Eskaliert der Konflikt? Krisengipfel um „Hamburgs Alcatraz“
Tritt der Hamburger Senat zu arrogant gegenüber seinen Nachbarn auf? Die Vorwürfe, die in Niedersachsen zuletzt im Konflikt um die Ablagerung von Hamburger Hafenschlick vor Scharhörn gegen den Senat erhoben wurden, wiederholen sich jetzt bei der Frage nach der Zukunft der bisherigen Gefängnisinsel Hahnöfersand.
Tritt der Hamburger Senat zu arrogant gegenüber seinen Nachbarn auf? Die Vorwürfe, die in Niedersachsen zuletzt im Konflikt um die Ablagerung von Hamburger Hafenschlick vor Scharhörn gegen den Senat erhoben wurden, wiederholen sich jetzt bei der Frage nach der Zukunft der bisherigen Gefängnisinsel Hahnöfersand.
Ein Krisengespräch am Montag, in dem es um die weitere Nutzung der gegenüber von Wedel gelegenen Elbinsel geht, sei die „vorerst letzte Möglichkeit“, den Konflikt zwischen Hamburg und Niedersachsen noch gütig zu beenden. Das betont zumindest Wilhelm Ulferts, der für die Deichpflege auf Hahnöfersand zuständige Oberdeichrichter. Ulferts ist bereit, gegen Hamburg vor Gericht zu ziehen. „Wir werden als Deichverband gegen den Bebauungsplan Billwerder 31 klagen, wenn wir am Montag keine Lösung finden.“ Doch bisher, resümiert der Oberdeichrichter, habe es Hamburg in allen Gesprächen „an Augenhöhe vermissen lassen“ und seine niedersächsischen Partner nur unzureichend am Planungsprozess beteiligt. Was die zuständige Stadtentwicklungsbehörde empört zurückweist.
Streit zwischen Hamburg und Niedersachsen: Was wird aus Hahnöfersand?
Darum geht es: Wenn die Hamburger Jugendvollzugsanstalt von Hahnöfersand spätestens 2027 nach Billwerder umzieht, soll die kleine Elbinsel – die Hamburg gehört, obwohl sie in Niedersachsen liegt – neu gestaltet werden. Hamburg plant die Insel, die scherzhaft auch „Hamburgs Alcatraz“ genannt wird, vollständig zu renaturieren. Hahnöfersand soll als ökologische Ausgleichsfläche für die Naturareale und Ackerflächen dienen, die nun in Billwerder für die neue Jugendstrafanstalt geopfert werden. Die Insel soll komplett entsiegelt werden und als Brutgebiet für die Feldlerche dienen. Alle Gebäude bis auf einen Stall für eine Schafherde, die auf dem Deich grast, sollen abgerissen werden.
Doch der Bebauungsplan Billwerder 31, der seit September 2021 Rechtskraft hat, ist umstritten – in Billwerder wie auch im Landkreis Stade, zu dem Hahnöfersand geografisch gehört. In Billwerder gehen diverse Anwohner:innen nun gegen die dort geplante Justizvollzugsanstalt auf die Barrikaden, fühlen sich in die Planungen nicht mit einbezogen und überfordert. Dass hier nun mit Oberbillwerder in den kommenden Jahren nicht nur die größte städtische Neubausiedlung auf grüner Wiese, sondern auch noch ein weiteres Gefängnis neben dem dort schon bestehenden Männerknast entstehen und für beides massenhaft Naturflächen und Landwirtschaft verschwinden soll, löst vor Ort massive Proteste aus.
Weiteres Gefängnis in Billwerder: Anwohner:innen wehren sich
Und die Renaturierung von Hahnöfersand ist auch nicht im niedersächsischen Interesse. Der Landkreis Stade und die Gemeinde York würden die Elbinsel gerne für nachhaltigen Fahrradtourismus nutzen, einen Radfahrweg über die Insel führen. Zudem würden sie gern eine Fläche zum Trocknen der Kleie reservieren, die für den Deichbau gebraucht wird. Denn die Deiche müssen hier dringend erhöht werden – um dem Ansteigen des Elbspiegels zu trotzen. Aber das ist nach den Hamburger Plänen kaum noch möglich.

Die Deiche können schon jetzt nur außerhalb der winterlichen Sturmflutperiode, die von Oktober bis März dauert, erhöht werden. Die Brut- und Setzzeit der Feldlerche von April bis Juni würde das ohnehin schmale Zeitfenster noch weiter reduzieren. „Der Korridor, der dann noch für die Ertüchtigung der Deiche bleibt, reicht nicht mehr aus“, klagt Yorks Bürgermeister Matthias Riel. Das würde die geplante und dringend notwendige Deicherhöhung von vier auf mindestens acht Jahre andauern lassen, befürchtet Ulferts. Der Deichbau wäre dann nur noch zwischen Anfang Juli und Ende September möglich. Hamburgs Pläne würden damit die Deichsicherheit akut gefährden.
Es droht eine Klage vor dem Oberverwaltungsgericht
Um den Konflikt zu entschärfen, bot der Landkreis Stade der Hansestadt bereits andere mögliche Brutgebiete als Ausgleichsmaßnahme an – erfolglos. Nun reisen die Stader Kreisbaurätin Madeleine Pönitz, Riel und Ulferts kommenden Montag an, um sich mit Hamburgs Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) in deren Behörde zu treffen und den gordischen Knoten zu durchschlagen.
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Bleiben die Fronten aber verhärtet, wird der Deichverband den Bebauungsplan Billwerder 31, der den rechtlichen Rahmen für den Neubau der neuen Jugendjustizvollzugsanstalt bildet, vom Oberverwaltungsgericht Hamburg überprüfen lassen. Denn in dem B-Plan sind auch die umstrittenen Ausgleichsmaßnahmen in Hahnöfersand festgelegt. Die Rechtslage ist kompliziert. Hahnöfersand gehört zwar Hamburg, liegt aber eben in Niedersachsen. Somit kann Hamburg nicht nach eigenem Gusto schalten und walten, sondern muss niedersächsisches Bau- und Planungsrecht beachten. Ob die aktuellen Ausgleichsplanungen das tun, darüber gehen die Meinungen in Stade und Hamburg weit auseinander. Wenn am Montag der Nachbarschaftsstreit nicht geschlichtet werden kann, wird Justitia entscheiden.