Hamburg kommt im digitalen Schneckenrennen kaum voran
Bei der Digitalisierung liegt Hamburg bundesweit ganz vorn – und kommt trotzdem kaum voran. Von einer effizienten, digitalisierten Verwaltung kann man hier nur träumen. Eine Kolumne von Rathaus-Insider Marco Carini.
Bei der Digitalisierung liegt Hamburg bundesweit ganz vorn – und kommt trotzdem kaum voran. Von einer effizienten, digitalisierten Verwaltung kann man hier nur träumen. Eine Kolumne von Rathaus-Insider Marco Carini.
Hätten sie‘s gewusst? Bei der Digitalisierung aller Lebensbereiche liegt Hamburg bundesweit auf Platz 1. Gleich vier Mal hintereinander stand Hamburg beim sogenannten „Smart City Index“, der den Stand und den Fortschritt bei der Digitalisierung aller 81 deutschen Großstädte aufweist, auf der Top-Position. Merken tut man davon wenig: Noch immer sind viele Behörden-Dienstleistungen nicht online im Angebot. Doch anderswo sieht es eben noch schlechter aus.
Digitalisierung: Hamburg die Einäugige unter den Blinden
Bei der Digitalisierung ist Hamburg die Einäugige unter den Blinden. Denn Deutschland hat die Digitalisierung verpennt, ist hier im internationalen Vergleich ein Entwicklungsland. Als europäische Digitalisierungsvorreiter gelten Dänemark, Finnland, Österreich oder auch Estland, dessen Digitalisierungsstrategie Bundeskanzler Olaf Scholz unlängst zum Vorbild erklärte für Deutschland.

Bequem alle Behördengänge zu Hause am Computer erledigen – das ist noch immer Zukunftsmusik. „Ziel ist es, dass die Hamburger:innen alle Behördendienstleistungen auf einem Portal finden, sortiert nach Themen und Lebenslagen“, erklärt Wissenschafts-Staatsrat Alexander von Vogel. Doch auf ein Datum mag sich von Vogel nicht festlegen: Zu oft schon wurden entsprechende Zielmarken klar gerissen.
Schon Ende 2022 sollten in Deutschland 580 verschiedene staatliche Verwaltungsdienste den Bürger:innen auch online angeboten werden: Von der Wohnungsanmeldung bis zum Pass-Ersatz. Das Ziel wurde bundesweit wie auch in Hamburg krachend verfehlt. Dass hier mittlerweile rund 170 städtische Leistungen per Internet abgerufen werden können, hievt die Hansestadt im Vergleich der Bundesländer immerhin auf Platz 3 hinter Bayern und Hessen.
Bundesweiter Digitalisierungswettlauf gleicht einem Schneckenrennen
Doch nach wie vor müssen sich die Hamburger:innen für viele Dienstleistungen in die Ämter begeben, um dort Wartenummern zu ziehen, weil „digital“ selbst auch noch in der Warteschleife hängt. Das gilt für Fahrzeugpapiere und Führungszeugnisse, aber auch für Beglaubigungen oder Ledigkeitsbescheinigungen. Die Konsequenz: Noch immer werden in der Verwaltung fast 350 Millionen Seiten Papier pro Jahr bedruckt – in den Behörden rattern 17.380 Drucker im Dauerbetrieb.
Und während bei den skandinavischen Nachbarn der Schulunterricht längst digital geprägt ist, jubelt Schulsenator Ties Rabe (SPD) noch über jeden Laptop, den er in Betrieb nehmen, jede Schiefertafel und jedes Kreidestück, das er außer Dienst stellen kann. Hier fehlt es vor allem an digitalen Lernprogrammen und geschultem Personal. Trotzdem liegt Hamburg im bundesweiten Digitalisierungswettlauf – der stark an ein Schneckenrennen erinnert – ganz vorn, auch wenn der Vorsprung vorm Haupt-Konkurrenten München jährlich schmilzt.
Die Opposition drängt zur Eile
Die rot-grüne Regierungskoalition sonnt sich in diesem hauchzarten Vorsprung. „An vielen Ecken unserer Stadt ist spürbar, dass es mit der Digitalisierung vorangeht, auch weil der Senat das Thema zu einem seiner wichtigsten politischen Ziele erklärt hat“, klopft der SPD-Digitalisierungsexperte Hansjörg Schmidt der Landesregierung kräftig auf die Schulter.
Die Opposition hingegen drängelt zur Eile. „Der Senat muss endlich alle Leistungen, welche elektronisch abgebildet werden können, zeitnah umsetzen“, fordert der CDU-Abgeordnete Sandro Kappe. Er verweist darauf, dass der Senat weit hinter der von ihm selbst 2020 beschlossenen Digitalstrategie hinterherhinke, nach der längst viel mehr Behörden-Dienstleistungen elektronisch erledigt werden sollten.
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Die Linkspartei verweist darauf, dass Hamburg im Smart-City-Index in der Sparte „Digitalisierung der Verwaltung“ auf Platz 11 zurückgefallen ist. Damit liegt die Stadt hinter Metropolen wie Stuttgart, Nürnberg, Köln, aber auch Heilbronn. Ein schlechtes Ergebnis für eine Hochburg „der Medien und der IT“, findet der Linken-Abgeordnete Metin Kaya. Sein Fazit: „Einige Verwaltungsleistungen sind zwar elektronisch verfügbar, allerdings fehlt es an der Aufklärung der Benutzer. Vielfach stehen die Menschen vor den digitalen Angeboten, ohne zu wissen, was sie tun müssen. Auch als erfahrener Informatiker habe ich oft Schwierigkeiten, die Fachausdrücke der Behörden zu verstehen.“
So geht es im Zeitlupen-Tempo voran. Hamburg als „Deutscher Digitalisierungs-Meister“ bleibt von der Champions-League weit entfernt, fällt eher weiter zurück. Wer ein paar Jahre in Amsterdam, Kopenhagen oder Tallinn gelebt hat, kommt sich in der Hansestadt vor wie in der Digital-Steinzeit. Eine effiziente, digitalisierte Verwaltung als kostbarer Standortvorteil für die Hansestadt – 2023 ist das reines Wunschdenken.