NSU-Mord in Hamburg: Warum es keinen Untersuchungsausschuss gibt
Es ist ein für Hamburg ungewohntes Bild: Große Koalition gegen Grüne und Linke. Bei der Frage, ob ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA) die fehlgeleitenden Ermittlungen um den Hamburger NSU-Mord aufarbeiten soll, geht ein tiefer Riss durch die Koalition, aber auch durch die Opposition. Grüne und Linke wollen den Aufklärungs-Ausschuss auf jeden Fall, SPD und CDU wollen ihn verhindern.
Es ist ein für Hamburg ungewohntes Bild: Große Koalition gegen Grüne und Linke. Bei der Frage, ob ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss (PUA) die fehlgeleitenden Ermittlungen um den Hamburger NSU-Mord aufarbeiten soll, geht ein tiefer Riss durch die Koalition, aber auch durch die Opposition. Grüne und Linke wollen den Aufklärungs-Ausschuss auf jeden Fall, SPD und CDU wollen ihn verhindern.
Es geht um die kaltblütige Erschießung des Gemüsehändlers Süleyman Taşköprü in Bahrenfeld 2001 durch Mitglieder des rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Zur Tat wie zu den polizeilichen Ermittlungen sind auch nach 22 Jahren viele Fragen offen. Jahrelang ermittelten Polizei und Staatsanwaltschaft in die falsche Richtung. Mal war von einem „Döner-Mord“, der Türken-Mafia oder einem tödlichen Streit zwischen Drogendealern die Rede.
Linke und Grüne fordern PUA zum Polizeiversagen
Dass der 31-jährige Familienvater Taşköprü das Opfer einer terroristisch-rassistischen Mordserie wurde, die zwischen 2000 und 2007 zehn Menschenleben vernichtete, wurde erst 2011 durch ein Bekenner-Video des NSU aufgedeckt. Die Polizei tappte da noch im Dunkeln. Hamburg ist heute das einzige Bundesland, in dem es zwar einen NSU-Mord, aber keinen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) dazu gab. Stattdessen existiert nur ein 87 Seiten dicker Selbstaufklärungsbericht von Polizei und Verfassungsschutz aus dem Jahr 2014, der die Ermittlungspannen auf „unglückliche Zufälle“ und eine mit rechtsextremen Morden überforderte Behördenstruktur zurückführt.

Seit Jahren fordern Linke und Grüne einen PUA, um die Hintergründe der Taten und des Polizeiversagens umfassend aufzuklären. Die Grünen wollen zudem „rechtsextreme Netzwerke“ in Hamburg, die seit Jahrzehnten existieren und zum Teil Verbindungen zum NSU hatten, zum Thema machen. Bereits in den Koalitionsverhandlungen scheiterten sie mit diesem Anliegen zweimal an der SPD.
Nun unternehmen sie einen dritten Anlauf. Anfang des Jahres gab es zwischen SPD und Grünen ein erstes Geheimgespräch dazu. Aufgrund „des ausdrücklichen Wunsches der Partei nach einer parlamentarischen Untersuchung des NSU-Komplexes in Hamburg sind wir in Gespräche mit dem Koalitionspartner eingestiegen“, verrät die Grünen-Fraktionschefin Jenny Jasberg, Mitglied der internen Runde.
Hamburger CDU: Es werde „bewusst falscher” Eindruck erweckt
Doch der Graben zwischen beiden Partnern ist tief, Jasberg spricht vorsichtig von einer „unterschiedlichen Auffassung zur Klärung offener Fragen“. Denn für die SPD ist, wie deren Abgeordneter Sören Schumacher verrät, eines klar: „Ein Untersuchungsausschuss ist ungeeignet, den NSU-Komplex aufzuarbeiten.“ Warum? „Die Zeug:innen, die helfen könnten, offene Fragen zu beantworten, haben sich bislang in Schweigen gehüllt. Es ist nicht davon auszugehen, dass dies in Hamburg anders wäre“, erläutert Schumacher und ergänzt: „Deshalb hat sich Rot-Grün im Koalitionsvertrag verständigt, keinen PUA einzusetzen.“
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Und an diesem Beschluss hält die SPD, trotz Drängens der Grünen, verbissen fest und weiß dabei die CDU fest an ihrer Seite. Deren innenpolitischer Sprecher Dennis Gladiator wirft Grünen und Linken gar vor, „bewusst den falschen Eindruck zu erwecken, es lasse sich da noch etwas finden und aufdecken“, und so mit diesen schrecklichen Morden „Politik zu machen“. Man habe sich im Parlamentarischen Kontrollausschuss – allerdings nicht öffentlich – schon Monate mit dem NSU-Komplex beschäftigt. Gladiator: „Es gibt keinen Ansatz, dass ein PUA etwas aufklären kann, was bislang nicht aufgeklärt werden konnte.“
Streit um PUA: Zerreißprobe für die Grünen
Das sehen die Grünen anders und sammeln jetzt – auf Anforderung der SPD – offene Fragen, die ein PUA vielleicht beantworten könnte. Mehr als 100 sollen bislang zusammengekommen sein. Die Zeit drängt, da sich die Legislaturperiode langsam dem Ende nähert. Noch vor der Sommerpause müssten sich SPD und Grüne deshalb auf einen Fahrplan einigen.
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Zudem will die Linke noch im März in der Bürgerschaft den Antrag stellen, einen NSU-PUA einzurichten, und bräuchte – 25 Prozent der Stimmen reichen – dazu nur das Ja der Grünen. Die stecken in der Zwickmühle: Sie riskieren eine Regierungskrise, wenn sie dem Antrag zustimmen. Eine Zerreißprobe.
Mitarbeit: Ann-Christin Busch