„Wir sind schockiert“: Der hässliche Streit in Hamburgs FDP
Öffentlicher Schlagabtausch, parteiinterne Zerwürfnisse und politische „Erpressung“: In Hamburgs FDP brodelt es – und zwar schon länger. Nun nimmt der Streit eine neue Wendung.
Die größten Gegner eines Politikers finden sich selten in einer anderen Partei, sondern viel eher in den eigenen Reihen. Vor allem der Hamburger FDP eilt der Ruf voraus, dass sich intern die wenigsten über den Weg trauen. Schwierig also, den Laden zusammenzuhalten.
Das war Landeschef Michael Kruse bislang im Großen und Ganzen gelungen. Der erfahrene Parteistratege weiß, wie man sich Mehrheiten beschafft, politische Winkelzüge plant und die Reihen schließt. Doch nun könnte ihm ein parteiinternes Manöver um die Ohren fliegen.
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Öffentlicher Schlagabtausch, parteiinterne Zerwürfnisse und politische „Erpressung“: Bei der FDP Hamburg kehrt langsam wieder altbekannte Normalität ein. Parteichef Michael Kruse muss sich gegen harte Vorwürfe wehren.
Die größten Gegner eines Politikers finden sich selten in einer anderen Partei, sondern viel eher in den eigenen Reihen. Vor allem der Hamburger FDP eilt der Ruf voraus, dass sich intern die wenigsten über den Weg trauen. Schwierig also, den Laden zusammenzuhalten.
Das war Landeschef Michael Kruse bislang im Großen und Ganzen gelungen. Der erfahrene Parteistratege weiß, wie man sich Mehrheiten beschafft, politische Winkelzüge plant und die Reihen schließt. Doch nun könnte ihm ein parteiinternes Manöver um die Ohren fliegen.
Hamburger FDP: Auseinandersetzung auf offener Bühne
Vorbei ist es in jedem Fall mit der bislang verhältnismäßig trügerischen Ruhe innerhalb der FDP, die Streitigkeiten gerne voll öffentlicher Inbrunst austrägt. Aus einem zunächst inhaltlichen Dissens ist eine heftige persönliche Auseinandersetzung erwachsen, die in Erpressungsvorwürfen gipfelt. Auf der einen Seite Landeschef Kruse, auf der anderen Seite die Nachwuchsorganisation der Partei, die Jungen Liberalen (Julis).
Ursprung des Zerwürfnisses ist ein Disput zwischen Ex-Nachwuchs-Chef Carl Cevin-Key Coste (26) und Michael Kruse (38) bezüglich einer Klage gegen die Hotspot-Regelung in Hamburg. Als die rot-grüne Bürgerschaftsmehrheit die Verlängerung der Corona-Maßnahmen beschloss, kündigte Kruse an, dagegen zu klagen. Coste bezeichnete die Ankündigung öffentlich als „PR-Aktion“, die einer Rechtsstaatspartei wie der FDP unwürdig sei.
Dabei nicht unwichtig zu wissen: Die beiden Politiker stehen sich grundsätzlich eher kritisch gegenüber. Coste ist ein Vertreter des Sozialliberalismus, Kruse steht für einen dezidiert wirtschaftsliberalen Kurs. Als die beiden im vergangenen Jahr um den ersten Listenplatz für die Bundestagswahl konkurrierten, zog Coste gegen Kruse den Kürzeren und sich daraufhin zurück.
Nun konnten nur mit Mühe und oberflächlich die Wogen nach der jüngsten Meinungsverschiedenheit der beiden vor dem Parteitag am vergangenen Wochenende noch einmal geglättet werden. Auf der Veranstaltung warnte Parteichef Kruse dann noch einmal: „Lassen Sie es nicht zu, wenn einzelne Personen ihr Ego und ihre Befindlichkeiten über die Interessen unserer Parteien stellen. Ein solches Verhalten führt uns wieder in die außerparlamentarische Opposition.“ Er wolle nicht weiter tolerieren, dass interne Beratungen öffentlich ausgetragen werden.
Junge Liberale kritisieren FDP-Führung
Auf dem Parteitag ließen es sich die Julis um die kürzlich neu gewählte Chefin Theresa Bardenhewer (26) aber nicht nehmen, weiter kritische Töne anzuschlagen. Dort monierten sie, dass der Landesvorstand um Kruse sich nicht ausreichend tatenreich mit der Ukraine solidarisieren würde, konnten ihre Position aber nicht im Leitantrag unterbringen.
Eine anschließend veröffentlichte Pressemitteilung mit dem Titel „Junge Liberale enttäuscht von Beschlüssen des FDP Parteitags“ brachte das Fass bei Kruse offenbar endgültig zum überlaufen. Parteiintern sollen er und weitere Mitglieder der Parteiführung den Nachwuchs daraufhin erbost angegangen sein.
Laut einem internen Beschluss der Jungen Liberalen, der an die FDP-Parteiführung übermittelt wurde und der der MOPO vorliegt, setzte Kruse die „neu gewählte Landesvorsitzende (Bardenhewer, Anm. d. Red.) massiv unter Druck“.
Schwere Vorwürfe: „Wir sind schockiert”
Die Jungen Liberalen unterstellen dem FDP-Chef unter anderem, dass er ihren Ex-Chef Carl Cevin-Key Coste im Zuge der Vorkommnisse aus dem Landesvorstand der FDP entfernen wolle. In dem Papier werden Nachrichten des Parteichefs zitiert, die er an die Jungliberalen verschickt haben soll. So soll er zum Beispiel geschrieben haben: „Habt ihr nach dieser Woche über den Rücktritt von Carl (Anm. Coste) von diesem Amt gesprochen oder ihn gar dazu aufgefordert?“ Davon hänge für ihn vieles im weiteren Vorgehen ab.
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Die Empörung beim Parteinachwuchs ist deshalb groß. „Wir sind schockiert über diese Art der Kommunikation.“ Eine solche Einmischung habe es bislang noch nie gegeben, „politische Erpressung darf kein Mittel der Austragung von innerparteilichen Konflikten sein“, heißt es in dem Beschluss. Sie fordern Kruse nun dazu auf, zur sachlichen Debatte zurückzukehren.
Gegenüber der MOPO will sich Juli-Chefin Bardenhewer nicht äußern – man wolle den Streit nicht über die Medien ausfechten. Coste, immerhin Gegenstand des Zerwürfnisses, will den Wirbel um seine Person ebenfalls nicht kommentieren. Und auch Landeschef Kruse wollte sich auf MOPO-Nachfrage nicht äußern. Dahingehend schließen sich also noch die Reihen.
In den kommenden Tagen wird es nun hinter den Kulissen zu Gesprächen kommen. Immerhin hatte Kruse bereits beim Parteitag versichert: „Gesprächsangebote aus der Partei nehme ich immer gerne an.“