Die windigen Klimaversprechen von Tschentscher und Kerstan
Fehlende Daten, zu unkonkret und „methodische Lücken“: In seinem aktuellen Bericht rechnet der Hamburger Klimabeirat mit der Klimabilanz des Senats ab. Die Wissenschaftler:innen bezweifeln nicht nur, dass Hamburg die angestrebten Ziele beim CO2-Ausstoß verwirklichen kann. Auch die zwei zentralen Vorhaben überzeugen die Forscher nicht – sie zerlegen die einzelnen Bereiche des Hamburger Klimaplans.
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Fehlende Daten, zu unkonkret und „methodische Lücken“: In seinem aktuellen Bericht rechnet der Hamburger Klimabeirat mit der Klimabilanz des Senats ab. Die Wissenschaftler:innen bezweifeln nicht nur, dass Hamburg die angestrebten Ziele beim CO2-Ausstoß verwirklichen kann. Auch die zwei zentralen Vorhaben überzeugen die Forscher nicht – sie zerlegen die einzelnen Bereiche des Hamburger Klimaplans.
In der ersten Fortschreibung des Hamburger Klimaplans 2019 hatte sich der Senat das Ziel einer CO2-Minderung um 55 Prozent bis 2030 gesetzt. Demnächst will der Senat dieses Ziel sogar auf 70 Prozent erhöhen.
Dabei handele es sich nicht um „einen frommen Wunsch” und Hamburg sei auf einem guten Kurs, betonte Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) in der vergangenen Woche bei der Vorstellung einer Zwischenbilanz.
Klimabeirat: „Erheblich mehr Anstrengungen notwendig”
Aus Sicht des Hamburger Klimabeirats ist aber schon die 55-Prozent-Marke gefährdet. „Der Bericht des Senats macht deutlich, dass umgehend erheblich mehr Anstrengungen notwendig sind, um die Klimaschutzziele zu erreichen“, sagt deren Vorsitzende Daniela Jacob. Die insgesamt 15 Wissenschaftler:innen sind mit mehreren Aspekten der Hamburger Klimapolitik unzufrieden. Auf insgesamt 12 Seiten zerlegen sie die einzelnen Bereiche des Klimaplans.
Hier einige Beispiele: Aus der Zwischenbilanz des Senats sei nicht ersichtlich, wie die Klimaschutzmaßnahmen im Einzelnen nach Kriterien wie den erreichbaren CO2-Einsparungen priorisiert werden. Die genutzten Zahlen zum CO2-Ausstoß in Hamburg wären veraltet. Zudem könnte die Pandemie die Zahlen verzerrt haben.
Kritik an neuer Studie zur Gebäudesanierung
Zum Thema Wohnen kritisieren die Experten, dass die neue Machbarkeitsstudie zur energetischen Sanierung von Gebäuden im Zwischenbericht nicht einbezogen wurde. Zudem wurden für die Studie Zahlen verwendet, die vor der Bau- und Energiepreisexplosion zustande kamen, hier empfiehlt der Rat eine Anpassung.
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Übrigens: Diese Studie hätte schon vor einem Jahr vorliegen sollen, wurde aber erst vor wenigen Wochen präsentiert. Am Ende kam heraus, dass für die energetischen Sanierungen in Hamburg bis 2025 mindestens 40 Milliarden Euro nötig sind. Wie viel die Mieter und Wohnungseigentümer am Ende dazu beisteuern müssen, ist bis heute unklar.
Einsparungen durch Wasserstoff nur gering
In der Bilanz des Senats spielt auch das Schlagwort „Wasserstoff” eine große Rolle. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) bezeichnete das Gas im Frühjahr dieses Jahres als „zentralen Energieträger der Energiewende“. Hamburg soll in Zukunft zur Wasserstoffhochburg werden, denn gerade in der Industrie gilt Wasserstoff als Trendwende in der CO2-Reduzierung.
Die aus dem Bericht „abzuleitenden CO2-Einsparungen bleiben allerdings bis 2030 relativ gering“, so das Urteil des Klimarats. „Industrie und Gewerbe sollen dennoch bis 2030 den größten Beitrag zur Emissionsminderung leisten.” Auf diese Herausforderung geht die Zwischenbilanz „nur unzureichend ein”.
Klimabeirat gibt Empfehlungen an den Senat ab
Zu Fragen der Klimaanpassung, also zum Beispiel dem Erhalt von Grünflächen oder der Entsiegelung von Flächen, gebe es „nur wenige konkrete Umsetzungsmaßnahmen“. Erfolgreiche Maßnahmen in diesem Bereich seien nur „unzureichend mit Daten hinterlegt.“
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Aus ihrer Analyse leiten die Wissenschaftler:innen eine Liste mit zwölf Empfehlungen an den Senat ab. Unter anderem plädieren sie für ein nachgeschärftes Sofortprogramm, um die Klimaziele doch noch erreichen zu können. Hamburg soll mehr Geld in den Klimaschutz stecken und die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie sollen auf ihre „Aussagekraft” geprüft werden.
Das sagt die Umweltbehörde zum Bericht des Klimabeirats
Die Umweltbehörde machte am Montag auf MOPO-Anfrage nur allgemeine Aussagen zu den Empfehlungen des Klimabeirats. „Mit seiner Expertise kann der Klimabeirat Wege aufzeigen, die Vorschläge werden von uns geprüft“, so eine Sprecherin. „Die jetzt vorliegende Stellungnahme des Klimabeirats werden wir uns intensiv anschauen und in die Beratung gehen.“
Doch bisher stießen die Vorschläge des Klimabeirats im Senat meist nicht auf offene Ohren. Unter anderem hatte der Rat bereits gefordert, dass Hamburg sein Ziel von 10.000 Neubauwohnungen pro Jahr reduzieren sollte und stadtweit Tempo 30 einführen.