Anwohnerparken in Hamburg ausgebremst! Rot-Grün zieht die Notbremse
Etwas zerknirscht wirkten die Vertreterinnen der rot-grünen Koalition, als die CDU vergangenen Mittwoch versuchte, sie in der Bürgerschaft beim Thema Anwohner:innenparken vorzuführen. In der Vergangenheit habe es „zu strenge Ausnahmeregeln für Gewerbetreibende“ gegeben, räumte die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Clarissa Herbst, ein. Auch ihre grüne Amtskollegin, Rosa Domm, musste einzugestehen, dass es in der Praxis einige „Umsetzungsprobleme“ gegeben habe. Probleme, so eklatant, dass der rot-grüne Senat nun die Notbremse gezogen hat. Denn beim Anwohner:innenparken zeigte sich: Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht.
- Deutsch (Deutschland)
MOPO+ Abo
für 1,00 €Jetzt sichern!Die ersten 4 Wochen für nur 1 € testen!Unbeschränkter ZugangWeniger Werbung
Danach nur 7,90 € alle 4 Wochen
Wenn Sie E-Paper Kunde sind, betrifft diese Änderung Sie nicht.
Etwas zerknirscht wirkten die Vertreterinnen der rot-grünen Koalition, als die CDU vergangenen Mittwoch versuchte, sie in der Bürgerschaft beim Thema Anwohner:innenparken vorzuführen. In der Vergangenheit habe es „zu strenge Ausnahmeregeln für Gewerbetreibende“ gegeben, räumte die verkehrspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Clarissa Herbst, ein. Auch ihre grüne Amtskollegin, Rosa Domm, musste einzugestehen, dass es in der Praxis einige „Umsetzungsprobleme“ gegeben habe. Probleme, so eklatant, dass der rot-grüne Senat nun die Notbremse gezogen hat. Denn beim Anwohner:innenparken zeigte sich: Gut gemeint ist nicht gleich gut gemacht.
Vor gut drei Wochen stoppte Verkehrssenator Anjes Tjarks (Grüne) die Ausweisung neuer Anwohner:innenparkgebiete, von denen es bereits über 50 in Hamburg gibt. Handwerks- und Handelskammer hatten zuvor zum wiederholten Mal Kritik an der Ausweisungspraxis geübt. Da Gewerbetreibende kaum einen Parkausweis erhalten könnten, drohe die Regelung den Wirtschaftsverkehr lahmzulegen.
Anwohnerparken in Hamburg: Kritik ist nicht neu
Die Kritik an der Vergabepraxis ist nicht neu – nur wurde sie lange von der Verkehrsbehörde stumpf ignoriert. Doch je länger Tjarks und die Grünen an dem Konzept festhielten, umso stärker rückten die SPD und auch die Verwaltung davon ab. Im Bezirk Nord etwa warf der dortige SPD-Verkehrsexperte Sebastian Haffke dem grünen Bezirksamtsleiter Michael Werner-Boelz vor, er würde „das Bewohnerparken konfrontativ einführen – ohne Ausnahmen für Berufstätige oder Gewerbetreibende“ und alle Bedenken „einfach ignorieren“. Hinter den Kulissen sollen Teile der SPD Nord – die in diesem Punkt aber gespalten ist – schon vor Wochen damit gedroht haben, sich jeder neuen Anwohnerparkzone zu widersetzen und damit den Koalitionsfrieden im Bezirk zu riskieren.
Und der Landesbetrieb Verkehr, der für die Erteilung von Ausnahmegenehmigungen für Gewerbetreibende zuständig ist, hatte die starren Regeln sogar ausgehebelt. Einige Mitarbeiter:innen hatten den Gewerbetreibenden unter der Hand nicht ganz legale Tricks verraten, diese zu unterlaufen. So wurde manch verzweifeltem Ladenbesitzer empfohlen, seinen Lieferwagen einfach von Nachbar:innen anmelden zu lassen, auf die noch kein Auto beim Anwohner:innenparken registriert ist.
Doch obwohl die Probleme seit Monaten bekannt sind, hielt die Tjarks-Behörde lange an dem bestehenden Konzept fest: „Wenn wir die Parkplätze für die Bewohner:innen freihalten, müssen wir andere Autos aus den Quartieren heraushalten. Das trifft auch die Fahrzeuge von Menschen, die da arbeiten“, verteidigte Verkehrsbehörden-Sprecher Dennis Heinert noch vor Kurzem gegenüber der MOPO die strenge, nun infrage gestellte Behördenpraxis.
Anwohner:innenparken: SPD-Ohrfeige für den Senator
Am Ende aber wurde der Druck so groß, dass Tjarks nur noch die Wahl hatte, die Ausweisung auszusetzen und die Ausnahmen zukünftig zu lockern. Die Verkündung des Ausweisungsstopps nahm der SPD-Landesvorsitzende Nils Weiland zum Anlass, mit der bisherigen Praxis abzurechnen. „Die Mobilitätswende kann nur mit den Menschen in Hamburg gelingen – nicht gegen sie“, schrieb er Tjarks ins Stammbuch: „Die Regeln zum Bewohnerparken dürfen kein starres Korsett sein, sondern müssen flexibel an die Situation im Stadtteil angepasst werden. Die jetzt eingeleitete ,Denkpause‘ ist daher genau richtig.“
Das könnte Sie auch interessieren: Hamburgs Niedergang als Medienmetropole und das hilflose Geraune der Politik
Die SPD-Ohrfeige für den Senator saß. Und für die CDU, die am Mittwoch in der Bürgerschaft erfolglos den Antrag stellte, zugunsten der Gewerbetreibenden mehr Parkplätze zu schaffen und die Parkgebühren zu senken, ist die Tjarks’sche Parkraumbewirtschaftung ohnehin nur die „Verbotspolitik“ eines „grünen Verkehrsideologen“.
CDU Hamburg: Tjarks’ Parkraumbewirtschaftung ist „Verbotspolitik“
Doch der Druck aus den Reihen der CDU, aber eben auch vom Koalitionspartner SPD, mehr Fahrzeuge von Gewerbetreibenden in den Parkzonen zuzulassen, schafft neue Probleme: Schon heute gibt es für fast alle Parkzonen mehr Ausweise als Parkplätze – ein Verhältnis, das sich durch gelockerte Ausnahmeregelungen noch einmal zum Negativen verändern wird. Tjarks sitzt da in der Zwickmühle, und schlüssige Antworten, wie Anwohner:innen und auch Handel, Gewerbe und soziale Dienstleister:innen gleichzeitig Parkplätze in Quartieren wie Eimsbüttel oder Ottensen finden können, haben weder CDU noch SPD zu bieten.
Das könnte Sie auch interessieren: Hamburg kommt im digitalen Schneckenrennen kaum voran
Tjarks will nun in Gesprächen mit der Handels- und der Handwerkskammer sowie weiteren Verbänden Lösungen entwickeln, die „den Interessen der Unternehmen ebenso gerecht werden wie den Herausforderungen des knappen öffentlichen Raumes und des Klimawandels“. Was nicht weniger bedeutet als die Quadratur des Kreises.