Hamburgs Umweltsenator – gar nicht mal so klimaneutral
Es war FDP-Finanzminister Christian Lindner, ausgerechnet Lindner, der vor einiger Zeit verkündete, er lebe „privat vollkommen klimaneutral“, indem er zur Kompensation seines persönlichen CO2-Ausstoßes privat Ausgleichszertifikate kaufe. Sagte es und stieg in seinen Porsche. Doch es lindnert auch in Hamburg: Denn Umweltsenator Jens Kerstan kompensiert sich nach eigenen Berechnungen ebenfalls komplett selber. Und doch handelt es sich bei dem Grünen nur um ein halbes Klimaneutrum.
Es war FDP-Finanzminister Christian Lindner, ausgerechnet Lindner, der vor einiger Zeit verkündete, er lebe „privat vollkommen klimaneutral“, indem er zur Kompensation seines persönlichen CO2-Ausstoßes privat Ausgleichszertifikate kaufe. Sagte es und stieg in seinen Porsche. Doch es lindnert auch in Hamburg: Denn Umweltsenator Jens Kerstan kompensiert sich nach eigenen Berechnungen ebenfalls komplett selber. Und doch handelt es sich bei dem Grünen nur um ein halbes Klimaneutrum.
Nun verzichtet der Grünen-Politiker wie Lindner nicht auf die Annehmlichkeiten des Lebens. Im Gegenteil: Seine Familie besitzt eine Finca auf Mallorca. Da jettet der gestresste Senator öfters mal hin. Um den ihm zurechenbaren CO2-Ausstoß zu kompensieren, also wettzumachen, zahlt Kerstan immer, bevor er in den Flieger steigt, ein paar Euro bei Atmosfair ein. Die fördern Projekte, die den CO2-Ausstoß verringern und rechnen aus, wieviel CO2-Ausstoß Kerstan pro Flug genau zuzurechnen ist und welchen finanziellen Anteil so ein fliegender Senator an so einem Projekt genau zahlen muss.
Kompensationsprojekte können durch aus Sinn machen – bei unvermeidbaren Emissionen
Auch wenn gerade Atmosfair über einen untadeligen Ruf verfügt, bedeutet manch Kompensationsprojekt, dass ärmere Regionen – deren CO2-Fußabdruck ohnehin weit unter dem Durchschnitt liegt – ihre Treibhausgase weiter reduzieren sollen, damit die Bürger:innen reicherer Staaten dann weiter mit gutem Gewissen fliegen. Verstehen wir uns aber nicht falsch: Bei unvermeidbaren Emissionen – wozu der Senator seine Trips nach Malle wohl auch zählt – können vernünftige Kompensationsprojekte durchaus Sinn machen.

Doch Kerstan fliegt ja nicht nur, er lebt ja auch noch nebenbei. Und als Senator nicht schlecht, so mit Chauffeur und allem Drum und Dran. Der Senator will dabei allerdings nicht auf großem Fuße leben. Er ist ständig bestrebt, seinen Klima-Fußabtruck zu verkleinern. Unweigerlich fühlt man sich bei ihm an eine angestaubte Textzeile der Liedermacherin Bettina Wegner erinnert: „Sind so kleine Füße …“.
Jens, das (halbe) Klimaneutrum
Um seinen CO2-Verbrauch auszugleichen, erwarb Jens Kerstan unlängst für knapp 7500 Euro ein Landstück in – „Ach wie schön ist Panama“ – auf dem ein wenig Regenwald aufgeforstet werden soll, der so viel CO2 binden soll, wie der Senator verbraucht. Ein Mensch als Emissions-Nullsummenspiel, oder schlichter: Jens Kerstan, das Klimaneutrum.
Mit dem Kauf der 2500 Quadratmeter lassen sich rund fünf Tonnen CO2 pro Jahr ausgleichen, behauptet Kerstan – was allerdings nur etwa die Hälfte dessen ist, was so dem oder der Durchschnittsdeutschen an Emissionen zuzurechnen ist. Wir haben es also nur mit einem halb kompensierten Kerstan zu tun, dessen Aussage: „Ich kompensiere mit diesem Kauf den von mir verursachten CO2-Ausstoß“, doch lieber durch ein „teilweise“ ergänzt werden sollte.
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Seien wir bitte nicht kleinlich. Bei aller Rechenschwäche: Der gute Wille zählt. Wobei durch manche Waldschutzprojekte Menschen in den Entwicklungsländern an ihrer traditionellen Landnutzung gehindert und oft sogar vertrieben werden. Da macht das böse Wort vom Klimakolonialismus bereits die Runde. Aber gehen wir zugunsten von Kerstan mal davon aus, dass das bei seinem Panama-Projekt ganz anders ist und sogar Arbeitsplätze geschaffen werden, wie der Senator behauptet.
Doch warum in die Ferne schweifen? Das alles könnte unser Klima-Kerstan so viel einfacher haben: Als Umweltsenator ist er für die „Straßenbäume“ der Stadt zuständig, deren Zahl sich seit seinem Amtsbeginn 2015 um immerhin 3784 Exemplare verringerte. So viele passen selbst in Panama nicht auf ein viertel Hektar Land. Rein baummäßig betrachtet ist die Klimabilanz von Kerstan dann doch eher negativ. Aber man sollte berufliches und privates auch mal voneinander trennen können.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes stand geschrieben, Jens Kerstan sei nach einer Veranstaltung mit seinem Parteikollegen Robert Habeck nicht direkt in seinen Dienstwagen gestiegen, sondern zu Fuß aufgebrochen, um vor den anwesenden Journalisten einen „ökologischen Abgang“ zu suggerieren. Er habe sich dann ein paar Meter weiter und außer Sichtweite von seinem Fahrer einsammeln lassen. Für dieses Gerücht gibt es keine Belege und der Umweltsenator widerspricht der Darstellung. Wir haben die entsprechende Passage aus dem Artikel entfernt.