grün ernsthaft ruiniert.
Damit zeigen sich nun die Grenzen dieser einseitigen Wachstumsstrategie: Obwohl das Neubauziel von 10.000 Wohnungen 2021 erneut erreicht wurde, explodieren derzeit die Mieten. Im Rathaus herrscht Ratlosigkeit. Die SPD verweist darauf, dass in den von ihr geführten Senaten außer Bauen einiges geschah, dem Mietwucher Herr zu werden: Eine Preisbremse bei Neuvermietungen, eine Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen und auch Erhaltungssatzungen für viele Stadtteile, die dort Luxusmodernisierungen und die Umwandlung in Eigentum ausbremsen. Doch all das reicht nun bei weitem nicht mehr aus.
Grüne wollen an Ausfahrtstraßen gern höher bauen
Die Grünen wollen gerne höher und mehr an den Ausfahrtsstraßen, den großen Magistralen bauen, um das Wohnbauprogramm zu erfüllen, ohne allzu viel Grün zu zerstören. Die Linke fordert gebetsmühlenartig, den Anteil der Sozialwohnungen am Neubau – der gerade in den Keller gegangen ist – kräftig zu erhöhen, um so mehr Wohnraum für Menschen mit geringem Einkommen zu schaffen. Doch betroffen von Wohnungsmangel und Mondmieten sind vor allem auch Personen, die etwas zu viel verdienen, um an eine geförderte Wohnung ranzukommen und zu wenig, um auf dem freien Wohnungsmarkt eine Chance zu haben. Auch der von den Linken geforderte Mietendeckel hat sich bislang nicht als Allheilmittel erwiesen: Er ist rechtlich umstritten und steht nicht ganz unbegründet in Verdacht, die Baukonjunktur zu lähmen.
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Neue Lösungen müssen her, die den Neubau und die Mietpreisbremsen ergänzen. So könnte der Staat etwa umzugswilligen Menschen, die sich verkleinern wollen, einen Bonus zahlen. Denn die hohen Mieten führen zu Stillstand auf dem Wohnungsmarkt. Wer eine zu große Wohnung bewohnt, zieht nicht um, weil eine kleinere, neu anzumietende Wohnung eher noch teurer ist.
Wohnungstausch muss erleichtert werden
Das Konzept aber muss lauten: Wer weniger Raum benötigt, tauscht mit Menschen, die mehr Fläche brauchen. Die Mietpartei, die eine größere Wohnung verlässt, bekommt den Umzug bezahlt, Mietzuschüsse könnte dafür sorgen, dass der Quadratmeterpreis der neuen Wohnung nicht höher liegt als bei der alten. Ein erster, kleiner Schritt in diese Richtung ist getan. Die SAGA, Besitzerin der meisten Hamburger Sozialwohnungen, bietet ihren Mieter:innen bereits eine Tauschbörse Groß gegen Klein an. Die aber muss es auch auf dem freien Wohnungsmarkt geben.
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Ein anderer Weg aus der Krise wäre die konsequente Umwandlung leerstehender Bürogebäude, die in Zeiten zunehmenden Homeoffices nicht mehr gebraucht werden, in Wohnraum. Das ist viel billiger und flächensparender als Neubau. Ideen gibt es also viele: Sie müssen nur umgesetzt werden.