„War unsensibel“: Hamburgs Abgeordnete über die Bundestags-Blamage
Nach der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Bundestag waren die Abgeordneten am Donnerstag einfach zur Tagesordnung übergegangen. Die MOPO hat am Tag danach mit Hamburger Bundestagsabgeordneten über die Blamage gesprochen. Sie üben deutliche Kritik.
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Nach der Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj im Bundestag waren die Abgeordneten am Donnerstag einfach zur Tagesordnung übergegangen. Die MOPO hat am Tag danach mit Hamburger Bundestagsabgeordneten der Regierungsfraktionen über die Blamage gesprochen.
„Ich finde, man hätte nach der Rede von Herrn Selenskyj eine Pause machen müssen, um die Rede wirken zu lassen. Was passiert ist, war unsensibel“, sagte der Hamburger SPD-Abgeordnete Falko Droßmann am Freitag.
Nach Rede von Selenskyj: Bundestag im Tagesgeschäft
Selenskyj hatte eine eindringliche Rede gehalten, deutlich Kritik an der Bundesregierung geübt und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) direkt angesprochen. Nur wenige Minuten später herrschte im Bundestag wieder Regelbetrieb. Abgeordnete erhielten Geburtstagsgrüße, im Anschluss sollte über die Impfpflicht debattiert werden.
Ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion, die Tagesordnung um eine Debatte über die Ukraine-Krise zu erweitern, wurde von der Ampel-Fraktion abgelehnt. „Wann, wenn nicht jetzt, müssten wir im Bundestag eine Zwischenbilanz ziehen und die Frage stellen, wo wir stehen?“, sagte Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) dazu.
„Das muss der Bundestag nächstes Mal besser machen“
„Eine Debatte hätte ich mir aber nicht an dieser Stelle gewünscht“, sagte Droßmann zur MOPO . Die Rede habe für sich wirken sollen. Einzelne Parteien hätten sich nicht „auf Kosten von Herrn Selenskyj profilieren“ sollen. Droßmann zeigte sich „sehr enttäuscht“ über Merz, der eine Geschäftsordnungsdebatte daraus gemacht habe.
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Auch SPD-Parteikollegin Dorothee Martin sagte, die besonderen Umstände, unter denen Selenskyj zu den Abgeordneten gesprochen habe, hätten „zumindest eine Unterbrechung der Sitzung verdient gehabt.“ Der reguläre Übergang zur Tagesordnung sei ebenso wie der von der „CDU/CSU-Fraktion angezettelte Streit“ nicht angemessen gewesen. „Das muss der Bundestag nächstes Mal besser machen.“
Das sagen Hamburgs Grünen-Abgeordnete im Bundestag
Hamburgs Grünen-Abgeordnete im Bundestag schließen sich überwiegend ihrer Fraktionschefin Britta Hasselmann an. Sie hatte noch am Donnerstag erklärt: „Wir alle sollten den heutigen Tag selbstkritisch bewerten und dafür Sorge tragen, dass sich ein solcher Vorgang nicht wiederholt.“
„Zu einer Abstimmung zu dem Zeitpunkt hätte es nicht kommen dürfen“, sagte Till Steffen der MOPO. Grünen-Kollegin Katharina Beck betont, dass die Tagesordnung vorher wie üblich mit den Fraktionen abgestimmt worden sei und auch die CDU/CSU dem zugestimmt habe. „Ich finde es sehr schwierig, dass dann kurzfristig mit dieser unwürdigen Geschäftsordnungsdebatte von der extrem wichtigen Rede von Herrn Selenskyj abgelenkt worden ist“, so Beck.
FDP hätte sich Worte von Scholz gewünscht
Der Hamburger FDP-Abgeordnete Michael Kruse hatte seine Missbilligung noch im Bundestag geäußert: „Eine gewisse Sprachlosigkeit nach der Videobotschaft macht mich sprachlos und ich bedauere es, dass wir es im Parlament angesichts dieser historischen Rede nicht geschafft haben, unsere Unterstützung in Worte zu fassen.“
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An der Abstimmung zur Geschäftsordnung habe er nicht teilgenommen, sagte er der MOPO. Kruse und Parteikollegin Ria Schröder hätten sich gewünscht, dass der Bundeskanzler nach Selenskyjs Rede das Wort ergriffen hätte. „Ich hatte das Gefühl, da fehlte etwas“, so Schröder. „Entscheidend ist aber jetzt die Frage, wie wir die Ukraine weiterhin bestmöglich unterstützen können.“