AfD in Hamburg: Nicht nur ein Wolf im Schafspelz
Die AfD verbieten? Weil sich die Partei immer weiter radikalisiert, die Landesverbände Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft werden, flammen die Debatten um ein Verbot der AfD seit Jahresanfang wieder auf. Doch eine Partei zu verbieten, stößt auf hohe Hürden: Sie muss in ihrer Gesamtheit verfassungsfeindlich agieren. Und gerade in Hamburg fährt die AFD einen scheinbar gemäßigten Kurs unterhalb des Radars des Verfassungsschutzes. Aber ist sie tatsächlich gemäßigt?
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Die AfD verbieten? Weil sich die Partei immer weiter radikalisiert, die Landesverbände Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextrem“ eingestuft werden, flammen die Debatten um ein Verbot der AfD seit Jahresanfang wieder auf. Doch eine Partei zu verbieten, stößt auf hohe Hürden: Sie muss in ihrer Gesamtheit verfassungsfeindlich agieren. Und gerade in Hamburg fährt die AfD einen scheinbar gemäßigten Kurs unterhalb des Radars des Verfassungsschutzes.
Während das Bundesamt für Verfassungsschutz die gesamte AfD als rechtsextremistischen Verdachtsfall einstuft, den offiziell aufgelösten „Flügel“ der Partei und die AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ sogar als erwiesen rechtsextrem, taucht die AfD im Hamburger Verfassungsschutzbericht mit keinem einzigen Wort auf. „Sie ist kein Beobachtungsobjekt“, bestätigt Verfassungsschutz-Sprecher Marco Haase, und war dies auch noch nie.
Unter der Partei- und Fraktionsführung von Dirk Nockemann und Alexander Wolf inszeniert sich die Hamburger AfD als vermeintlich geschlossener, bürgerlich-konservativ ausgerichteter Landesverband. Die Doppelspitze achtet sorgsam darauf, zwar die eine oder andere migrant:innenfeindliche Polemik mit rassistischen Untertönen in die Welt zu setzen, um so die Debattenkultur im Rathaus zu vergiften, zugleich aber keinesfalls verfassungsfeindliche Parolen zu streuen.
AfD schaffte in Hamburg nur knapp den Wiedereinzug
Als die Hamburger AfD 2020 mit 5,3 Prozent nur knapp den Wiedereinzug in die Bürgerschaft schaffte, fuhren Nockemann & Co. sogar harsche Kritik von den östlichen Landesverbänden ein; sie hätten sich mit ihrem zu gemäßigten Auftreten das Wahlergebnis versaut.
Inhaltlich setzt die Hamburger AfD voll auf die Themen innere Sicherheit und Migration. 2023 drehten sich fast die Hälfte aller Anfragen und Anträge der Bürgerschaftsfraktion um diese beiden Themen. Zunehmend gerät aber auch das Thema Verkehr in den Fokus, oder beide Themen werden verknüpft, wenn etwa eine Bezirksfraktion ernsthaft die Frage stellt: Wie viele Parkplätze müssen für eine geplante Geflüchtetenunterkunft weichen? Politik mitgestalten kann die AfD in den Hamburger Parlamenten nicht – ihre Anträge werden von anderen Parteien in der Regel direkt abgelehnt.
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Doch so gemäßigt, wie sie sich gibt, ist die gerade erst wiedergewählte Parteiführung der AfD nicht. Es ist bekannt, dass Alexander Wolf ein „Alter Herr“ der vom bayerischen Verfassungsschutz heute als rechtsextrem eingestuften Burschenschaft Danubia war. Dennoch inszeniert sich der 56-Jährige in den Medien als moderater AfDler, als Wolf im Schafspelz. Mitunter übt er sogar vorsichtige Kritik am „Flügel“ und seiner Ikone Björn Höcke. Anders als noch vor einigen Jahren distanziert sich die Führungsriege der Hamburger AfD heute nicht mehr klar vom Höcke-Flügel. So redet Parteichef Nockemann, der auch schon auf Hamburger Querdenker-Demos mitmarschierte, Höckes Einfluss in der Partei gern klein.
Chefin der AfD-Fraktion in Mitte hat kein Problem mit Björn Höcke
Die Vorsitzende der AfD-Fraktion in Mitte, Nicole Jordan, hat kein Problem mit Höcke, sie steht dem Flügel sogar nahe: „Er ist Funktionsträger, er hat den stärksten Landesverband, er erzielt die höchsten Umfragewerte. Warum sollte ich mich von einem Herrn Höcke distanzieren?“, erklärte sie in einem Interview. Zusammen mit der Bürgerschaftsabgeordneten Olga Petersen, die ebenfalls dem Flügel nahesteht, soll Jordan 2021 sogar die Entmachtung der Parteiführung um Nockemann und Wolf angezettelt haben, um radikaleren Kräften an die Macht zu helfen – was aber misslang.
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So zeigt sich die Partei hinter den Kulissen gespalten. Personen wie Jordan und Petersen, die wegen ihrer Nähe zum Putin-Regime bereits von der Fraktionsführung abgemahnt wurden, passen so gar nicht zum gemäßigten Image der Hamburger AfD. Der Hamburger Rechtsextremismus-Forscher Andreas Speit schätzt den Hamburger Landesverband inzwischen auch als „weitgehend rechtsextrem“ ein und weist darauf hin, dass dieser sich gegen „die zunehmend rechtsextremen Tendenzen der Bundes-AfD an keiner Stelle zur Wehr gesetzt“ habe.
Seit der inzwischen bei der CDU gelandete ehemalige Fraktionschef Jörn Kruse 2018 aus der Partei austrat und deren bundesweiten Rechtskurs zum Abschied vehement kritisierte, ist der letzte bekannte Hamburger AfD-Politiker verschwunden, der politisch noch klar im bürgerlich-konservativen Milieu zu Hause war. Viele ehemalige Mitglieder der Rechtsaußenparteien DVU und Republikaner landeten in der Partei, geben an der Basis zunehmend den Ton an. Nun gibt es viele Wölfe im Schafspelz.