Hamburgs FDP und ihre Lust an der Selbstdemontage
MOPO-Kolumnist Marco Carini schreibt in dieser Woche über das Hickhack in der FDP und erklärt, warum das innerparteiliche Hauen und Stechen so schnell kein Ende finden wird.
Seit fast zwei Wochen scheint in der Hamburger FDP die Lust an der genüsslichen öffentlichen Selbstdemontage zu regieren – ohne Rücksicht auf Verluste. Vorwürfe, Beleidigungen, Partei-Ausschlussdrohungen, vergiftete Friedensangebote bestimmen die Szenerie.
FDP in Hamburg: Jungen Liberalen drohte der Rauswurf
MOPO-Kolumnist Marco Carini schreibt in dieser Woche über das Hickhack in der FDP und erklärt, warum das innerparteiliche Hauen und Stechen so schnell kein Ende finden wird.
Seit fast zwei Wochen scheint in der Hamburger FDP die Lust an der genüsslichen öffentlichen Selbstdemontage zu regieren – ohne Rücksicht auf Verluste. Vorwürfe, Beleidigungen, Partei-Ausschlussdrohungen, vergiftete Friedensangebote bestimmen die Szenerie.
FDP in Hamburg: Jungen Liberalen drohte der Rauswurf
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Vier Jungliberale fahren Attacke gegen Parteichef Michael Kruse, der Landesvorstand der FDP entzieht den vier Dissident:Innen ihre Mitgliederrechte, droht mit dem Rauswurf aus der Partei, zieht dann aber zurück, um die Hamburger FDP nicht komplett zu schrotten. Zu Ende aber ist das liberale Kasperletheater damit noch lange nicht. Denn in Wahrheit geht es um Posten und Positionen und um die innerparteiliche Machtbalance. Die hat sich in Hamburgs FDP den vergangenen Jahren gewaltig verschoben.
Schon seit langem ist die Hamburger FDP ein flügelschlagendes Parteimonster, geprägt von schweren inneren oft sehr persönlich ausgetragenen Kontroversen. Der Wahlerfolg, den die Partei mit ihrem Aushängeschild Katja Suding über Jahre hatte, konnte die Gräben notdürftig zuschütten. Doch seit Suding sich aus der Politik zurückgezogen hat, herrscht wieder Knatsch – erst hinter den Kulissen, nun auf offener Bühne.

Erst zeigte sich der heutige Landeschef und Wirtschaftsliberale Michael Kruse beleidigt, dass er bei der Spitzenkandidatur zur Bürgerschaftswahl Anna von Treuenfels-Frowein den Vortritt lassen musste. Doch als der Stern von Treuenfels nach der verlorenen Wahl sank, verhinderte der gerade frischgekürte Spitzenkandidat Kruse, dass auch Treuenfels einen erfolgversprechenden FDP-Listenplatz für die Bundestagswahl bekam – die wurden mit Kruses Gefolgsleuten Ria Schröder und Andreas Mohring besetzt. Auch der damalige Chef der Jungen Liberalen (JuLis), Carl Cevin-Key Coste (25), der gegen Kruse um Listenplatz 1 kandidierte und als enger Buddy von Treuenfels gilt, ging leer aus.
Die FDP in Hamburg ist nachhaltig zerstritten
Zwei Monate später verübte Kruse das nächste Revanchefoul an Treuenfels, sorgte mit dafür, dass die damals einzige FDP-Bürgerschaftsabgeordnete aus dem Präsidium des FDP-Landesvorstandes flog, der mittlerweile mehrheitlich von Kruse-Anhänger:innen besetzt war. Kruse und Konsorten marschierten durch, bei den Verlierer:innen des innerparteilichen Kampfs um Posten und Einfluss blieb die Erkenntnis zurück, im FDP-Machtgefüge keine Rolle mehr zu spielen.
Seitdem warten die Zukurzgekommenen auf die Gelegenheit, Kruse, der inzwischen über eine solide innerparteiliche Machtbasis verfügt, zu demontieren. Die bot sich Ende März, als der er mit seiner Klageankündigung gegen die Corona-Einschränkungen in die Offensive ging. Coste nahm sich Kruse zur Brust, drei Nachwuchspolitiker:innen aus der JuLi-Führungsspitze attestierten, Treuenfels hielt sich vornehm im Hintergrund.
Dahinter steckt das Kalkül, die Machtverhältnisse für die 2023 anstehende Wahl des FDP-Landesvorstands, der maßgeblich Einfluss auf die Kandidat:innenliste für die Bürgerschaftswahl nimmt, noch einmal zugunsten der Kruse-Kritiker:innen zu verändern. Gerade weil es in der kleinen FDP wenig Posten und Mandate zu verteilen sind, wird um diese mit besonders harten Bandagen gekämpft – mit der Gefahr zu überziehen.
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Als JuLi-Vize Nils Knoben (23), nach eigenem Bekunden „wissenschaftlicher Mitarbeiter und persönlicher Referent von Anna von Treuenfels-Frowein“, verbal entgleiste und Kruse „Gleichschaltung“ und „politische Säuberung“ – zwei Begriffe aus Nazi-Deutschland – vorwarf, wandte sich die Stimmung in der Partei abrupt gegen die Kruse-Kritiker:innen. Die haben immer weniger Unterstützung, auch innerhalb der von ihnen geführten Jungliberalen, die im Moment nahezu führungslos sind. Fünf Mitglieder – und damit die Mehrheit – des JuLi-Landesvorstands traten am 11. April von ihren Posten zurück und distanzierten sich ausdrücklich von den Äußerungen Knobens und dem Vorgehen der anderen Kruse-Kritiker:innen aus dem verbliebenen JuLi-Restvorstand.
Zuvor hatten sie ergebnislos Knoben zum Rücktritt aus dem JuLi-Vorstand und Coste zum Rückzug aus dem FDP-Vorstand aufgefordert. Und auch die Wandsbeker JuLis formulierten einen Brandbrief gegen Coste und Co, in dem sie deren Machenschaften verurteilten.
So hat die Attacke gegen Kruse, Coste und Co. innerparteilich komplett isoliert. Das Ende des Machtkampfs? Klar ist: Die zerstrittene Hamburger FDP war immer dann auf Erfolgskurs, wenn die politische Macht zwischen ihren Flügeln ausbalanciert war, sie von einer charismatischen Führungsfigur repräsentiert wurde und Wahlerfolge den Zwist verdeckten. All das ist derzeit nicht der Fall. So wird das wilde Hauen und Stechen bei den Liberalen vielleicht bald eine Pause nehmen aber sicher so schnell kein Ende finden.