Plötzlich Hauptstadt der Impfgegner? 10.000 Demonstranten in Hamburg
Erst 3000, dann 5000 und nun schon rund 10.000 Teilnehmer: Die Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen bekommen in Hamburg immer mehr Zulauf. Am Samstag haben laut Angaben der Polizei etwa 8000, nach denen der Veranstalter sogar 13.000 Menschen friedlich unter dem Motto: „Das Maß ist voll – Hände weg von unseren Kindern“ in der Innenstadt demonstriert. Wird Hamburg jetzt zur Hauptstadt der Impfgegner? Die MOPO beantwortet die wichtigsten Fragen zur Mega-Demo.
Erst 3000, dann 5000 und nun schon rund 10.000 Teilnehmer: Die Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen bekommen in Hamburg immer mehr Zulauf. Am Samstag haben laut Angaben der Polizei etwa 8000, nach denen der Veranstalter sogar 13.000 Menschen friedlich unter dem Motto: „Das Maß ist voll – Hände weg von unseren Kindern“ in der Innenstadt demonstriert. Wird Hamburg jetzt zur Hauptstadt der Impfgegner? Die MOPO beantwortet die wichtigsten Fragen zur Mega-Demo.
Wer lief bei der Demonstration am Samstag mit?
Wie schon bei dem Protest am vorherigen Samstag war die Gruppe sehr heterogen: 80 bis 90 Prozent der Demonstrierenden konnten optisch keiner Gruppierung zugeordnet werden, so ein MOPO-Reporter, der die Demo vor Ort begleitet hat. Vertreten waren etwa Familien mit kleinen Kindern oder Jugendliche, aber auch Frauen in Engelskostümen, Männer mit Aluhüten und eine Gruppe in Militäruniformen. Die Plakatsprüche legen nahe, dass auch Esoteriker, Impfgegner und Verschwörungstheoretiker anwesend waren. Auch Menschen mit osteuropäischen Wurzeln – auf die sie in ihren Redebeiträgen Bezug nahmen – waren präsent. Zudem liefen auch Personen, die sich mit Impfgegnern solidarisieren, bei der Demo mit. Wie viele der Teilnehmenden aus dem Umland oder anderen Teilen Deutschland angereist sind, ist unbekannt.
Hamburg: 10.000 bei Demo gegen Corona-Maßnahmen
Waren auch Menschen aus der rechten Szene dabei?
Ja, einzelne Personen aus der rechten Szene waren anwesend. Sie haben den Protest-Zug nicht dominiert, sondern sich in die Gruppe der Demonstrierenden eingefügt. Zudem werden zwei Gruppen aus dem Kontext der Corona-Proteste in Hamburg bereits seit längerem vom Verfassungsschutz beobachtet. Sie machen in Hamburg aber nur einen „geringen Teil des Protestspektrums aus“, sagte ein Sprecher. Das „Hamburger Bündnis gegen Rechts“ hatte bereits vor der Demo vor einer Verharmlosung gewarnt.

Hat die AfD mitgemischt?
Ein AfD-Sprecher erklärte der MOPO, die Partei habe auf Landesebene nicht zu der Demo aufgerufen und sie nicht angemeldet oder anders unterstützt. Vermutlich hätten jedoch Parteimitglieder mitprotestiert. Von anderen Parteien wird die AfD, die gegen eine Impfpflicht ist, aber für die teils aufgeheizte Stimmung in Deutschland mitverantwortlich gemacht.
Corona-Demo in Hamburg: Kaum einer trug Maske
Was sind die zentralen Forderungen?
Der Protest richtete sich vor allem gegen eine Impfpflicht, die Impfungen von Kindern und Corona-Maßnahmen wie die 3G- und 2G-Regelungen. „Jesus fragt nicht nach deinem Impfstatus“, hieß es etwa auf einem Plakat, oder: „Corona-Maßnahmen sofort beenden“. Auch für Zusammenhalt und gegen eine gesellschaftliche Spaltung und Ausgrenzung wurde demonstriert.
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Was ist mit Abstandsgebot und Maskenpflicht?
Der Demonstrationszug wurde in 22 Blöcke aufgeteilt. Kaum ein Teilnehmer trug eine Maske. Laut den Vorgaben der Gesundheitsbehörde galt dafür aber auch keine Pflicht, das Tragen wurde nur dringend empfohlen. Abstände wurden laut Polizeiangaben besonders zum Ende häufig nicht mehr eingehalten. Ein extremes Gedränge beobachtete der MOPO-Reporter aber nicht. Ohnehin verliefen die Demo und auch der Gegenprotest aus der linken Szene friedlich.

Wie war der Protest in anderen Städten?
Im Deutschland-Vergleich war in Hamburg zwar am meisten los, doch auch in vielen anderen Städten gab es am Samstag Proteste – und die blieben nicht immer so friedlich: Im thüringischen Greiz und in Reutlingen in Baden-Württemberg kam es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei, bei denen nach Polizeiangaben mindestens 14 Polizisten verletzt wurden. Teilweise kam es auch zu nicht angemeldeten Protestmärschen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) appellierte an die Teilnehmer von Protesten gegen Corona-Politik, sich stärker von Rechtsextremisten und Reichsbürgern abzugrenzen und warnte vor einer weiteren Radikalisierung der Querdenker-Bewegung. Eine noch größere Demo als in Hamburg gab es zudem in Wien, wo nach Polizeiangaben rund 44.000 Menschen an einem Protestmarsch teilnahmen.
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Impfen ist der einzige Schutz gegen Corona. Warum verhalten sich Tausende jetzt so irrational und fordern teils sogar einen Stopp der Impfkampagne?
Der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth erklärte im „Spiegel“-Interview, dass der Mensch vor allem Schutz und Sicherheit wolle, die Pandemie aber zusätzliche Angst geschürt habe. „Der evolutionär bewährte Reflex darauf ist Erstarren, Rückzug oder Angriff“, so der Hirnforscher. „Das kann im Extremfall zur Teilnahme an Anti-Corona-Demonstrationen führen oder zur Impfverweigerung.“ Besonders problematisch: Wissenschaftler seien zu „Vertrauten“ erklärt worden – doch sie konnten wegen des neuen Virus und der Mutationen keine eindeutigen und langfristigen Antworten geben und damit das Sicherheitsbedürfnis vieler nicht befriedigen. Ohnehin seien nur 20 Prozent der Menschen spontan vernünftigen Argumenten zugänglich, zehn bis 15 Prozent seien dagegen nicht zu erreichen. Die mit 65 bis 70 Prozent aber größte Gruppe handelte so, wie es die Menschen im Umfeld vorgeben – und die meisten halten sich im Zweifel an die, die sie von klein auf geprägt haben.