Die Unscheinbare: Hamburgs Sozialsenatorin Schlotzhauer macht sich rar
Das erste Jahr ist rum. Kommenden Freitag ist Melanie Schlotzhauer zwölf Monate als Sozial- und Gesundheitssenatorin im Amt. Geflüchteten-Unterbringung, Obdachlosigkeit, Kindeswohlgefährdung, Kita-Notstand – all das sind Themen, mit denen sich die 52-jährige Altonaerin herumschlägt. Und während die rot-grüne Koalition ihre außerordentliche Kompetenz lobt, vermisst die Opposition politische Akzente von Schlotzhauer und klagt: Außer Spesen nichts gewesen!
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Das erste Jahr ist rum. Kommenden Freitag ist Melanie Schlotzhauer zwölf Monate als Sozial- und Gesundheitssenatorin im Amt. Geflüchteten-Unterbringung, Obdachlosigkeit, Kindeswohlgefährdung, Kita-Notstand – all das sind Themen, mit denen sich die 52-jährige Altonaerin herumschlägt. Und während die rot-grüne Koalition ihre außerordentliche Kompetenz lobt, vermisst die Opposition politische Akzente von Schlotzhauer und klagt: Außer Spesen nichts gewesen!
Tatsächlich agiert die neue Chefin der Sozialbehörde auffällig unauffällig, sie sucht deutlich weniger den öffentlichen Fokus als Vorgängerin Melanie Leonhard. Die öffentliche Bühne ist nichts, wonach Schlotzhauer strebt, sie nimmt es eher in Kauf, dass sie in ihrem Amt regelmäßig Präsenz zeigen muss. Was ihr nicht immer gelingt: So klagte das trägerübergreifende Kitanetzwerk Hamburg unlängst, dass die Senatorin beim Thema Personalnotstand bislang weder in Erscheinung noch in einen Dialog getreten sei.
Kompetenz für das Amt bringt Schlotzhauer ohne Frage mit: Die Diplom-Volkswirtin kümmerte sich für die Altonaer SPD, deren Kreisvorsitzende sie bis 2013 war, jahrelang um alle sozialpolitischen Fragen, beackerte seit 2020 als Staatsrätin und rechte Hand Leonhards gut zwei Jahre lang federführend alle Gesundheits-Themen, bevor sie Leonhard beerbte. Neue Ideen, wegweisende politische Strategien und Lösungskonzepte aber hat sie bislang noch nicht präsentiert, eher Problemfelder abgearbeitet.
Ist Hamburgs Sozialsenatorin Schlotzhauer zu passiv?
So gilt sie der Opposition als graue Maus des Senats. „Hamburg steht vor zahlreichen sozialpolitischen Herausforderungen, doch bei Schlotzhauer ruht still der See“, klagt etwa der CDU-Abgeordnete Andreas Grutzeck und erwartet von ihr mehr „Sichtbarkeit und Entscheidungskraft“. Während Olga Fritzsche von der Linken sagt: „Ich würde mir deutlich mehr Aktivität und Kreativität wünschen, ich nehme sie als sehr passiv wahr“, ärgert sich Anna von Treuenfels (FDP): „Von Senatorin Schlotzhauer ist seit einem Jahr kaum etwas zu hören oder zu sehen.“
Die Regierungsfraktionen sehen das naturgemäß anders: „Sie ist ganz klar ein Aktivposten mit hoher Kompetenz in den Sachthemen“, lobt etwa die sozialpolitische Sprecherin der SPD, Ksenija Bekeris. Der Grünen-Abgeordnete Michael Gwosdz ergänzt: „Wir erleben sie als aktive Expertin mit viel Erfahrung. Bei den Herausforderungen der Sozial- und Migrationspolitik zeigt sie sich als versierte Krisenmanagerin und arbeitet an praktikablen Lösungen.“
Schlotzhauers größte Herausforderung: Neue Unterkünfte für Geflüchtete
Schlotzhauers größte Herausforderung ist die Schaffung immer neuer Unterkünfte für Geflüchtete. Seit Monaten mietet die Stadt jedes Hotel, jede Halle, jede ungenutzte Fläche zur Aufstellung von Wohncontainern, deren sie habhaft wird. Tausende neue Plätze hat die Sozialbehörde so geschaffen und stößt dabei an Grenzen. Weil Bürger:innenbeteiligung bei jeder neuen Unterkunft ein Muss ist, es gleichzeitig aber keine Alternativen gibt, ecken ihre Pläne in betroffenen Stadtteilen oft an.
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„Wir bringen in Hamburg mehr als 45.000 Menschen unter, dürfen die Stadt nicht auf Dauer überfordern“, warnt Schlotzhauer, die aufgrund der hohen Zahl Geflüchteter auch schon mal von einer „nationalen Notlage“ spricht. Vor allem die Flüchtlingsinitiativen werfen ihr vor, sich dabei gefährlich nah an den Botschaften der „Das Boot ist voll“-Demagog:innen zu bewegen und so einer Diskussion um die Einschränkung des Asylrechts Vorschub zu leisten.
Hamburg: CDU kritisiert Schlotzhauers fehlende Präsenz
Öffentlich in Erscheinung trat Schlotzhauer vor allem bei der Debatte um die geplante Cannabis-Legalisierung: als Bremserin. Den von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorgelegten Gesetzesentwurf rügte sie scharf, stellte sich damit auf die Seite der Kritiker:innen der Legalisierung und geriet so auch mit dem grünen Regierungspartner in Konflikt, der Cannabisfreigabe-Modellversuche für Hamburg fordert. Mit Schlotzhauer nur schwer zu machen.
Obdachlosigkeit, Flüchtlingsunterbringung, Personalmangel in Kitas – die Liste der sozialen Probleme, die das immer noch reiche Hamburg plagen, ist lang. Ihnen zu begegnen, fordert nicht nur die Kompetenz, sondern auch die Sichtbarkeit der Sozialsenatorin, die diese Konflikte anpacken und Anwältin derjenigen sein muss, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen. Hier darf Melanie Schlotzhauer, mit Verlaub, deutlich zulegen.