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  • Foto: hfr

Pet Shop Boys im MOPO-Interview: „Ich bin 60, mein Lieber. Das ist alt, richtig alt“

„Hotspot“ ist die Berlin-Platte der Pet Shop Boys. Neil Tennant (65) und Chris Lowe (60) haben die zehn Songs nicht nur in den Berliner Hansa-Studios aufgenommen, viele der erstaunlich jung und dynamisch klingenden Stücke handeln auch von der Liebe des Duos zur deutschen Hauptstadt. Natürlich starten die Synthie-Pop-Helden, die seit Mitte der 80er dank Hits wie „West End Girls“ oder „It’s A Sin“ weltweit erfolgreich sind, ihre kommende Tournee in Berlin. Wir unterhielten uns mit Chris Lowe und merkten, dass der im Verbund mit Tennant sonst so schweigsame Musiker durchaus auch mal auftauen kann.

MOPO: Mr. Lowe, im Video zu Ihrer neuen Single „Monkey Business“ kann man Ihnen und Neil Tennant beim Tanzen zuschauen. So viel Dynamik ist man von den Pet Shop Boys nicht gewohnt.

Chris Lowe (lacht): Nicht wahr? Wir waren schon eine Weile nicht mehr selbst in einem unserer Videos zu sehen, und wir hatten bei „Monkey Business“ einfach Lust darauf. Gerade weil dieser Song so flott, funky und tanzbar ist. Wir haben mit einer Choreografin gearbeitet, die Neil und mir jeden einzelnen Schritt genau gezeigt hat. Ich hätte gerne noch länger trainiert, aber es sieht auch so witzig aus.

Gehen Sie privat oft tanzen?

Och, nicht mehr so richtig. Ich bin ziemlich wählerisch geworden, was Clubs angeht. Der Laden muss mir schon echt was bieten. Letzten Sommer war ich auf ein paar Partys auf Ibiza, naja, ganz nett. Aber ich habe festgestellt, dass mir der nächtliche Schlaf recht wichtig geworden ist. Ich bin 60 geworden, mein Lieber, das ist alt, richtig alt.

Spüren Sie das Alter?

Ich fühle mich nicht anders als früher. Ich muss mir immer wieder in Erinnerung rufen, dass ich 60 bin. Aber wissen Sie, was das Beste an meinem Alter ist: Ich habe jetzt eine Seniorenkarte für den Zug.

Ist 60 nicht sowieso das neue 40?

Yeah. Mein Reden. Ein wenig bin ich beunruhigt, etwas wirklich Spannendes zu verpassen. Neil und ich gehen jetzt gern altersgerecht aus. Wir treffen uns, wenn wir in Berlin sind, gern sonntagmittags im „Berghain“ mit Freunden auf ein paar Prosecco, bevor wir ein spätes Mittagessen einnehmen.

Wie halten Sie es mit der dortigen Nacktheit?

Wir sitzen oben in der Panorama-Bar, dort sind die Menschen in der Regel nicht nackt. Neil und ich auch nicht. Aber wenn die anderen nackt sein wollen, sollen sie doch gerne. Wir beide finden das cool. Die ganze Atmosphäre im „Berghain“ ist sehr befreiend, auch weil die Handys aus bleiben müssen. In London kannst du nirgends hingehen, ohne beäugt zu werden. Und wenn die Leute gerade keine anderen Leute fotografieren, dann fotografieren sie sich selbst. Nervig. Neil und ich erregen ungern Aufsehen. Dafür ist das entspannte Berlin wie gemacht.

Wie viel Zeit verbringen Sie dort?

Etwa zehn Wochen pro Jahr. Wir haben uns vor kurzem sogar eine Wohnung gekauft.

Sie und Neil leben in einer WG?

Ja, während wir in London an entgegengesetzten Enden der Stadt leben und uns meist in der Mitte treffen, wohnen wir in Berlin zusammen und verbringen auch unsere Freizeit gemeinsam.

Die Berliner schimpfen oft über ihre Stadt, viele finden sie siffig. Sie sehen das anders, oder?

Komplett. Berlin ist so ein offener Ort. In London ist es undenkbar, dass die Leute mit Bierflaschen in der Tube sitzen. Aber in Berlin geht alles. Wir mögen es, wenn es nicht so viele Regeln gibt. Berlin ist das totale Gegenteil zu München, dieser extrem aufgeräumten Stadt. Die Leute in Berlin sind anarchisch und teilweise auch echt bekloppt. Wie die parken! Auf dem Bürgersteig, mitten auf der Straße, einfach überall (lacht).

Sie haben „Hotspot“ auch in Berlin aufgenommen, und zwar in den berühmten „Hansa-Studios“ am Potsdamer Platz.

Ja. Wir wollten die Platte in Berlin machen, und da kamen uns die Hansa-Studios wegen der großen Geschichte – David Bowie, Brian Eno, Depeche Mode – in den Sinn. Zudem liegen dort all diese fantastischen analogen Keyboards herum, die wir alle genutzt haben. Der ganze Sound ist viel dichter und wärmer, als wenn wir zum Beispiel in Los Angeles aufgenommen hätten.

„Hotspot“ klingt nach den klassischen Pet Shop Boys. Macht es Ihnen Spaß, zeitlosen Pop mit modernen Sounds zu vermengen?

Das geschieht automatisch. Diese Kombination steckt tief in unserer DNA. Schütte noch ein Tütchen Melancholie dazu, dann hast du alles beisammen. Wir denken darüber gar nicht mehr nach.

Eine der Uptempo-Nummern heißt „Happy People“. Diese leben, so der Text, in einer traurigen Welt. Was dachte sich Neil bei diesen Zeilen?

Es geht um das Spannungsverhältnis zwischen uns und der Welt. Neil und ich sind weitgehend glückliche und optimistische Gesellen. Zugleich scheint die Welt so missmutig geworden zu sein, trauriger als früher. Manchmal übermannt einen dieses Gefühl der Niedergeschlagenheit, und zwar umso stärker, je mehr Zeit du an deinem Handy verbringst. Ohne Pause informiert es dich darüber, was wieder Schreckliches passiert ist, das schafft und überfordert dich. Früher dominierte das Weltgeschehen dein Leben nicht annähernd so wie heute. Du hast dir abends um 10 Uhr die Nachrichten angeguckt.

Sie und Neil wirken zusammen immer so sympathisch stoisch. Ist das eigentlich eine Masche?

Gott ja, das ist unsere Aura. Die Grundstimmung der Pet Shop Boys ist eine gut gelaunte.

Sie kennen sich seit etwa 40 Jahren. Wie sehr ähnelt Ihr Verhältnis dem eines alten Ehepaares?

Bleiben verheiratete Paare denn überhaupt so lange zusammen wie wir? Nicht viele, oder? Das mit uns ist allerdings eher eine Freundschaft als eine Ehe. Wir mögen uns, aber wir haben keinen Sex. Okay, manche Ehepartner vielleicht auch nicht. Jedenfalls: Die Basis unserer Beziehung ist die Musik. Und wir lieben beide gute Essen. Ständig probieren wir neue Restaurants aus.

In der Anfangszeit der Pet Shop Boys haben viele gedacht, ihr wärt ein Paar. Hat Sie das je gestört?

Nein, warum sollte es? Aber wir waren nie ein Paar. Wir haben ein Verhältnis wie Mick Jagger und Keith Richards. Oder wie Paul McCartney und John Lennon – obwohl, die haben sich ja irgendwann zerstritten. In einer Band gibt es automatisch mehr Spannungen, weil mehr Leute involviert sind. Dadurch, dass wir nur zu zweit sind, ist es einfacher, zusammenzubleiben.

Album „Hotspot“ ab 24.1. – Konzert: 22.5., Barclaycard-Arena

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