Er teilte eine WG mit Andy Grote: Das ist der neue Chef in Hamburg-Mitte
Still ist es an diesem Morgen im zehnten Stock des Hamburger Bezirksamts-Mitte. Viele Mitarbeitende sind im Home-Office. Einer der wenigen, die hinter ihrem Schreibtisch sitzen, ist der neue SPD-Bezirksamtschef Ralf Neubauer. Mit der MOPO hat der 40-Jährige über seine Agenda gesprochen, warum ihm die Veddel mitsamt ihrer Fischgaststätte am Herzen liegt und er in seiner Familie „ein bisschen aus der Art geschlagen“ ist.
Das geräumige Büro wirkt noch etwas kahl. Vor rund drei Wochen hat Neubauer es bezogen. Viel Zeit zum Einrichten bleibt ihm zwischen Aktenstapeln und Kennenlernterminen nicht. Auf einem Schränkchen hinter dem Schreibtisch stehen Geschenke der Parteikollegen zur Ernennung: Ein farbenfrohes Kunstwerk und ein hölzernes Steuerrad für den neuen Kapitän in Mitte. Neubauer ist Nachfolger von Falko Droßmann (SPD), der 2021 in den Bundestag gewählt wurde.
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Still ist es an diesem Morgen im zehnten Stock des Hamburger Bezirksamts-Mitte. Viele Mitarbeitende sind im Home-Office. Einer der wenigen, die hinter ihrem Schreibtisch sitzen, ist der neue SPD-Bezirksamtschef Ralf Neubauer. Mit der MOPO hat der 40-Jährige über seine Agenda gesprochen, warum ihm die Veddel mitsamt ihrer Fischgaststätte am Herzen liegt und er in seiner Familie „ein bisschen aus der Art geschlagen“ ist.
Das geräumige Büro wirkt noch etwas kahl. Vor rund drei Wochen hat Neubauer es bezogen. Viel Zeit zum Einrichten bleibt ihm zwischen Aktenstapeln und Kennenlernterminen nicht. Auf einem Schränkchen hinter dem Schreibtisch stehen Geschenke der Parteikollegen zur Ernennung: Ein farbenfrohes Kunstwerk und ein hölzernes Steuerrad für den neuen Kapitän in Mitte. Neubauer ist Nachfolger von Falko Droßmann (SPD), der 2021 in den Bundestag gewählt wurde.
Neuer Bezirks-Chef in Mitte: „Ich möchte nahbar sein“
„Ich möchte ein nahbarer Bezirksamtsleiter sein. Ich will für alle Akteure, ob Vereine, Institutionen oder Religionsgemeinschaften, ansprechbar sein“, sagt Neubauer. Eine Eigenschaft, die für diesen Posten besonders wichtig ist – Droßmann war darin Profi. Der Bezirk Hamburg-Mitte hat rund 301.000 Einwohner:innen mit vielfältigen sozialen Hintergründen. Ob Billstedt, die HafenCity, St. Pauli oder die Altstadt, all diese Stadtteile liegen jetzt in Neubauers Verantwortung.
Nach der Ernennung habe er einen Übergabetermin gehabt mit Droßmann, erzählt Neubauer. „Und in einzelnen Fällen rufe ich ihn auch mal an, seine Einschätzung ist mir schon wichtig.“ Im Politischen finde er wenig, was er anders machen würde. Die große Linie sei die Gleiche. „Aber wir sind andere Typen“, sagt Neubauer. „Das macht sich in der Herangehensweise ab und an auch bemerkbar.“ Wie das aussieht, wird sich vermutlich erst in den nächsten Monaten zeigen.
Diese Themen stehen auf Neubauers Agenda
Inhaltliche Themen, die Neubauer am Herzen liegen, sind die soziale Infrastruktur und Stadtentwicklung. „Sind die Angebote, die wir in den Stadtteilen haben, noch zeitgemäß? Oder hat sich das Quartier so weiterentwickelt, dass wir dort andere Angebote brauchen?“, erklärt Neubauer. Es könnte ja sein, dass ein Quartier schon drei Jugendeinrichtungen hat und man bräuchte vielleicht mal etwas für Senioren. Doch vor allem sei Corona erstmal zwangsläufig ein Thema, an dem man nicht vorbeikommt. „Das hat Vorrang, egal welche Agenda ich mir setze“, sagt der neue Bezirkschef.
SPD-„Überzeugungstäter“ und WG mit Andy Grote
Ralf Neubauer kommt aus Crailsheim in Baden-Württemberg, einer Stadt mit rund 35.000 Einwohner:innen im Landkreis Schwäbisch-Hall. „Diejenigen in meiner Familie, die sich politisch engagiert haben, waren eher auf der schwarzen Seite unterwegs“, sagt er. Er sei „ein bisschen aus der Art geschlagen“ und mit ein paar Schulfreunden in die SPD eingetreten vor dem Abi. Es war ungefähr die Zeit der Spendenaffäre um Helmut Kohl. „Wer in Baden-Württemberg in die SPD eintritt, der ist wahrscheinlich wirklich Überzeugungstäter“, fügt er an.
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Nach dem Zivildienst in Bremen startet Neubauer dort ins Jura-Studium. Bei einem Praktikum in einer Hamburger Kanzlei lernt er den Anwalt Andy Grote, heute SDP-Innensenator, kennen. So kommt Neubauer zu seiner ersten Wohnung in Hamburg. Als Grote erfährt, dass er in die Hansestadt ziehen will, bietet er ihm ein Zimmer in seiner WG mitten auf dem Kiez an. Neubauer beendet sein Studium in Hamburg und wird Rechtsanwalt.
Finkenwerder ist Neubauers Heimat
Seit 2009 lebt er etwas mehr Abseits des Trubels. In der Nähe des Fähranlegers Finkenwerder bewohnt er mit seiner Frau, deren 18-jährigen Sohn und dem gemeinsamen Kind (4) ein Einfamilienhaus. „Es ist ein Stadtteil, der mir entgegenkommt“, sagt er. „Er hat diese ländliche Prägung, die ich von zu Hause kenne, man kennt sich und achtet aufeinander. Andererseits ist man nach einer halben Stunde Fahrt mitten im Geschehen.“
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Nach einem ersten Versuch im Jahr 2015 gelang es Neubauer im Jahr 2020, für seinen Wahlkreis Billstedt-Wilhelmsburg-Finkenwerder in die Bürgerschaft einzuziehen. Für seinen neuen Job als Bezirksamtschef gab er sowohl die Anwaltszulassung als auch sein Mandat auf.
Veddel und der Ärger um die Fischgaststätte
Doch für die Menschen in seinem Wahlkreis will er sich weiter einsetzen. „Die Veddel ist ein Stadtteil, der mir sehr am Herzen liegt. Als Bürgerschaftsabgeordneter hatte ich dort auch mein Wahlkreisbüro“, sagt Neubauer. Die Veddel werde von vielen in der Stadt nicht richtig wahrgenommen. „Dort leben aber viele Menschen, die es nicht nur leicht haben im Leben und da sind wir in der Verpflichtung, etwas zu tun.“
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Besonders um einen möglichen Abriss der traditionellen Veddeler Fischgaststätte gab es in letzter Zeit einige Querelen. Kann Neubauer als Bezirksamtsleiter ein Machtwort sprechen? „Ich bin von Hause aus ein Mensch, der an Traditionen hängt und die Veddeler Fischgaststätte kenne ich schon sehr lange“, sagt er. „Wenn sie meine persönliche Meinung hören wollen: Ich wünsche mir sehr, dass man eine Lösung findet, um sie an ihrem Standort zu erhalten.“ Natürlich würde er da gern mal ein Machtwort sprechen, aber das liege in der Zuständigkeit der Behörde für Stadtentwicklung.
Erstes Fazit als Hamburger Bezirkschef
„Schon nach den ersten Wochen merke ich, dass es eine sehr spannende, aber auch sehr herausfordernde Aufgabe ist“, sagt er über seinen neuen Job. „Ich habe hier alles auf dem Tisch: Von Katastrophenschutz bis Stadtentwicklung. Von Wirtschaftsförderung bis soziale Infrastruktur. Aber bisher machte es mir Spaß und dann sitzt man auch gern mal länger am Schreibtisch.“
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Über Hobbys habe er lange nicht mehr nachgedacht. „Ich arbeite und ansonsten ist die Familie dran.“ Wenn die Zeit dann doch mal reicht, liest er gern Bücher, geht ins Kino oder ins Theater. Doch dazu wird Neubauer wohl erstmal keine Zeit finden. „Ich bekomme jeden Tag ungefähr zehn bis 15 rote Mappen auf den Tisch gelegt, die ich durchlese zu allen möglichen Themen und habe viele Kennenlerntermine“, sagt er. Um Routinen zu entwickeln brauche es bestimmt noch ein halbes Jahr.