Antisemitisch, rechtsextrem – und trotzdem gemeinnützig: Wie kann das sein?
Verfassungsfeindlich, gesichert rechtsextrem, antisemitisch – so stuft das Landesamt für Verfassungsschutz (VS) die in Hamburg ansässige Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft (SWG) ein und führt sie seit Juni in seiner Liste der Beobachtungsobjekte auf. Dadurch ist es dem Geheimdienst möglich, Telefone abzuhören und Personen zu observieren. Die SWG hat dagegen Klage vor dem Hamburger Verwaltungsgericht erhoben – das Verfahren ist anhängig.
Verfassungsfeindlich, gesichert rechtsextrem, antisemitisch – so stuft das Landesamt für Verfassungsschutz (VS) die in Hamburg ansässige Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft (SWG) ein und führt sie seit Juni in seiner Liste der Beobachtungsobjekte auf. Dadurch ist es dem Geheimdienst möglich, Telefone abzuhören und Personen zu observieren. Die SWG hat dagegen Klage vor dem Hamburger Verwaltungsgericht erhoben – das Verfahren ist anhängig.
Der Verfassungsschutz wirft der SWG vor, von Hamburg aus über die sozialen Medien und ultrarechte Publikationen antisemitisches Gedankengut und russische Kriegspropaganda zu verbreiten. Zweifelsfrei belegt sei auch, „dass von der SWG Bestrebungen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung und den Gedanken der Völkerverständigung ausgehen“.
Kaum zu glauben: Obwohl die Verfassungsfeinde nun geheimdienstlich überwacht werden, ist die Vereinigung nach eigenen Angaben vom Hamburger Finanzamt noch immer als gemeinnützige Organisation anerkannt. Spenden an sie sind von der Steuer absetzbar und sie selbst genießt dadurch zahlreiche Steuervorteile.
Rechtsextremer Verein von ehemaligen Bundeswehr-Offizieren geführt
Schon lange hat der Verfassungsschutz die SWG im Blick, doch erst seit Kurzem hätten sich die Hinweise auf „rechtsextremistische Bestrebungen und die parlamentarische Demokratie verächtlich machende Aktivitäten“ verdichtet, begründet ein Sprecher des VS die Einstufung als verfassungsfeindliche Organisation.
Geführt und ideologisch aufgerüstet wird die Gesellschaft von ehemaligen, zum Teil hochrangigen Bundeswehroffizieren: Unter der Vereinsführung von Stephan Ehmke, Oberleutnant der Reserve, toben sich vor allem Brigadegeneral a. D. Reinhard Uhle-Wettler, Generalmajor a. D. Gerd Schultze-Rhonhof und der Oberst a.D., Manfred Backerra auf dem Schlachtfeld der Ideologie aus. Auch weil man für die Ahndung extremistischer Aktivitäten bereits aus dem Dienst ausgeschiedener Soldaten „nicht zuständig“ sei, werde man „zu Einzelpersonen keine Stellung nehmen“, betont eine Sprecherin des Bundesverteidigungsministeriums.
Rechtsextreme SWG von Altnazis gegründet
Die SWG wurde bereits 1962 vom Hugo Wellems und dem damaligen CDU-Abgeordneten Arthur Mißbach gegründet. Mißbach erwarb als NSDAP-Mitglied das „Goldene“ Parteiabzeichen, Wellems arbeitete als Pressereferent von Joseph Goebbels. Schon vor einem Vierteljahrhundert waren dem VS „personelle Überschneidungen (der SWG – Red.) zu rechtsextremistischen Organisationen bekannt“. Zu Vorträgen etwa luden sie Revisionist:innen wie die Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck ein.
Seit Jahren fordern die Linkspartei und das „Bündnis gegen Rechts“ deshalb die Beobachtung der Gesellschaft durch die Schlapphüte. Doch die personellen Verflechtungen und auch die zahlreichen ultrarechten Pamphlete und Vorträge aus dem Schoß der SWG reichten für den Verfassungsschutz lange nicht aus, um die SWG unter Beobachtung zu stellen – denn dafür stellt der Gesetzgeber hohe Anforderungen.
Verein weiter als „gemeinnützig“ gelistet
Der VS hat nun in jahrelanger Kleinarbeit Dutzende Facebook-Einträge des Vereins und Beiträge in der Vereinszeitschrift „Deutschland-Journal“ zusammengetragen, in der antijüdische Propagandabegriffe genutzt, die Schuld am Zweiten Weltkrieg den Polen und die am völkerrechtswidrigen Angriff Putins der Ukraine in die Schuhe geschoben wird. So heißt es in dem voriges Jahr erschienenen Beitrag „Ist Putin wirklich Kriegsverbrecher?“ von Gerd Schultze-Rhonhof mit Bezug auf die ukrainische Regierung: „Wer seinem Militär befiehlt, die Städte zu befestigen und zu verteidigen, nimmt wohlkalkuliert in Kauf, dass um die Städte gekämpft wird und dass sie beschossen und bombardiert werden.“
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Dass die Gesellschaft noch immer als gemeinnützige Organisation zahlreiche Steuerprivilegien genießt, verwundert. Die Finanzbehörde wollte gegenüber der MOPO „zu einem steuerlichen Einzelfall keine Auskünfte erteilen“. Nach einer Entscheidung des Bundesfinanzhofes von 2018 wird Gruppierungen, die der Verfassungsschutz als verfassungsfeindlich einstuft, automatisch ihre Gemeinnützigkeit entzogen, was, so die Finanzbehörde, in Hamburg „konsequent umgesetzt“ werde. Doch dabei mahlen die Mühlen der Verwaltung offenbar recht langsam.