Spekulanten-Monopoly: „Geht auf die Kappe des heutigen Bundeskanzlers“
Weil die Stadt ihr Vorkaufsrecht für das ehemalige Brauereigelände nicht wahrnahm, wurde das Holsten-Areal zum Spekulationsobjekt. MOPO-Kolumnist Marco Carini, seit Jahren intimer Kenner der Hamburger Politik, über die schlimmen Folgen.
Anfang dieser Woche kam die Warnung. „Völlig verantwortungslos“, sei es laut Theo Bruns, Sprecher der Anwohnerinitiative „Holsten knallt am dollsten“, wenn die Altonaer Bezirksversammlung (BV) einen städtebaulichen Vertrag über die weitere Entwicklung des Holsten Areals absegnen würde.
Grund für schroffe Ablehnung ist der Vertragspartner der Stadt – der deutsch-luxemburgische Immobiliengigant Adler Group. Der machte zuletzt Negativschlagzeilen im Abonnement. So bezeichnete der britische Hedgefonds-Investor Fraser Perring das Unternehmen, das Ende 2020 über einen Bestand von 70.000 Wohnungen in Deutschland verfügte, als „Brutstädte von Betrug, Täuschung und finanziellen Falschdarstellungen“.
Weil die Stadt ihr Vorkaufsrecht für das ehemalige Brauereigelände nicht wahrnahm, wurde das Holsten-Areal zum Spekulationsobjekt. MOPO-Kolumnist Marco Carini, seit Jahren intimer Kenner der Hamburger Politik, über die schlimmen Folgen.
Anfang dieser Woche kam die Warnung. „Völlig verantwortungslos“, sei es laut Theo Bruns, Sprecher der Anwohnerinitiative „Holsten knallt am dollsten“, wenn die Altonaer Bezirksversammlung (BV) einen städtebaulichen Vertrag über die weitere Entwicklung des Holsten Areals absegnen würde.
Der liegt zusammen mit dem dazugehörigen Bebauungsplan noch bis zum 23. Dezember öffentlich aus und regelt, unter welchen Bedingungen auf dem 86.000 Quadratmeter großen ehemaligen Brauereigelände bis 2028 1200 neue Wohnungen entstehen sollen. Bis kommenden Mai hat die BV noch Zeit, ihn zu beschließen und Bezirkschefin Stefanie von Berg (Grüne) ihn zu unterzeichnen – dann läuft die vom Investor gesetzte Frist ab.
Grund für schroffe Ablehnung des 54-seitigen Papiers durch die Initiative ist der Vertragspartner der Stadt – der deutsch-luxemburgische Immobiliengigant Adler Group. Der machte zuletzt Negativschlagzeilen im Abonnement. So bezeichnete der britische Hedgefonds-Investor Fraser Perring das Unternehmen, das Ende 2020 über einen Bestand von 70.000 Wohnungen in Deutschland verfügte, als „Brutstädte von Betrug, Täuschung und finanziellen Falschdarstellungen“.
Die Adler-Aktie brach im Laufe dieses Jahres um rund 60 Prozent ein. Nur durch den gerade angekündigten Notverkauf von 29.900 Wohnungen für geplant 2,4 Milliarden Euro könnte der stark verschuldete Konzern vorläufig seinen Kopf aus der Schlinge ziehen.
Holsten-Areal ist städtebauliches Filetstück in Hamburg
Im Altonaer Rathaus kennt man diese Zahlen und das Geschäftsgebaren der Adler-Gruppe genau. Nur sitzen die Bezirkspolitiker:innen in der Falle. Gibt es mit Adler keinen Deal, passiert auf dem städtebaulichen Filetstück – wie schon in den vergangenen Jahren – gar nichts. „Wenn die Stadt den städtebaulichen Vertrag nicht abzeichnet und den Bebauungsplan scharf stellt, haben wir hier eine Planungsruine für Jahrzehnte“, prophezeit der Altonaer CDU-Fraktionschef Sven Hielscher.
So machen die politisch Verantwortlichen gute Miene zum bösen Spekulanten-Spiel, betonen die Vorzüge des Vertrages und verströmen Optimismus, dass es bald sichtbar vorangeht. Vertragsstrafen in Höhe von 20 Millionen Euro wurden vereinbart, falls Adler seine Vertragspflichten nicht erfüllt. Theo Bruns aber fürchtet: „Solche Strafen sind bei den Investoren bereits eingeplant.“

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Der städtebauliche Vertrag sieht vor, dass jeweils rund ein Drittel Eigentumswohnungen sowie geförderte und frei finanzierte Mietwohnungen gebaut werden. 100 der etwa 370 frei finanzierten Wohnungen sollen, das rang der Bezirk Adler ab, für eine Nettokaltmiete unter 15 Euro pro Quadratmeter an den Markt gehen – allerdings nur bei deren Erstvermietung.
Linke kritisiert: Wettlauf der Mietpreise keine Grenzen gesetzt
Danach – und das gilt für den Rest der frei finanzierten Mietwohnungen von vornherein – ist dem Mietwettlauf keine Grenze gesetzt. Von Quadratmeterpreisen zwischen 18 und 23 Euro netto/kalt ist bereits die Rede. „Je teurer das Grundstück, desto höher die Mieten“, bringt es die stadtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Heike Sudmann, auf den Punkt.
Die Adler Group weist den Grundstückswert des Holsten-Areals in ihrem Quartalsbericht mit einer Rekordsumme von 364 Millionen Euro aus. Zum Vergleich: Vor fünf Jahren wechselte das damalige Brauerei-Gelände zum ersten Mal den Besitzer, für 150 Millionen Euro. Und dieser Kaufpreis galt damals schon als überhöht. Inzwischen hat das Grundstück, das eigentlich schon 2020 bebaut werden sollte, dreimal den Besitzer gewechselt, jeweils mit saftigen Preisaufschlägen.
Olaf Scholz setzte das Grundstücks-Monopoly in Gang
In Gang gesetzt hat dieses Grundstücks-Monopoly ausgerechnet Hamburgs Ex-Bürgermeister Olaf Scholz (SPD). Scholz hatte der Carlsberg-Brauerei 2016 freie Hand beim Grundstücks-Verkauf gelassen, statt das Gelände den Brauern abzukaufen. Dass die damalige SPD-Alleinregierung das Grundstück nicht in kommunales Eigentum überführte, erlaubte erst die wundersame Wertsteigerung des Areals und führt nun zu Schloßallee-Mieten.
„Das geht allein auf die Kappe des heutigen Bundeskanzlers“, klagt Sven Hielscher und Stefanie von Berg ergänzt: „Es wäre wünschenswert gewesen, wenn die Stadt das Areal damals gekauft hätte.“ Auch namhafte Sozialdemokraten geben heute hinter vorgehaltener Hand zu, „damals einen Fehler gemacht zu haben, der die Spekulation angeheizt hat“.
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Nun aber heißt es Augen zu und durch. „Es gibt keine vernünftige Alternative“, weiß Sven Hielscher. So bleibt den Politiker:innen derzeit kaum etwas anderes übrig, als zu hoffen, dass zeitnah neben der Neuen Mitte Altona das nächste Wohnquartier entsteht. Trotz Mond-Mieten sollen die 1200 Wohneinheiten auf dem Wohnungsmarkt für Entlastung sorgen. Aber ob das klappt? Da darf nun wirklich spekuliert werden.