Pazifisten so zerstritten wie nie: Linke und DGB boykottieren Hamburger Ostermarsch
Wenn es darum ging, gegen Wettrüsten, gegen Waffenlieferungen und für den Weltfrieden auf die Straße zu gehen, waren früher regelmäßig Tausende Menschen mit dabei. Grüne, Linke, Gewerkschafter, Kommunisten – sie alle nahmen wie selbstverständlich teil am Hamburger Ostermarsch. Doch seit in der Ukraine täglich Menschen sterben, ist es mit dem Schulterschluss vorbei. Schon im vergangenen Jahr knirschte es im pazifistischen Gebälk, jetzt aber kracht es so richtig.
Wenn es darum ging, gegen Wettrüsten, gegen Waffenlieferungen und für den Weltfrieden auf die Straße zu gehen, waren früher regelmäßig Tausende Menschen mit dabei. Grüne, Linke, Gewerkschafter, Kommunisten – sie alle nahmen wie selbstverständlich teil am Hamburger Ostermarsch. Doch seit in der Ukraine täglich Menschen sterben, ist es mit dem Schulterschluss vorbei. Schon im vergangenen Jahr knirschte es im pazifistischen Gebälk, jetzt aber kracht es so richtig.
Denn erstmals versagen DGB und Hamburgs Partei Die Linke dem Ostermarsch die Unterstützung. Beide wollen ausdrücklich nicht teilnehmen und ihre Mitglieder auch nicht zur Teilnahme auffordern. Die Zahl der Ostermarschierer dürfte daher ziemlich überschaubar sein.
In Abwandlung eines alten Slogans der Friedensbewegung könnte es diesmal heißen: „Stell Dir vor, es ist Ostermarsch, aber keiner geht hin.“
„Putin-Versteher“ im „Hamburger Forum“: Schuld am Krieg ist der Westen

Dass der Hamburger Ostermarsch – mehr als sechs Jahrzehnte nach seiner Erstauflage – in die Bedeutungslosigkeit zu versinken droht, liegt vor allem an den „Putin-Verstehern“ im sogenannten „Hamburger Forum“. Das ist der Verein, der die Veranstaltung seit Anfang der 80er Jahre organisiert. Diejenigen, die dort das Sagen haben, sind offensichtlich der Meinung, dass der Westen die Hauptschuld trägt am Ukraine-Krieg. Wenn nicht gar die alleinige.
Im Ostermarschaufruf 2023 (Überschrift: „Für Frieden in Europa! Den Dritten Weltkrieg verhindern!“) wird Moskaus Angriffskrieg nicht nur nicht verurteilt. Kritik wird ausschließlich an den USA und dem Westen geübt. Wörtlich heißt es in dem Text: Der Krieg hätte wahrscheinlich verhindert werden können, „wenn die NATO die Sicherheitsinteressen Russlands nicht ignoriert hätte.“ Die USA instrumentalisierten den Ukraine-Krieg regelrecht, um ihre ins Wanken geratene globale Dominanz zu retten, heißt es da. Die Wirtschaftssanktionen dienten nur dazu, den Konkurrenten Russland kleinzuhalten. Der Aufruf des „Hamburger Forums“ gipfelt in der Forderung, Waffenlieferungen an die Ukraine einzustellen und die Sanktionen gegen Russland zu beenden.
2022 marschierten Rechte und Verschwörungsgläubige mit
Schon vor einem Jahr, vor dem Ostermarsch 2022, hatte es heftige Kritik am „Hamburger Forum“ gegeben. Denn damals hatten sich die Organisatoren ähnlich russlandfreundlich geäußert. Gegenüber der MOPO hatte Dr. Markus Gunkel vom „Hamburger Forum“ damals sogar gesagt, er verstehe nicht, „wie man sich an die Seite der Ukraine stellen könne. Das sind Nationalisten, die Kriegsverbrechen begehen“. Von russischen Kriegsverbrechen sprach er nicht.

DGB und Linke distanzierten sich seinerzeit zwar inhaltlich vom Ostermarschaufruf des „Hamburger Forums“, indem sie betonten, dass aus ihrer Sicht ganz klar Russland die Schuld am Krieg trage. Mitmarschiert sind sie 2022 dann aber doch. Für großes Unbehagen sorgte damals allerdings der Umstand, dass sich von der russlandfreundlichen Haltung der Veranstalter so manche Vertreter des äußerst rechten politischen Spektrums und Verschwörungsgläubige angesprochen fühlten, die sich dann auch unter die Ostermarschierer mischten.
Eine Wiederholung wollten DGB und Linke wohl vermeiden und haben jetzt den Schlussstrich gezogen. Die Nachricht vom Boykott des Ostermarsches platzte am Montag wie eine Bombe ins politische Hamburg.
Christoph Timann, Landesgeschäftsführer der Linken, begründet die Entscheidung gegenüber der MOPO damit, dass seine Partei die Darstellung, „der Westen wäre eigentlicher Verursacher des russischen Angriffskriegs“, nicht mittragen könne. „Das ‚Hamburger Forum‘ sieht nach wie vor die Kriegsschuld einseitig bei den USA und ihren NATO-Verbündeten und vermeidet jede Forderung, den eigentlichen Aggressor Russland für die Beendigung dieses Krieges in die Pflicht zu nehmen“, heißt es in einer Erklärung der Linken. „Dies ist aus unserer Sicht menschlich verantwortungslos, politisch einseitig, völkerrechtlich blind und gesellschaftspolitisch nicht anschlussfähig.“
„Menschlich verantwortungslos, politisch einseitig, völkerrechtlich blind“

Der DGB begründet seinen Entschluss, dem Ostermarsch, fernzubleiben, ganz ähnlich: Die alten Gewissheiten, „die durch den völkerrechtswidrigen Angriff Russlands auf die Ukraine ins Wanken geraten“ seien, hätten in den letzten Monaten nicht mit den Veranstaltern des Hamburger Ostermarsches ausreichend diskutiert werden können, so DGB-Vorsitzende Tanja Chawla. „Unsere Positionen sind dabei klar definiert: Wir stehen an der Seite der Ukrainer, fordern aber alle Akteure dringend auf, die Rüstungsspirale nicht ins Endlose zu drehen, sondern diplomatische Wege deutlich zu stärken.“
Die Linken feiern Ostermontag ein Friedensfest in St. Georg
Als Alsternative zum Ostermarsch haben sich die Linken dazu entschlossen, Ostermontag ein Friedensfest auf dem Carl-von-Ossietzky-Platz in St. Georg zu feiern mit Musik, Kinderspielen, Leckereien, mit vielfältigen Redebeiträgen und zahlreichen Gästen. Beginn: 15 Uhr. Unterdessen will sich der DGB 2023 Jahr ganz auf den „Tag der Arbeit“ konzentrieren. Chawla: „In diesem Jahr werden wir in Hamburg unsere Positionen und Forderungen kraftvoll und gebündelt am 1. Mai auf die Straße tragen.“
Die MOPO hat Dr. Markus Gunkel vom „Hamburger Forum“ um eine Stellungnahme gebeten und wollte wissen, wie er den Boykott des Ostermarsches durch DGB und Linke kommentiert. Außerdem hätten wir gerne gewusst, wieso das „Hamburger Forum“ den Angriffskrieg Russlands nicht verurteilt. Eine Antwort blieb er schuldig.