Tschentschers Hotspot-Problem: Mit diesen Zahlen begründet Rot-Grün das Corona-Paket
Hamburg soll in der Bürgerschaft am Mittwoch trotz einer vergleichsweise niedrigen Inzidenz zum Corona-Hotspot erklärt werden. Das sorgt für Unmut: FDP und AfD haben bereits Klagen angekündigt. Die MOPO erklärt, was Rot-Grün plant, wie sie den Plan begründen und welche Hürden es gibt.
„Die Kapazitäten, die wir brauchen, müssen wir sichern“, sagte Senatssprecher Marcel Schweitzer am Dienstag. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt um zu handeln.“ Ohne die Basisschutzmaßnahmen sei damit zu rechnen, dass sich die Infektionsdynamik weiter verstärke.
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Hamburg soll in der Bürgerschaft am Mittwoch trotz einer vergleichsweise niedrigen Inzidenz zum Corona-Hotspot erklärt werden. Das sorgt für Unmut: FDP und AfD haben bereits Klagen angekündigt. Die MOPO erklärt, was Rot-Grün plant, wie sie den Plan begründen und welche Hürden es gibt.
„Die Kapazitäten, die wir brauchen, müssen wir sichern“, sagte Senatssprecher Marcel Schweitzer am Dienstag. „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt um zu handeln.“ Ohne die Basisschutzmaßnahmen sei damit zu rechnen, dass sich die Infektionsdynamik weiter verstärke.
Hamburg: Rot-Grün will Corona-Maßnahmen verlängern
Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern sind bislang die einzigen beiden Bundesländer, die ihre Schutzmaßnahmen über den 2. April hinaus beibehalten wollen. Das Infektionsschutzgesetz sieht vor, dass sich die Landesparlamente bei einem „dynamischen Infektionsgeschehen“ für Hotspot-Maßnahmen entscheiden können.
Dass die Hamburgische Bürgerschaft am Mittwoch den entsprechenden Antrag von Rot-Grün beschließt, gilt als sicher. Die bisherige Maskenpflicht und die 2G-Plus-Regel in Clubs würden dann in Hamburg noch bis Ende April gelten.
Corona-Schutz: Diese Kriterien sollen erfüllt sein
Heftige Debatten gibt es weiterhin um die Begründung für diesen Schritt. Denn das Gesetz gibt weder einen genauen Schwellenwert noch andere Kriterien für die Hotspots vor.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) formulierte am Montag vier Kriterien, die den Ländern bei ihrer Entscheidung helfen sollen – wobei nicht alle gleichzeitig gelten müssen:
- Gefährdete Notfallversorgung in Kliniken
- Absagen von planbaren Ereignissen wie Operationen
- Patienten müssen verlegt werden
- Unterschreitung von Pflegeuntergrenzen
Omikron ist eine „neue Dimension“
Was trifft davon auf Hamburg zu? „Für die aktuelle Gefahrenprognose ist insbesondere die erhebliche Zunahme der Anzahl COVID-19-Patienten auf Normalstationen bedeutsam“, heißt es in dem Antrag von Rot-Grün. Seit Anfang März habe diese Zahl um rund 90 Prozent zugenommen.
Die Omikron-Variante habe eine neue Dimension in das Pandemiegeschehen gebracht, weil sie zum einen ansteckender sei und sich zum anderen auch mehr Geimpfte und Genesene ansteckten.
Mehr Personalausfälle in Kliniken
Ein weiterer Faktor sei die Beeinträchtigung der Kapazitäten in den Kliniken aufgrund von Personalausfällen. Die Zahl der Beschäftigten, die wegen einer Isolation nicht arbeiten konnten, habe laut einer aktuellen Datenabfrage bei den Gesundheitsämtern am 27. Februar noch bei 544 Personen gelegen und am 22. März bereits bei 1194 Personen. In 12 Hamburger Kliniken gebe es aktuell Ausbruchsgeschehen.
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„Es besteht die konkrete Gefahr, dass bei einer weiteren Zunahme der Anzahl infizierter Mitarbeitender in den Krankenhäusern in Hamburg ein medizinischer Versorgungsengpass auftritt, der nicht mehr kompensiert werden kann“, heißt es im Antrag.
So ist die Lage am UKE
Eine MOPO-Anfrage beim UKE ergab, dass sich dort 350 von 14.100 Mitarbeitenden in Isolation befinden. „Es müssen zum Teil geplante und nicht dringliche Operationen verschoben und Betten gesperrt werden“, sagte eine Sprecherin. Die Notfallversorgung sei jedoch nicht akut gefährdet.
80 Covid-19-Patient:innen befinden sich in stationärer Behandlung im UKE, davon 12 auf der Intensivstation. Etwa 70 Prozent dieser Patient:innen werden nicht wegen einer Corona-Erkrankung, sondern mit einer Corona-Infektion behandelt. Der Personalaufwand sei allerdings identisch, da alle SARS-CoV-2-infizierten Patient:innen in Schutzkleidung versorgt werden müssen.
FDP und AfD wollen in Hamburg Klagen einreichen
Insgesamt befinden sich in Hamburg aktuell 464 Corona-Patient:innen auf einer Normalstation und 41 auf einer Intensivstation. Die Hospitalisierungsrate liegt mit 4,97 zwar unter dem bundesweiten Durchschnitt, steigt jedoch stetig. Von Gesundheitsminister Lauterbach gab es bereits Lob für die Hamburger Begründung.
Die Hamburger Opposition ist geteilter Meinung. Linke und CDU unterstützen den Vorstoß. FDP und AfD haben bereits angekündigt gegen die Entscheidung zu klagen, sollte sie durchgesetzt werden. „Der Senat und die ihn tragenden Fraktionen bleiben eine stichhaltige Begründung über die Notwendigkeit eines Hotspots schuldig“, sagte der FDP-Landeschef Michael Kruse am Dienstag. „Hamburg droht aktuell keine Überlastung des Gesundheitssystems.“
Hamburger Senat hat keine Sorge vor Klagen
Tatsächlich lassen die meisten Bundesländern trotz deutlich brenzligerer Zahlen ihre Maßnahmen fallen. Für Niedersachsen etwa kommt nach Auskunft von Gesundheitsministerin Daniela Behrens (SPD) keine landesweite Hotspot-Regelung infrage, wie sie im NDR erklärte: „Dafür müssten wir eine schwere Gefahr und Überlastung des Gesundheitssystems nachweisen.“
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Der Hamburger Senat macht sich um mögliche Klagen offensichtlich keine Sorgen. „Wenn die Hamburgische Bürgerschaft eine solche Gesetzeslage ausruft, werden wir die Maßnahmen gut begründen und sind zuversichtlich, dass die Gerichte dem auch folgen“, sagte Senatssprecher Schweitzer. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob sich Hamburg zum Vorzeigeland oder zum abschreckenden Beispiel entwickelt.