Grünen-Fraktionschefin im MOPO-Interview: „Ich liebäugele mit einem Mietendeckel”
Es ist Halbzeit: Vor rund zweieinhalb Jahren wurde die rot-grüne Regierung in Hamburg wiedergewählt und operiert seither im Dauerkrisenmodus. Corona, Krieg, Inflation und über allem immer der Klimawandel – Grünen Fraktionschefin Jennifer Jasberg bezieht im MOPO-Interview Stellung zu den drängenden Fragen für Hamburg.
MOPO: Frau Jasberg, das Kohlekraftwerk Moorburg soll wieder ans Netz gehen, fordert die CDU Hamburg. Wie sehen Sie das?
Jennifer Jasberg: Ich halte die Atom- und Moorburg-Debatte für absoluten Quatsch. Das verdrängt das viel akutere Problem, dass wir massiv Gas einsparen müssen. Da werden wir im Winter Probleme bekommen. Das lässt sich aber nicht lösen, wenn wir irgendwohin neue Kraftwerke bauen.
Es ist Halbzeit: Vor rund zweieinhalb Jahren wurde die rot-grüne Regierung in Hamburg wiedergewählt und operiert seither im Dauerkrisenmodus. Corona, Krieg, Inflation und über allem immer der Klimawandel – Grünen Fraktionschefin Jennifer Jasberg bezieht im MOPO-Interview Stellung zu den drängenden Fragen für Hamburg.
MOPO: Frau Jasberg, das Kohlekraftwerk Moorburg soll wieder ans Netz gehen, fordert die CDU Hamburg. Wie sehen Sie das?
Jennifer Jasberg: Ich halte die Atom- und Moorburg-Debatte für absoluten Quatsch. Das verdrängt das viel akutere Problem, dass wir massiv Gas einsparen müssen. Da werden wir im Winter Probleme bekommen. Das lässt sich aber nicht lösen, wenn wir irgendwohin neue Kraftwerke bauen.
Jasberg: Gas lässt sich leicht privat sparen
Und wie soll das Gas-Problem gelöst werden?
Wir müssen alle an verschiedenen Stellen sparen.
Wo sehen Sie denn Sparmöglichkeiten?
Im privaten Bereich gibt es ganz einfache Möglichkeiten. Es ist nicht verkehrt darauf hinzuweisen, dass es hilft, Mehrfachsteckdosen auszuschalten oder einen neuen Duschkopf zu kaufen. Ein Thermostat an der Heizung kann 15 Prozent Energie sparen.
Was ist mit der Industrie?
Auch da müssen Wege geprüft werden, um Gas zu sparen. Aber es klingt immer so charmant zu sagen: Die Industrie muss sparen! Aber es gibt Bereiche, die die Grundversorgung sichern, da geht das nicht so einfach.
Grünen-Fraktionschefin stellt Gas-Priorisierung in Frage
Was halten Sie von der Priorisierung, wonach private Haushalte, wenn es hart auf hart kommt, als letztes beim Gas rationiert werden?
Die bisherige Regelung ist nicht verkehrt. Aber was ist zum Beispiel mit einem großen Brotproduzenten, der Gas zur Produktion braucht? Man muss die Frage stellen, ob man systemrelevante Branchen, wie zum Beispiel die Brotproduktion, nicht auf eine Stufe mit privaten Haushalten stellt.
Was halten Sie eigentlich von der Idee ihres grünen Umweltsenators Jens Kerstan, sich für ein schwimmendes LNG-Terminal in Hamburg einzusetzen?
Ich halte von LNG erst einmal grundsätzlich nichts. Dazugehöriges Gas stammt häufig aus Fracking. Das ist ökologisch und klimatechnisch schlecht, langfristige Verträge darf es hier also nicht geben.
Macht Hamburg zu wenig für den Klimaschutz?
Was ist eigentlich mit dem versprochenen neuen Klimaplan von Rot-Grün? Der sollte ja langsam mal veröffentlicht werden, das bisherige Ziel Klimaneutralität 2050 ist längst überholt.
Es ist ein Prozess, der langsam im Hintergrund anläuft. Hier wird es nun erstmal einen Bericht zum Umsetzungsstand des alten Klimaplans geben.
Das ist reichlich unkonkret.
Sicher ist, dass der neue Plan deutlich ambitionierter wird, allein weil wir durch die neue Bundesregierung einen viel größeren Spielraum für Klimamaßnahmen bekommen haben. Es ist immens, was jetzt auf einmal geht.
Dann anders: Wo sehen Sie denn in Hamburg Potenzial, um CO2 einzusparen?
Es gibt nach wie vor in allen Bereichen massive Potenziale. Vor allem aber in der Industrie, in Hamburg sind viele energieintensive Unternehmen wie zum Beispiel Aurubis angesiedelt. Die haben einen Energieverbrauch, der kann es mit ganzen Kleinstädten aufnehmen. Viele stellen derzeit auf regenerative Energien um, wenngleich die Prozesse aufgrund der hohen Energiepreise derzeit oft stagnieren. Da muss dann staatlich unterstützt werden.
Der Klimabeirat des Senats fordert, dass in Hamburg nur noch 5000 Wohnungen pro Jahr gebaut werden. Das wird von rot-grün rigoros abgelehnt – wofür braucht man dann überhaupt einen Beirat, wenn man ihn sowieso übergeht?
Es geht darum, Debatten anzustoßen. Ich glaube persönlich, dass man sicherlich in den kommenden Jahren mit dem Ziel 10.000 Wohnungen neu gebaute Wohnungen pro Jahr an Grenzen stößt. Das Modell wird nicht dauerhaft so weitergehen können. Das ist auch die Rückmeldung aus den Bezirken, allein, weil es nicht genug Flächen gibt und man die Versiegelung nicht unendlich vorantreiben kann.
Jasberg kann sich Mietendeckel in Hamburg vorstellen
Was wollen Sie gegen die hohen Mietpreise tun?
Wir haben zuletzt die Mietpreisbindung für sozialen Wohnungsbau ausgedehnt. Aber Fakt ist, dass die Mietpreise in der Stadt nach wie vor hoch sind. Ich persönlich liebäugele auch mit einem Mietendeckel – das müsste aber in meiner Partei noch diskutiert werden und dafür gibt es auch keine politische Mehrheit derzeit.
Ob im Supermarkt oder an der Tankstelle, die Inflation macht sich überall bemerkbar. Was wird jetzt passieren, damit ärmere Hamburger nicht noch mehr knapsen müssen?
Was wahrscheinlich kommen wird, ist ein weiteres Entlastungspaket des Bundes. Wichtig ist, dass man gezielt die Leute erreicht, die wirklich am Limit sind. Das können wir nicht in Hamburg alleine anstoßen, aber wir werden es natürlich mittragen. Wo wir die Möglichkeiten haben, helfen wir auch. Zum Beispiel, indem wir dafür sorgen, dass bei Leistungsempfängern der Strom nicht sofort abgestellt wird, wenn jemand seine Rechnung nicht zahlen kann.
Wie geht es mit dem 9-Euro-Ticket und Corona weiter?
Das 9-Euro-Ticket hatte einen großen Zulauf. Nun fordert die Hamburger SPD ein Ticket für 69-Euro pro Monat, die CDU möchte ein 365-Euro-Jahresticket. Was wollen Sie?
Wenn ich es mir aussuchen könnte, dann führen wir es fort und stecken noch mal Geld in den gesamten Sektor, damit sich das vernünftig trägt. Das könnte man zum Beispiel aus einer Übergewinnsteuer finanzieren, die in immer mehr Ländern eingeführt wird und die nun auch der UN-Generalsekretär fordert. Es wird Zeit, dass die FDP hier ihre Blockadehaltung aufgibt.
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Und wenn sie es nicht tut?
Was sich alternativ vom Preis-Leistungsverhältnis noch vernünftig darstellen ließe, wäre das 69-Euro-Ticket.
Der Herbst steht vor der Tür und Corona ist noch immer da – mit welchen Maßnahmen zur Eindämmung müssen wir rechnen?
Das Tragen der Maske im Innenraum hat sich nach der Meinung vieler Experten als wirksam erwiesen. Daher kann ich mir vorstellen, dass man diese Maßnahme am ehesten wieder in den Blick nimmt. Wenn sich die Lage extrem zuspitzt, wären auch Personenobergrenzen und Abstandsregeln wieder nötig.