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  • Foto: Christof Jessen

Plattenläden, Tonstudios, Filmmusik: Not und Chancen in Hamburgs Musikbranche

Ausfallende Festivals und Konzerte, kaum neue Musikproduktionen: Die Coronakrise hat die Musikbranche zu einer Vollbremsung gezwungen. Davon betroffen: viele Akteure, die nicht im Scheinwerferlicht stehen. Der Betreiber eines Plattenladens. Eine Frau, die Musik für Filme auswählt. Und der Chef eines Tonstudios. Wie geht es diesen Menschen? Die MOPO hat mit ihnen gesprochen.  

Christof Jessen betreibt schon seit Jahren den Kult-Plattenladen „Michelle Records“, den ältesten Plattenladen Hamburgs: „Wir sind hart von der aktuellen Situation betroffen“, sagt er. Seit Montag ist das Geschäft wieder geöffnet, doch das bringt die Umsatzverluste nicht zurück.

Hamburg: So leidet die Musikbranche unter der Coronakrise

Die legendären Schaufensterkonzerten, die regelmäßig Touristen angelockt haben – sie fielen Corona zum Opfer. Auch neue Platten gibt es kaum, da Release-Daten immer wieder verschoben werden. Doch Christof Jessen weiß, dass es einen noch härter treffen kann. „Wir haben viele Kontakte zu internationalen Künstlern, mit denen wir getourt haben. Was ich da mitkriege, ist beinhart. Wir haben in Hamburg wirklich Glück“, sagt er. Er hat Soforthilfe erhalten.

Pia Hoffmann wird die Corona-Krise erst zeitversetzt treffen.

Pia Hoffmann wird die Corona-Krise erst zeitversetzt treffen.

Foto:

Pia Hoffmann

Pia Hoffmann ist seit 14 Jahren als Music Supervisor selbstständig, kümmert sich um das musikalische Konzept für Filme und Serien. In ihrem Büro in Ottensen hat sie momentan noch gut zu tun: „Mich trifft die Krise zeitlich versetzt: Zurzeit werden die Filme noch in der Postproduktion fertiggestellt. Das Problem ist, dass zurzeit nichts Neues mehr gedreht wird. Das werde ich später zu spüren bekommen“, erklärt sie. Daher sei es auch gerade schwierig, Soforthilfe zu beantragen.

Pia Hoffmann: „Nach der Krise wird es nicht leichter“

Sie ist nicht die einzige, die erst später die Konsequenzen tragen muss, auch Verlage würden beispielsweise darunter fallen. „Es ist wichtig, dass geguckt wird, inwiefern auch Rettungsschirme und Maßnahmen für diese Leute getroffen werden können“, sagt sie weiter.

Eduardo García ist Geschäftsführer und Co-Inhaber des Tonstudios „German Wahnsinn“ in Hamburg.

Eduardo García ist Geschäftsführer und Co-Inhaber des Tonstudios „German Wahnsinn“ in Hamburg.

Foto:

Thomas Duffé

Eduardo García: „In drei bis vier Monaten wird es eng“

Auch Tonstudios müssen zurzeit um ihr Überleben kämpfen. Eduardo García ist Co-Inhaber und Geschäftsführer bei „German Wahnsinn“, zu dem auch gleichnamiger Verlag und Label gehören. In dem Tonstudio auf der Reeperbahn arbeiten normalerweise zwölf Leute und Freiberufler aus sämtlichen Bereichen. In diesen Tagen hat er das Studio für sich. „Da derzeit niemand mehr produzieren will, machen wir nur noch Eigenproduktionen“, so Eduardo García. 

Die Produktionen und Gehälter werden derzeit aus eigener Tasche bezahlt. „Der Zuschuss von der Stadt war gut, aber das reicht noch nicht mal für die Hälfte unserer monatlichen Ausgaben“, so der Tonstudio-Chef. Dank einiger Rücklagen können die Gehälter der Mitarbeiter weiterfinanziert werden – noch. „Seit Mitte März sind 80 Prozent der Einnahmen weggebrochen. Noch geht es, aber in drei bis vier Monaten wird es richtig eng“, sagt Eduardo García.

Coronakrise in Hamburg: Es gibt auch Hoffnung

Gibt es auch Hoffnung? Ja. „Das ist auch eine Chance für die lokalen Künstler, sich mehr Gehör zu verschaffen“ erklärt Christof Jessen. „Die internationalen Künstler werden hier nicht mehr so schnell für ein Konzert herkommen.“ Auch Pia Hoffmann sieht in der Krise die Chance für Veränderungen im Musikgeschäft. „Ich glaube, dass jetzt die kleinen Unternehmen gefragt sind und die Möglichkeit nutzen können, etwas zu ändern.“

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Christof Jessen führt die legendären Schaufensterkonzerte bei „Michelle Records“ derzeit  im Livestream weiter und hat kurzerhand auch einen Schallplatten-Lieferdienst eingerichtet – mit Erfolg: „Unsere Ideen sind super angenommen worden. Die Leute bestellen Platten, spenden Geldbeträge, kaufen Gutscheine – das ist eine tolle Bestätigung für unsere Arbeit.“

Wertet Corona Kunst und Kultur sogar auf?

Auch Eduardo García nutzt in seinem Tonstudio die Gelegenheit, etwas Neues auszuprobieren. „Wir machen gerade so viele verschiedene kreative Projekte, man denkt über neue Konzepte nach.“ Pia Hoffmann glaubt gar, dass Corona am Ende die Wertschätzung für Kultur steigert: „Was würden die Menschen jetzt ohne Musik, Bücher und Filme tun? Der Bedarf danach wird immer da sein – die Frage ist, was Kultur dann wirtschaftlich noch wert ist.“

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